Mit Wahlsieger Donald Tusk freuten sich auch viele Regierungschefs in Europa.

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Der Bruder kann ihn ja trösten: Premier Jaroslaw Kaczynski (li.) gestand seine Niederlage ein.

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Die konservative Bürgerplattform will nach ihrem Sieg bei der polnischen Parlamentswahl einen Neustart in der Außenpolitik. Europas Spitzen freuten sich mit den künftigen Machthabern in Warschau. Bis 10. November soll die neue Regierung stehen.

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"Triumph der Bürgerplattform", "Triumph, Triumph" und "großartiger Sieg" - jubelten Polens Zeitungen. Nach knapp zwei Jahren Kaczynski-Regierung stürmten die Polen am Sonntag regelrecht die Wahllokale. Sie wollten den Wandel. Die Rückkehr zu einer Demokratie ohne Schauprozesse, zu einem Leben ohne permanente Angst vor Spitzeln und Agenten und die Rückkehr zu einem europafreundlichen Polen.

Großer Andrang in den Wahllokalen

So groß war der Andrang in den Wahllokalen, dass in einigen sogar die Stimmzettel ausgingen und die Polizei mit Blaulicht durch Warschau und Danzig raste, um Nachschub zu holen. Die letzten Wahllokale schlossen um 23 Uhr. Bis dahin durfte keine Prognose bekannt gegeben werden. Die Spannung stieg bis ins fast Unerträgliche. Als dann endlich die Zahlen an den Parteisäulen aufleuchteten, umarmte Tusk seine Frau und rief: "Ich bin heute der glücklichste Mensch auf der Welt!".

Vor zwei Jahren hatte er noch die Parlaments- als auch die Präsidentschaftswahlen verloren. Mit 41,4 Prozent der Stimmen liegt seine gesellschaftspolitisch konservative und wirtschaftlich liberale Bürgerplattform (PO) nun aber weit vor der bisherigen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Drittstärkste Kraft im künftigen Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, wird das Parteienbündnis Linke und Demokraten (LID) sein. Die ehemaligen Koalitionspartner der PiS hingegen, die rechtsradikale Liga der Polnischen Familien (LPR) und die Bauernpartei "Selbstverteidigung", werden nicht mehr im Sejm vertreten sein, da sie es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schafften.

Der Erfolg der PO hatte sich erst vor knapp zwei Wochen abgezeichnet. Den großen Umschwung in der Wählergunst brachte das Fernsehduell Tusks gegen Kaczynski, das Tusk bravourös gewann. Kurz darauf gewann er auch noch das Fernsehduell gegen den Expräsidenten Aleksander Kwasniewski, der bei den Polen nach wie vor hoch in der Gunst steht. In diesem Duell hatte er zum ersten Mal eine unmissverständliche Koalitionsaussage gemacht. Sollte die PO gewinnen, werde sie mit der Bauernpartei PSL eine Regierung bilden. Die Umfragewerte stiegen.

"Ins Herz Europas zurückführen"

"Wir werden Polen ins Herz Europas zurückführen", erklärte Bronislaw Komorowski, Stellvertreter von Parteichef Donald Tusk, gestern in Warschau. Die PO werde in der Innen- und Außenpolitik einen grundlegenden Kurswechsel durchführen. In ganz Europa, insbesondere aber in Deutschland, wurde diese Ankündigung mit großer Erleichterung und Freude aufgenommen. Angela Merkels CDU und Tusks Bürgerplattform arbeiten im Europäischen Parlament in einer Partei zusammen.

Daher setzt Kanzlerin Merkel nicht nur auf eine bessere Zusammenarbeit in der Europapolitik, sondern erwartete auch eine Entspannung im deutsch-polnischen Verhältnis. Auch Russland hofft auf eine neue Gesprächsbereitschaft und die Lösung einiger Konflikte mit Polen.

Einführung des Euros beschleunigen

Die PO will die von den Konservativen abgebremste Einführung des Euro beschleunigen. Zudem will sie den in Polen unpopulären Irak-Einsatz beenden und die dort noch 900 polnischen Soldaten nach Hause holen.

Für ihr ehrgeiziges Programm strebt die Partei ein breites Bündnis mit anderen oppositionellen Kräften an. "Wir müssen mit allen, die PiS weg haben wollten, ein möglichst breites Bündnis bilden", sagte Komorowski dem polnischen Rundfunksender Tok FM. Erste Koalitionsgespräche sollen noch in dieser Woche geführt werden. Am 10. November soll die neue Regierung stehen. (Gabriele Lesser aus Warschau, DER STANDARD, Printausgabe 23.10.2007)