Sie hatten immer nur dieses Foto, das sie in einem Buch auf dem Dachboden versteckt hielten: das Bild einer glücklichen Familie, lange vergangen. Eines Tages aber ist er plötzlich wieder da: ein schroffer, schweigsamer Mann mit grauen Haaren im Bart. Der Vater sitzt mit am Tisch, zur Feier des Tages dürfen die halbwüchsigen Jungen einen Schluck Wein trinken. Bald darauf brechen sie zu einem Angelausflug auf, der zu einer Zerreißprobe wird.
Die Rückkehr läuft in einer Sektion mit dem Titel Best Off: Viennale revisited. Sie versteht sich als "Off-Kommentar zu zehn Jahren Programmauswahl von Viennale-Direktor Hans Hurch, formuliert von der Programmabteilung Verena Teissl und Katja Wiederspahn". Die Filme, die in dieser Abteilung laufen, haben es in den vergangenen Jahren nicht ins Programm geschafft - aus unterschiedlichsten Gründen vermutlich, letztlich werden aber immer kuratorische Kriterien entschieden haben. Es geht also um das Profil der Viennale als Festival.
Die Rückkehr gewann 2003 in Venedig den Goldenen Löwen für den besten Film. Es handelt sich tatsächlich um einen beispielhaften, nahezu perfekten Festivalfilm, allerdings von der Sorte, die der Viennale immer Gelegenheit gab, sich in Opposition dazu zu positionieren: Denn Zvyaginzev bedient ganz eindeutig Bedürfnisse, die das internationale Kino selbst im Lauf der Jahre schon vorgeformt hat. Eindrucksvolle Natur und eine rätselhafte Geschichte verbinden sich mit perfekt gecasteten Kindern zu einem im Grunde leeren Text, in dem es um nichts geht als um die perfekte Durchführung einer filmischen Übung.
Radikal spezifisch
Positiv formuliert, sind Festivals eine hochdifferenzierte Angelegenheit; negativ formuliert: eine beliebige Ansammlung von audiovisuellen Erzeugnissen. Zwei Möglichkeiten schaffen dabei Abhilfe. Die Rückkehr zeigt sehr schön die eine Möglichkeit: die Geschichte könnte im Grunde überall spielen, die pompösen ästhetischen Strategien und konventionalisierten Charakterzeichnungen sind "transportabel" und entsprechen so Bedürfnissen reisender Festivaliers, die für einen Großteil dessen zuständig sind, was heute das Kino ausmacht. Die andere Möglichkeit ist, auf radikale, idiosynkratische Weise spezifisch zu sein. Das verlangt dem Publikum viel ab.
Die Viennale hat es im Verlauf der letzten 15 Jahre dazu gebracht, dass sie als Festival mit diesem Ideal assoziiert wurde - ob sie ihm selbst immer genügt hat, ist dabei eine offene Frage, die anhand der Filme von Best Off allein nicht zu klären ist: eine Reise nach Armenien (Stone Time Touch von Garine Torossian), eine Dokumentation über einen Sumo-Ringer (Practice von Cara King), ein Film über ein mexikanisches Frauengefängnis (Relatos desde en encierro von Guadalupe Miranda) oder ein israelischer Frauenfilm (Or [Mon Trésor] von Keren Yedaya) stellen jeweils andere Fragen an die Unterscheidungskriterien, denen sich das Programm der letzten Jahre verdankt hat.