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Oskars Spurdzinš, lettischer Finanzminister, kämpft gegen die ausufernde Nachfrage nach Krediten.

Foto: Reuters/Ints Kalnins
Riga - Lettlands Finanzminister Oskars Spurdzinš über die rasant wachsende Lust der Letten am Konsum und an der Kreditaufnahme, die ebenso rasant wachsende Inflation, und warum der Eintritt in die Eurozone verschoben wurde.

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STANDARD: Estland hat heuer beschlossen, die Flat Tax auf 18 Prozent zu senken. Als Endziel schwebt ihren Nachbarn ein Steuersatz von zwölf Prozent vor. Wird Lettland nachziehen?

Spurdzinš: Nein, wir haben ein eigenes System. Unternehmenssteuern liegen bei 15 Prozent, die Einkommenssteuer bei 25 Prozent. An eine weitere Steuersenkung denken wir derzeit nicht, denn das könnte auch die Inflation steigern.

STANDARD: Manche Experten meinen, Lettlands Wirtschaft sei aus der Balance geraten. Man warnt vor Überhitzung und rät Ihrem Land, Maßnahmen gegen das rasante Wirtschaftswachstum (Derzeit gut zehn Prozent jährlich; Anm.) und gegen das Wachstum des privaten Konsums einzuleiten.

Spurdzinš: Der private Konsum ist zwar hoch, aber gleichzeitig bewegt er sich im europäischen Durchschnitt. Und die Wirtschaft ist nicht unausgeglichener als in anderen neuen EU-Staaten. Einer unserer Schwerpunkte ist es, dieses Jahr ein ausgeglichenes Budget zu erzielen. Ein weiteres Problem, gegen das wir vorgehen, ist das Kreditproblem. Der Zuwachs bei der Konsumkreditvergabe liegt bei jährlich 60 bis 70 Prozent. Viele Leute wollen jetzt schon besser leben, nicht irgendwann. Nun wurde die Kreditvergabe erschwert. Um einen Kredit zu bekommen, muss man jetzt mehr Sicherheiten bringen.

STANDARD: Es heißt, dass 90 Prozent der Mitarbeiter in der Privatwirtschaft offiziell Mindestlöhne (derzeit 120 Lats, rund 170 Euro; soll 2008 auf 160 Lats erhöht werden; Anm.) erhalten, den Rest schwarz. Wie wollen Sie dieses Problem in den Griff bekommen?

Spurdzinš: Die Zahl ist überhöht. Wir schätzen sie auf 13 bis 14 Prozent.

STANDARD: Die Inflation ist im August auf ein Zehn-Jahres-Hoch geklettert und lag bei 10,1 Prozent. Sie haben nun ein Maßnahmenpaket geschnürt. Wann wird das wirksam?

Spurdzinš: Nicht sofort, Weltmarkt, steigende Energie- und Konsumgüterpreise sind Einflüsse, die dafür sorgen, dass wir noch einige Zeit brauchen werden, um die Inflation in einem zufriedenstellenden Ausmaß zu senken.

STANDARD: Wie wollen Sie Auslandsinvestoren anlocken?

Spurdzinš: Wir sind mit unserer niedrigen Steuerbasis attraktiv für ausländische Investoren. Die Arbeitskosten sind zwar gestiegen, liegen aber immer noch unter dem EU-Schnitt. Für ausländische Investoren, die mehr als zehn Millionen Lats investieren, gibt es Steuererleichterungen.

STANDARD: Ursprünglich wollte Lettland den Euro schon 2008 einführen. Nun wurde verschoben. Wann wird es so weit sein?

Spurdzinš: Das einzige Kriterium, das wir nicht erfüllen, ist die Inflation. Die Teuerungsrate zu senken geht aber nicht so schnell. Vor 2011/2012 werden wir es nicht schaffen.

STANDARD: Viele junge Leute verlassen das Land.

Spurdzinš: Sicher ist das ein Problem. Eine Zeit lang wurde von den Massenmedien die Idee genährt, dass die Hälfte der Bevölkerung weggehen könnte. Aber es hat sich herausgestellt, dass nur 11.000 Menschen aus Lettland in Irland leben. Aber der Arbeitskräftemangel ist natürlich ein Problem hier in Lettland. (Regina Bruckner, Riga, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.10.2007)