Fällt die Schengen-Grenze in Ostösterreich am 21. Dezember? Offiziell ja. So will es die Europäische Union. Wer es nicht will: der ehemalige burgenländische Parteisekretär Norbert Darabos, der heutige Verteidigungsminister, mit offensichtlicher Billigung der zuständigen Landeshauptleute und der Regierung. Denn bei populistisch verwertbaren Aktionen bilden sich rasch einige Bereichskoalitionen. Die Soldaten werden in der kalten Steppe noch einmal Weihnachten feiern.

Massiv infrage gestellt ist mit diesem Vorgehen die bisherige verfassungsrechtliche Aufgabe des österreichischen Bundesheeres. Denn was da passieren wird, ist kein Grenzschutz mehr, sondern eine rein innerstaatliche Polizeiaufgabe, entfernt vergleichbar mit der Zollfahndung im Weichbild der Grenzregionen. Wenn die Politik will, biegt sie Gesetze und Beschlüsse. Sonst legt sie – wie im Falle der Abschiebungen – die volle Wucht auf den Buckel der Betroffenen.

Politik drückt sich

Die Problematik liegt freilich tiefer. Die Politik drückt sich um die Frage herum, die Aufgaben des Heeres für die Zukunft zu definieren und daraus organisatorische Konsequenzen zu ziehen.

Tatsache ist, ob die Neutralität nun bleibt oder nicht, dass das Bundesheer langsam in eine europäische Armee hineinwächst. Dazu brauchen wir die allgemeine Wehrpflicht nicht mehr. Ein Berufsheer genügt. Trotz der Bedenken, die man aufgrund der Ereignisse in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts haben muss.

Vorstellungen gehen weit auseinander

Eine Koalition wie die momentan regierende wird so etwas nicht anpacken. Die Vorstellungen gehen noch weiter auseinander als beispielsweise in der Bildungsfrage. Neutralität oder Nato. Wehrpflicht oder Sozialdienst. Schwere oder leichte Waffenpalette.

Das neue Bundesheer wäre im Rahmen der EU-Verteidigung umzukrempeln. Was auch hieße, dass nicht jedes Land das Gleiche macht. Nicht jedes müsste Abfangjäger haben, nicht jedes Land Pioniereinheiten – um zwei ganz verschiedene Truppenteile zu nennen.

Sozialdienst für Männer und Frauen

Statt der allgemeinen Wehrpflicht sollte man – wie schon öfter vorgeschlagen – einen Sozialdienst für Männer und Frauen einrichten, den man auf eine dreimonatige Grundausbildung reduziert. Kombinieren könnte man ihn mit einem Pionier-Dienst, der die Bundesheersoldaten bei Katastrophen ersetzt. Die vom ORF und dem Roten Kreuz organisierte Österreich-Initiative zeigt, wie groß der Zuspruch in der Bevölkerung wäre.

Stattdessen reden Verantwortliche von einem „Schleiereinsatz von Übersichtspunkten aus“ (Brigadier Segur-Cabanac im Standard). Das klingt nach Schleiereule und Waldkauz im Nachtbetrieb. Am Tag überfliegen im Endausbau des zoologischen Grenzschutzes präparierte Tauben die Weingärten des Burgenlandes. Weihen versehen im Schaukelflug den Dienst im Marchfeld.

Man sollte sich von den Tarnern nicht täuschen lassen. All das kann sich nämlich auch zur flächendeckenden, technisch ausgefuchsten Überwachung entwickeln.

Niemand sollte glauben, dass in Zeiten wie diesen mehr Bewegungsfreiheit für Bürger entsteht. Mit der Grenze hat man leicht argumentieren: Man redet vom „Schutz der Bevölkerung“ und vom „Kampf gegen die Schlepper“. Richtig. Das alles aber sind keine Bundesheer-Aufgaben, sondern Anforderungen an eine gut ausgebildete Polizei. Die Politik vermischt absichtlich Äpfel und Birnen, weil sie ganz bewusst uns alle hinters Licht führt. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, Printausgabe 22.10.2007)