In kaum einem Sektor hat sich in den vergangenen Monaten so viel bewegt wie in der Landwirtschaft. Die alten Instrumente sind obsolet geworden, obwohl die EU- und insbesondere die österreichische Agrarbürokratie, die ihre verschlungene, nicht leicht überprüfbare Agrarförderungsverteilmethodik aus eigenem Interesse so lange wie möglich aufrechterhalten will, dies nicht wahrnehmen möchte.

Man rekapituliere die fundamentalen Änderungen am Markt: Die Agrarpreise sind weltweit so hoch wie vielleicht noch nie. Daran wird sich auch nichts ändern. Weil a) die Finanzmärkte nach unglaublich langer Zeit kapiert haben, dass steigende Weltbevölkerung mehr Nahrungsmittelbedarf nach sich zieht. Und weil b) immer mehr Agrarrohstoffe in die Spritproduktion fließen.

Brüssel macht in dieser Situation aber weiter wie bisher. Etwa am heute, Montag, stattfindenden Treffen der EU-Landwirtschaftsminister: Da werden Überschüsse am Weinmarkt detailreich diskutiert. Da werden jenen Ländern wie Österreich, das rund eine Milliarde Euro jährlich an die heimischen Bauern aus Brüsseler Töpfen verteilen darf, die Daumenschrauben angezogen: Spätestens 2009 sollte Österreich, wie mittlerweile fast alle EU-Länder, die Agrarförderungen und deren Empfänger offenlegen.

Nicht, dass ein Mehr an demokratischer Diskussion und Transparenz bei so viel Geld schädlich wäre – Stichwort Effizienz der Mittel. Aber längst weht der Wind aus einer anderen Richtung. Die Kräfte, etwa in Großbritannien, die für eine radikale Kürzung oder gar Streichung der Agrarsubventionen ab dem EU-Haushalt 2013 sind, werden stärker.

Diese Streich-Diskussion, die von einigen alten Mitgliedern angeführt wird, ist nicht ohne Zynismus. Ab 2013, so wurde den neuen EU-Staaten versprochen, werden ihre Bauern in gleicher Höhe aus den Brüsseler Töpfen bedient wie die Landwirte in Spanien, Frankreich oder Österreich. Derzeit bekommt ein rumänischer oder bulgarischer Bauer höchstens ein Viertel jener Subventionen, die ein Landwirt aus den alten EU-Staaten einstreichen kann.

Interessanterweise wurde bis dato nie öffentlich diskutiert, was es bedeutet, wenn das bereits seit 2007 eingefrorene EU-Agrarbudget beim nächsten Haushalt ab 2013 dann gleichwertig durch mindestens 27 Mitglieder dividiert werden muss. Vielleicht, weil diese – man muss es so benennen – Ungerechtigkeit bereits Schnee von gestern ist.

Denn längst stocken die Verhandlungen mit der Welthandelsorganisation WTO nur deshalb, weil sich Europas und Nordamerikas Bauernvertreter weigern, die landwirtschaftlichen Förderungen auf dem Altar des weltweit liberalisierten Handels zu opfern. Sollte es zu einem Aufleben der Doha-Welthandelsrunde kommen, dann deshalb, weil die starken Industrie- und Agrarmächte USA und EU richtig damit kalkulieren, dass sie einen offenen Weltmarkt bei Agrarrohstoffen für die Spritproduktion sowieso brauchen, da sie ihren Energiebedarf aus nachwachsenden Rohstoffen nicht aus den Erträgen eigener Felder decken können.

Die Verabschiedung vom alten System der Förderung und damit der Gängelung der europäischen Landwirte (zumindest der in den EU-Kernländern) fällt deshalb so schwer, weil ein riesiger Apparat entstanden ist, der abseits einer parlamentarischen Diskussion immense Geldmittel verteilen kann. Kompliziert bis ins kleinste Detail konnte so über lange Jahre der Anschein aufrechterhalten werden, die Förderungen seien auf das Geschick der Agrarintelligenzia in Landwirtschaftsministerien und -kammern zurückzuführen.

Diese paternalistische Politik, die durch eine Offenlegung von Subventionen nur gemildert wird, verhindert die Diskussion darüber, wie mit den vielen Problemen umgegangen werden soll, für die derzeit der Grundstein gelegt wird: Weitere Ausbeutung von Bauern in der Dritten Welt und im Osten, Gentechik, Boden-Auslaugung durch Agro-Spritherstellung sind nur einige. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.10.2007)