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Wen wählen? Pensionistinnen beim Studieren der Stimmzettel am Sonntag in Warschau.

Foto: Reuters
Nach dem äußerst schmutzig geführten polnischen Wahlkampf machten selbst Bischöfe gegen die regierenden Kaczynski-Brüder Stimmung. Die lieferten sich mit dem Liberalen Tusk am Sonntag ein Rennen um den Wahlsieg.

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Am deutlichsten hat am Sonntag der Erzbischof von Lublin agitiert: "Wer sich an der Lehre Johannes Pauls II. orientiert, achtet die Hierarchie der Werte", predigte Józef Zycynski. "Diese sagen klar, dass das Ziel nicht die Mittel heiligt", erklärte der Kirchenfürst und jeder wusste, dass Zycynski damit auf die schmutzige Wahlkampagne der konservativen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) vor der polnischen Parlamentswahl am Sonntag anspielte.

Regen und Schnee waren zum Wahltag in Polen angekündigt, aber es lockte wunderbares Herbstwetter. Ein schlechtes Omen für alle, die in Polen den Wandel wollen. Die Alten gehen aus Gewohnheit zur Urne, die Jungen fahren lieber ins Freie - genauso wie 2005, als die niedrige Wahlbeteiligung von knapp über 40 Prozent den Kaczynski-Zwillingen und der PiS in die Hände spielte. Damals hatten die Meinungsforscher eigentlich der Bürgerplattform (PO) unter Donald Tusk den Sieg vorausgesagt. Es kam anders.

"Ich und meine Bekannten hier, wir wählen die PiS!", erklärt ein älterer Mann mit dicker Brille vor dem Wahllokal Nr. 383. "Die Wende muss weitergehen", begründet er. Braune Birkenblätter sind inzwischen auf seinen grauen Wartburg gefallen, den er direkt vor dem Wahllokal abgestellt hat. Wer hier wählt, wohnt im sogenannten "Dackel", dem längsten Plattenbau der Stadt Warschau. Vor allem Rentner, ehemalige Staatsangestellte, aber auch ein paar junge Leute wohnten in dem 500 Meter langen Koloss, erzählt Wahlkommissionsleiter Krzysztof Jarzebski.

Junge mit neuen Ideen

Die 3,7 Prozent Durchschnittsarbeitslosigkeit werde im Stadtteil Praga wohl weit überschritten, dennoch würden auch die Warschauer auf der armen, östlichen Weichselseite vor allem die liberale PO wählen. "Die Jungen fahren ins Ausland und bringen Geld und neue Ideen zurück", begründet Jarzebski.

"Die Wahlbeteiligung ist entschieden besser als vor zwei Jahren", freut sich Aleksandra Kotarak, die junge Leiterin der Wahlkommission Nr. 385. Enttäuschende 38 Prozent haben hier vor zwei Jahren von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht, nun sieht man trotz des nahen Altersheimes auch sehr viele junge Polen im Abstimmungslokal der Grundschule Nr. 30.

Glaubt man den Umfragen, so wussten zehn bis 20 Prozent der Polen beim Betreten des Wahllokales noch nicht, wem sie ihre Stimme geben wollen.

Aber, die meisten haben ihre Wahl getroffen: "Für mich war sonnenklar, dass die Kaczynski-Brüder und ihre Koalitionspartner meine Stimme nicht bekommen", sagt die Pensionistin Elzbieta K. draußen an der Sonne vor dem Wahllokal, "ich hatte es vor zwei Jahren ja auch versucht, aber die haben sich überhaupt nicht bewährt." (Paul Flückinger aus Warschau, DER STANDARD, Printausgabe 22.10.2007)