Am schwersten haben es die Türkinnen.

 

 

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Wien – Das typische „Problemgirl“ kommt aus der Türkei. Wie 90 Prozent ihrer Landsfrauen hat sie nur Pflichtschulabschluss. Sie werkt als Küchengehilfin oder Putzfrau, die Arbeitszeiten sind so schlecht wie die Bezahlung. Wenn sie nicht gerade wegen saisonal bedingter Flaute stempeln gehen muss.

„Wie ein roter Faden“ zögen sich die Handicaps durch die Biografien der Migrantinnen, sagt Ursula Reeger von der Akademie der Wissenschaften. Gemeinsam mit zwei Co-Autoren hat die Forscherin für Frauenministerin Doris Bures einen Migrantinnenbericht angefertigt. Der Report zeichnet ein Bild umfassender Benachteiligung. Ausländerinnen übernehmen nicht nur die billigeren Jobs (drei Viertel der Türkinnen und Ex-Jugoslawinnen sind Arbeiterinnen), sie fliegen auch öfter wieder raus: Mit 9,2 Prozent liegt die Arbeitslosenquote deutlich höher als bei Österreicherinnen (sechs Prozent). Weshalb das Risiko, in Armut abzurutschen, doppelt so groß ist.

„Die Benachteiligung beginnt bei der schlechteren Schulbildung“, heißt es in der Studie. Mehr als die Hälfte der Migrantinnen hat lediglich eine Pflichtschule abgeschlossen, bei den Österreicherinnen beträgt die Rate 25 Prozent. Umgekehrt schützt gute Bildung aber auch nicht unbedingt vor sozialer Deklassierung. Die zugewanderte Akademikerin, die Regale schlichtet, ist kein Klischee. Was auch damit zusammenhängt, dass im Ausland erworbene Qualifikationen hierzulande oft nicht anerkannt werden.

„Ein ganzes Bouquet“ an Ursachen sieht die Autorin Reeger: Fehler im Schulsystem, Ressentiments gegenüber Ausländern, aber auch die „traditionellen Rollenbilder“ in manchen Zuwandererfamilien, wonach eine Frau am besten daheim die Kinder zu hüten habe. Der Report untermauert diese Annahme: Die Türkinnen sind seltener erwerbstätig und häufiger reine Hausfrauen als andere Altersgenossinnen. Jene, die arbeiten, stehen in der Beschäftigungshierarchie grosso modo ganz unten. Selbst Türkinnen, die lange im Land leben, schaffen kaum den Aufstieg.

Heikle Thesen

Auch andere politisch heikle Thesen greift der Migrantinnenbericht auf: Den Anstieg der Arbeitslosigkeit seit 1999, der überwiegend Ausländern den Job kostete, sei nicht mit dem vielzitierten „industriellen Strukturwandel“, sondern mit einem Verdrängungswettbewerb infolge „beachtlicher Zuwanderung“ zu erklären.

Gerade weil sich dieser Zustrom „feminisiert“, seien neue Ideen etwa im Bildungssystem gefragt, meint Reeger. Rund 575.000 Frauen in Österreich haben heute einen Migrationshintergrund. Reeger: „Das Bild des männlichen Gastarbeiters ist überholt.“ (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2007)