Wien - Im Bawag-Prozess wurde am Montag, dem 40. Verhandlungstag, die Befragung von Zeugen fortgesetzt. Als erster Zeuge wurde der frühere Bawag-Aufsichtsrat Albert Hochleitner, ehemaliger Siemens Österreich-Generaldirektor, befragt. Hochleitner saß als Vertreter des früheren Miteigentümers Bayerische Landesbank (BayernLB) im Aufsichtsgremium der früheren Gewerkschaftsbank.

Weiters auf der Zeugenliste fand sich Anton Kampelmühler, der von 1996 bis Ende 1999 im Bawag-Prüfungsteam der KPMG sowie von Dezember 2001 bis Ende Dezember 2004 als Prüfungsleiter der Bawag-Unternehmensgruppe tätig war. Anschließend wurde er Geschäftsführer der Bawag-Tochter Stiefelkönig. derStandard.at-Redakteurin Maria Sterkl berichtete aus dem Wiener Landesgericht.

16:10 Uhr

Aufatmen im Saal: Zeuge Kampelmühler darf gehen. Bevor sie den Verhandlungstag für beendet erklärt, verlautbart die Richterin aber noch den weiteren Fahrplan: "Am Mittwoch geht es weiter mit Dr. Gerharter. Nicht kommen müssen Dr. Reiter, Dr. Flöttl, und der Herr Weninger. Alle anderen kommen bitte."

15.44 Uhr

Unfreiwillige Komik entsteht, als Reiters Anwalt sich an Kampelmühler richtet: „Haben Sie damals das Gefühl gehabt, dass Dr. Reiter Ihnen irgendetwas zu verheimlichen versucht?" – „Ich habe nicht daran gezweifelt, dass er mir nicht die Wahrheit sagen würde", entgegnet Kampelmühler, der offensichtlich das Gegenteil meint, weil er hinzufügt: „Er war für mich ein berufliches Vorbild und auf seinem Gebiet eine Koryphäe."

Unbeirrt setzt der Anwalt fort, diesmal mit einer Frage an seinen Mandanten: Warum es eine „schwierige Entscheidung" gewesen sei, die Redepflicht gegenüber dem Aufsichtsrat nicht auszuüben. Weil eine willkürliche Ausübung der Redepflicht, die sich nachher als falsch herausstellt, schließlich Schadenersatzpflichten nach sich ziehe, so die originelle Begründung Reiters, der zudem hinzufügt: „Ich war der vollkommenen Ansicht, dass die Redepflicht nicht ausgeübt zu werden braucht und alle Gesetze haben mich darin bestärkt."

15.40 Uhr

Der Sachverständige erinnert Kampelmühler an dessen Aussagen im Banken-U-Ausschuss. Darin hatte er ausgesagt, dass er die ÖGB-Garantie wohl im Prüfbericht vermerkt hätte, hätte es keine gegenteiligen Vorgaben von Dr.Reiter gegeben. So will das Kampelmühler heute jedoch nicht mehr stehen lassen: „Das war eher hypothetisch gemeint." Der Staatsanwalt wird ungeduldig: „Herr Kampelmühler, haben sie vor dem Untersuchungsausschuss wahrheitsgemäß ausgesagt?" Der Zeuge lenkt ein: „Hätte es diese Vorgaben nicht gegeben, hätte ich es im Prüfbericht vermerkt."

Elsners Anwalt Wolfgang Schubert meldet sich mit einer Frage zu Wort, die bei der Richterin augenblicklich Kopfschütteln hervorruft: „Wir haben heute schon viel über negative Medienberichte gesprochen", leitet Schubert ein. Ob mehrere Berichte über einen möglichen Verkauf von Stiefelkönig negative Auswirkungen aufs Geschäft des Schuhhandelsunternehmens gehabt hätten? Bei den Kunden weniger als bei Standortverhandlungen, gibt der Zeuge zur Antwort.

15:30 Uhr

Es geht weiter um das Thema Großveranlagungspflichten. Selbst, wenn man das Obligo aller US-Gesellschaften dem "Kreditverbund Schlaff" zugerechnet hätte, wären keine Großveranlagungsgrenzen überschritten worden, "das ist mir jetzt noch erinnerlich", fällt dem Zeugen jetzt ein.

Und weiter: "Reiter und ich sind damals davon ausgegangen, dass es uns nicht zu interessieren hat, was in diesen Stiftungen drinnen ist, sondern dass die Werthaltigkeit aller Ausleihungen durch die Garantie gesichert ist. Das haben wir versucht, nachzuweisen."

"Haben Sie Auskünfte über die Tätigkeiten der Liechtensteiner Firmen erhalten?", fragt der Staatsanwalt. "Nein."

- "Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie sie sich gar nicht angeschaut haben, weil Sie ohnehin davon ausgegangen sind, dass das durch die Garantie alles gedeckt ist?" – Kampelmühler nickt: "Ja."

Der Staatsanwalt lässt Unterlagen der KPMG Wien aus dem Jahr 1999 auf die Leinwand projezieren, in welchen verschiedene offene Forderungen der BAWAG aufgelistet sind. Der Staatsanwalt möchte wissen, ob in diesen Forderungen auch Flöttls Sondergeschäfte enthalten seien, was Kampelmühler bejaht. "Und Sie sind davon ausgegangen, dass diese Forderungen werthaltig sind?" Ein weiteres Ja.

Der Sachverständige erinnert Kampelmühler an dessen Aussagen im Banken-U-Ausschuss. Darin hatte er ausgesagt, dass er die ÖGB-Garantie wohl im Prüfbericht vermerkt hätte, hätte es keine gegenteiligen Vorgaben von Dr.Reiter gegeben. Das will der Zeuge so nicht stehen lassen: „Das war eher hypothetisch gemeint." Der Staatsanwalt wird ungeduldig: "Herr Kampelmühler, haben sie vor dem Untersuchungsausschuss wahrheitsgemäß ausgesagt?" Der Zeuge lenkt ein: "Hätte es diese Vorgaben nicht gegeben, hätte ich es im Prüfbericht vermerkt."

Elsners Anwalt Wolfgang Schubert meldet sich mit einer Frage zu Wort, die bei der Richterin augenblicklich Kopfschütteln hervorruft: "Wir haben schon viel über negative Medienberichte gesprochen", leitet Schubert ein. Ob mehrere Berichte über einen möglichen Verkauf von Stiefelkönig negative Auswirkungen gehabt habe? Bei den Kunden weniger als bei Standortverhandlungen, gibt der Zeuge zur Antwort.

15.20

Die Richterin zitiert weiter aus dem Prüfer-Vermerk: Bei der Bilanz des Jahres 2000 sei keine Verletzung der Sorgfaltspflicht festgestellt worden. "Sehen sie das heute auch noch so?", fragt die Richterin.

"Aus der Sicht das Jahresabschlusses 2001 ja. Wir haben das ja vom Vorjahresbericht einfach so weiter übernommen." Reiter steht ihm bei: Es seien keine Großveranlagungsgrenzen überschritten worden, somit seien auch alle Sorgfaltspflichten gewahrt geblieben.

Ob die bankinterne Revision sich auch mit den Sondergeschäften hätte beschäftigen sollen, fragt die Richterin. "Ja." – „Haben Sie jemals Revisionsberichte der Jahre vor 1998 gesehen?" – "Nein", antwortet der Zeuge.

Staatsanwalt Krakow fragt nach: Warum er es als "eine schwere Entscheidung" empfunden habe, den Aufsichtsrat nicht über die Verluste zu informieren. "Naja, weil es wahrscheinlich genau um die Frage gegangen ist, um die es jetzt beim Prozess geht", antwortet Kampelmühler. "Ja, aber dann schaut man sich die Zahlen an, und dann trifft man die Entscheidung", meint Krakow. Kampelmühler: "Das ist sicher auch am vorliegenden Zahlenmaterial gescheitert". Die "Frage der Bestandsgefährdung" habe sich damals aber nicht gestellt.

Der Staatsanwalt lässt nicht locker: "Sie sagen, die Angelegenheit war sensibel, heikel, warum wird da nicht einfach abgeprüft?" – Da es sich um eine "schlechte Nachricht" gehandelt habe, "die zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird."

Krakow versteht noch immer nicht, "wo hier das Dilemma sein soll": Es müsse doch festzustellen sein, wann ein Wirtschaftsprüfer verpflichtet sei, zu reden, und wann nicht. – "Naja, das ist schon eine Ermessenssache." – "Von wem?", fragt Krakow. – "Vom Prüfer, der dann die Konsequenzen ziehen muss."

14:50 Uhr

Helmut Elsner kehrt zurück. Die Richterin liest weiter aus dem Aktenvermerk vor, in dem die KPMG-Prüfer unter anderem zum Schluss kommen, seitens der Bawag könne "kein maßgeblicher Einfluss" auf die Liechtenstein-Stiftungen genommen werden. "Was heißt das?", fragt Bandion-Ortner. Das weiß Kampelmühler selbst nicht, er habe das "von Robert Reiter erfahren". Der Ex-Kollege bestätigt: "Das stimmt. Die Bawag hat keinen Einfluss gehabt." Zwettler relativiert: "Formell hat man keinen Einfluss gehabt." – "Wer hat denn dann dort entschieden?", fragt die Richterin. "Der Herr Frick alleine?" – "Formell ja", sagt Zwettler. "Und nicht-formell?", fragt Bandion-Ortner. "Da ist sicher die Vorgangsweise abgestimmt worden mit der Bank", sagt Zwettler grinsend. "So eine Stiftung ist ja kein herrenloser Hund."

"Haben die Fricks also selber entscheiden können, ob ein Bild verkauft oder eine Investition getätigt wird oder nicht?" – "Das hat die Bawag entschieden." Die Richterin wird lauter: "Na eben! Also hat jetzt die Bawag einen Einfluss gehabt oder nicht?" – "Ja, aber keinen maßgeblichen", sagt Zwettler.

14:41 Uhr

Fünf Minuten sind relativ, die Verhandlung kann fortgesetzt werden – oder besser gesagt, sie könnte: "Wo ist der Herr Elsner?", fragt die Richterin. Der Angeklagte warte gerade auf seinen Kaffee, erklärt dessen Anwalt Schubert: "Die Problematik hat sich nicht geändert. Wenn man einmal pro Stunde in der Nacht aufstehen muss, ist man halt müde." Die Richterin nickt verständnisvoll, aber nicht befriedigt: "Ich brauche ihn halt ab und zu." - "Er kommt eh immer wieder vorbei", entgegnet Schubert. Lautes Gelächter.

Die Richterin wendet sich wieder dem Zeugen zu. Wie es denn möglich sein, dass der Aufsichtsrat nicht über eine mögliche Überschreitung der Großveranlagungsgrenzen informiert wurde, fragt die Richterin. "Nicht‚ nicht informiert', sondern ‚nicht durchgerechnet informiert'", korrigiert Kampelmühler. Er habe zwar gewusst, welche Kredite an mit der Bawag verbundene Unternehmen vergeben worden sind. Was diese dann aber mit dem Geld angestellt hätten, sei dem Kontrollorgan verborgen geblieben.

Das möchte die Richterin gerne noch etwas präziser dargestellt haben, doch Kampelmühler wehrt ab: "Das kann ich nicht sagen. Ich beschäftige mich seit drei Jahren nicht mehr mit der Bawag, sondern mit Modetrends."

14:28 Uhr

Die Richterin zitiert aus einer Sachverhaltsdarstellung der Bawag-Prüfer vom 31.12. über die Kreditgewährungen an die Liechtensteiner Stiftungen über Martin Schlaff 2001. "Können Sie sich an dieses Schreiben erinnern? Ich zeig's Ihnen mal, kommen Sie nur her", muntert Richterin Bandion-Ortner den Zeugen auf. Dieser folgt prompt und weiß auch schon, worum es geht. Es sei "meine wichtigste Tätigkeit gewesen, die Obligi, die da im Spiel waren, zu überprüfen", sagt Kampelmühler.

Was er jedoch nicht gewusst habe, ist, "dass dieses Geld über Martin Schlaff an diese vier Stiftungen (der Bawag in Liechtenstein, Anm.) weitergeflossen ist". "Das steht aber da drin", verweist die Richterin auf das ihr vorliegende Dokument. "Dann haben Sie aber nur einen Vorentwurf, nicht das endgültige Memo", meint der Zeuge. Die Richterin, schulterzuckend: "Kann sein. Aber warum steht es dann drin?"

Der Zeuge ist ahnungslos. "Das verwundert mich selber", sagt er, und vermutet "religiöse Gründe" dahinter, die US-Partner seien "alle strenggläubige Juden" gewesen. Ungläubiges Kichern auf der Richterbank.

Kampelmühler gibt an, die Kredite hätten jedenfalls durch etwaige Rückflüsse aus dem MobilTel-Deal als gesichert gegolten. Daran kann sich hingegen Kollege Reiter "sicher nicht erinnern".


Die Richterin hebt zu einer nächsten Frage an den Zeugen an - doch zunächst einmal ist Pause gefragt.

Kampelmühler sagt aus, Martin Schlaff habe selbst an die US-Fonds vermittelt – und widerspricht damit der Zeugenaussage Schlaffs diametral. Darauf angesprochen, sagt er: "Das ist ja auch nirgends schriftlich festgehalten." Es sei ihm jedoch so mitgeteilt worden.

Kampelmühler spricht von Sicherheiten, die für die vier US-Gesellschaften hätten eingeholt werden müssen. "Da aber sichergestellt wurde, dass die vier Gesellschaften nichts mit den Stiftungen zu tun haben und da es ja auch Garantien durch die MobilTel gegeben hat, war das dann nicht notwendig." – "Hat es wirklich Garantien von der MobilTel gegeben?", fragt die Richterin ungläubig. Kollege Reiter meldet sich zu Wort – ihm fällt nun doch wieder ein, dass möglicherweise schon zu diesem Zeitpunkt Rückflüsse aus der MobilTel absehbar gewesen sein könnten", er könne sich aber andererseits "nicht genau erinnern".

Die Richterin hebt zu einer nächsten Frage an den Zeugen an – da erhebt sich Elsner und erbittet eine kurze Erholungsphase. Noch bevor die Richterin Gelegenheit hat, zu reagieren, ist der Angeklagte auch schon verschwunden. Fünf Minuten Pause.

14:07 Uhr

Zu seinem heutigen Job meint Kampelmühler, als "sehr operativer Mensch, der lösungsorientiert denken will", habe er sich Ende 2004 entschieden, die Fronten zu wechseln, um Chef der sanierungsbedürftigen Bawag-Tochter Stiefelkönig zu werden.

Damals sei ihm zwar auch ein anderer Job in einer Bank angeboten worden, die "um ein Vielfaches größer" sei als die Bawag und darüber hinaus "kein Klient" der KPMG war, das er aber ausgeschlagen habe. Begründung: Stiefelkönig habe er als eine "große Verantwortung" betrachtet.

13:51 Uhr

"Ich rufe auf, Zeuge Kampelmühler bitte eintreten." Stiefelkönig-Geschäftsführer und Ex-Bawag-Prüfungsleiter Toni Kampelmühler hat die Reise aus Graz angetreten und bewegt sich jetzt langsam und bedächtig in Richtung Saalmitte, um folgsam, aber bestimmt die Fragen der Richterin zu beantworten.

Er habe sich sowohl von der Bawag als auch von der Prüfergesellschaft KPMG von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden lassen, sagt Kampelmühler.

"Zur Zeit 1996 bis 1998: Haben Sie gewusst, dass die Sondergeschäfte mit Dr. Flöttl wieder aufgenommen wurden?" – "Nein", antwortet Kampelmühler. Als er im Dezember 2001 zum Prüfungsleiter bestellt wurde, sei es ihm "natürlich sehr schnell bekannt geworden", dass es einen "Block von Forderungen gibt, der nur durch eine Garantie der Eigentümer gesichert worden ist". Auf welchen Betrag die Garantie damals lautete? Auf einen "ausreichenden Betrag", um alle Forderungen, die damals offen waren, abzudecken, antwortet Kampelmühler lapidar.

Was Flöttls Vermögen betrifft, sei dieses damals "meines Wissens nicht berücksichtigt worden" – und zwar "aus Sicherheitsgründen".

"Wissen Sie, warum dieses Vermögen bei der Bilanzerstellung 1998/1999 trotzdem als Sicherheit galt?" – Das könne er nur für jenen Zeitraum beurteilen, "in dem ich Augenzeuge war".

"Wäre es Ihrer Meinung nach notwendig gewesen, den gesamten Aufsichtsrat und auch den zweiten Eigentümer zu informieren?", fragt die Richterin. Kampelmühler verweist, ohne konkreter zu werden, auf eine Argumentationsweise des Herrn Reiter, die er habe "nachvollziehen" können und gegen die er sich folglich "nicht gestellt" habe.

Die Bawag-Prüfungen seien "emotional sehr belastend" gewesen, er sei sich bewusst gewesen, dass es sich um eine "sehr sensible Angelegenheit" handle.

12:23 Uhr

Der Staatsanwalt fragt Kraft nun, woran sie in der Refco-Affäre gemerkt habe, dass "da Vorstände offensichtlich im Alleingang tätig geworden sind". Das sei im Kontakt mit den US-Anwälten zutage getreten, antwortet Kraft. Auf diese Weise habe man bemerkt, "dass auch Refco der Bank geholfen hat", und dass es Belege gegeben habe, "die nicht richtig waren".

Im Zuge der Befragung über das Refco-Restrukturierungsteam merkt Kraft an, dass auch (der für den heutigen Nachmittag geladene Zeuge) Toni Kampelmühler Teil des Gremiums gewesen sei – allerdings zu einem Zeitpunkt, als dieser schon nicht mehr KPMG-Prüfungsleiter in der Bank, sondern bereits Chef der Bawag-Tochter Stiefelkönig war. Das verwundert die Richterin. "Weil er als Prüfungsleiter damals stark involviert war", liefert Zwettler eine Begründung. "Das werden wir den Herrn Kampelmühler dann am Nachmittag fragen", beschließt die Richterin.

Ende der Vormittagsrunde, um 13.45 wird der Prozess fortgesetzt.

12:00 Uhr

Es folgt ein Wortwechsel zwischen Richterin, Zeugin und Vorständen zum Kontakt zwischen Bawag und der Rechtskanzlei von Dr. Gehmacher. Schwarzecker: "Ich verstehe nicht, warum man da nicht eine Top-internationale Rechtsberatungskanzlei genommen hat!" Gehmachers Kanzlei sei ungeeignet gewesen, "da wird der Rechenstift zum Blindenstock".

Die Richterin wendet sich wieder an Kraft: "Wer ist denn Ihrer Meinung nach Schuld an dem Ganzen? Nicht dass Sie ein Urteil fällen sollen, ich frage Sie nur." Kraft antwortet ruhig und überlegt: "Spätestens 1998, als die ersten Verluste eingetreten sind, hätte man das offenlegen sollen. Dann wäre es noch gegangen."

Der Ball geht zum Staatsanwalt, der Kraft zum sogenannten Restrukturierungsteam im Refco-Fall befragt. Was sei damals unternommen worden? – "Wir haben beschlossen, dass wir Strafanzeigen erstatten, dass wir enger mit den US-Behörden zusammenarbeiten." - "Warum wurde im Herbst 2005 Strafanzeige erstattet?" – "Wegen der Herausforderung des Kredits von 350 Millionen Euro an Refco", antwortet Kraft. "Aber warum hat man Anzeige erstattet?" – "Weil die Bank sich betrogen fühlte."

Staatsanwalt Krakow findet dafür auch gleich eine Begründung: Das sei "die Art gewesen, wie man in der Bank damit umgegangen ist, wenn etwas schief lief." Daraufhin folgt ein verbaler Wolkenbruch seitens des Nakowitz-Anwalts Rudolf Breuer, der Krakow polternd vorwirft, "schon die ganze Zeit mit irgendwelchen Dingen zu kommen, die nichts mit der Anklage zu tun haben." Darauf der Staatsanwalt trocken: "Ich bin eigentlich schon fertig."

11:58 Uhr

Zeugin Uta Kraft, "von 1.6.1969 bis 31.3.2007" Mitarbeiterin der Bawag-Rechtsabteilung, nimmt Platz.

"Ist die Rechtsabteilung irgendwann von 1998 bis 2001 von den Verlusten informiert worden?" – "Nein." - "Hat man Ihnen gesagt, dass die Geschäfte 1995 wieder aufgenommen wurden?" – "Das habe ich aus Zeitungsberichten erfahren", erklärt Kraft. Auch zum Thema Großveranlagungsgrenzen sei die Abteilung nicht befragt worden, "ich glaube, wir hätten auch nicht das Fachwissen dazu gehabt."

Die Richterin spricht ein Treffen vom 28. Oktober 1998 an, bei dem Elsner, Bawag-Rechtsberater Gehmacher und Kraft anwesend gewesen sein sollen. Kraft "kann nicht bestätigen, dass es dieses Treffen (das in Elsners Terminkalender eingetragen ist, Anm.) stattgefunden hat."


"Zu einem Treffen, das nicht stattgefunden hat, kann ich nichts sagen" sagt Helmut Elsner

Die Richterin fragt Elsner zum Inhalt des Treffens, worauf dieser meint, "zu einem Treffen, das, wie Frau Kraft schon gesagt hat, nicht stattgefunden hat, kann ich nichts sagen." – "Warum steht es dann in Ihrem Terminkalender?" – "Vielleicht wurde es abgesagt."

11:53 Uhr

Themenwechsel: Es geht um die Vermögenswerte des Wolfgang Flöttl, die zur teilweisen Abdeckung der Verluste herangezogen werden sollten. Die Richterin zitiert aus dem Protokoll: 300 Millionen Verkaufserlös des noch vorhandenen Vermögens aus Stiftugnen und Bildern sollten in alternativen Investments veranlagt werden. "Wie kam man auf diese 300 Millionen Dollar?" Weder Zwettler, noch Nakowitz, noch Büttner können dies beantworten. "Das muss irgendwo im Ostflügel (Anm.: Die Anklagebank, auf der Elsner, Zwettler und Flöttl sitzen, samt den Anwalts-Bänken dahinter) angesiedelt sein", gibt Büttner den Ball zurück.

"Ja, das ist eine gute Idee!", bedankt sich Richterin und befragt Elsner. Dieser meint, es sei "schon 1998 davon geredet worden und irgendwer hat da diese Ziffer genannt." Wie man darauf gekommen sei? "Die Details kann ich Ihnen nicht sagen", antwortet Elsner. "Das ist so lange her."

Die Richterin will von Nakowitz wissen, wie viel 2001 schon an Vermögenswerten verkauft worden war (um daraus zu schließen, was an Verkaufswerten danach noch übrig war, Anm.): Auch hierzu weiß Nakowitz keine Antwort.

11:50 Uhr

Es geht nun um jene Sitzung am 23.1., bei der Büttner, Kreuch und Schwarzecker verlautbarten, die Bilanz 2000 nicht unterschreiben zu wollen. Der Vorstand rief KPMG-Prüfer Reiter herbei, der dann am 26.1. ein "Konzept zur Bereinigung" vorlegte, das laut Protokoll jedoch wegen eines "großen Risikos" verworfen wurde. Die Richterin will vom Bawag-Prüfer wissen, von welchem Risiko hier gesprochen wurde. Reiter: "Ich weiß nicht, was der Verfasser des Protokolls hier gemeint hat."

11:40 Uhr

Die Richterin fragt Nakowitz, warum er als Pressesprecher schon am 10.12., über die Verluste informiert wurde. Nakowitz: "Weil der Herr Zwettler nicht erreichbar war". - "Das ist immerhin fünf Tage, bevor die Vorstände informiert wurden", wendet die Richterin ein. Nakowitz: "Ja, weil der Herr Elsner es offensichtlich jemandem mitteilen wollte." - "Hat er die Telefonnummern von den anderen Vorstandsmitgliedern?" – "Das weiß ich nicht, aber es ist die Aufgabe eines Pressesprechers, auch am Wochenende erreichbar zu sein."

11:35 Uhr

Es geht weiter – mit einem "Sammelprotokoll" des Vorstands, in dem mehrere Sitzungen und Aktivitäten des Vorstands Ende 2000 und Anfang 2001 beschrieben werden – unter anderem jene Vorstandssitzung vom 15. Dezember 2000, in der das Gesamtobligo aus den Geschäften mit Wolfgang Flöttl erhöht wurde.

"Sie haben schon am 8. Dezember von den Verlusten erfahren, warum haben Sie die Sitzung erst für den 15. einberufen?", will die Richterin von Elsner wissen, der das wiederum nicht genau sagen kann.

Im Protokoll steht auch, dass Flöttl "entgegen den Verträgen" in Yen-Swaps investiert habe. "Wo steht das in den Verträgen?" fragt die Richterin. Zwettler: "In den ergänzenden Unterlagen." Zudem hätten es "die Sorgfaltspflichten" erfordert, "nicht alles nur auf eine Karte zu setzen".

Das sei aber auch schon vorher passiert, wendet die Richterin ein. "Aber da war es konkret abgesprochen", entgegnet Zwettler.

Büttner meldet sich zu Wort, um seine Interpretation der Flöttl-Verträge zu verkünden: "Der Herr Flöttl hätte gar nichts alleine machen dürfen - sondern nur der Herr Alamouti." Kurze Stille – Themenwechsel. Die Richterin spricht die Ex-Vorstände Büttner, Schwarzecker, Kreuch auf ihre Weigerung, die Bilanz 2000 zu unterschreiben, an. Büttner erklärt: "Es wurde damals sukzessive klar, was das für Dimensionen sind". Kreuch setzt fort: "Ich habe lückenlose Aufklärung verlangt", vor allem, was den "Flöttl-Komplex" angehe. Und Schwarzecker, der dritte im Bunde der wehrhaften Vorstände, zeigt sich nun merkbar empört: "Wir haben hier eine Camouflage!", ruft er. "Eine was?", gibt die Richterin zurück. "Ein Verwirrspiel! Das beginnt mit dem 8.12. (dem Tag, an dem Flöttl Elsner über die Verluste in Kenntnis setzte, Anm.), geht bis zum 15.12. (dem Tag der Vorstandssitzung zum Thema, Anm.), und weiter zu der Reise nach Israel (von Hackl und Nakowitz, sie sollte dem Abschluss weiterer Investment-Verträge dienen, Anm.), die bereits am 16.12. angetreten wurde. Das kann nicht erst nach der Vorstandssitzung geplant worden sein."

10:50 Uhr

Dialog zwischen Weningers Anwalt Soyer und Angeklagtem Weninger: Ob er gewusst habe, dass Hochleitner die Aufsichtsratsprotokolle weiterhin zugeschickt bekam? "Nein", meint der Ex-Aufsichtsratspräsident – in Widerspruch zu Helmut Elsner, der zuvor angegeben hatte, dass diese Ausnahmeregelung "eine Sache des Aufsichtsrats" gewesen sei.

Die Richterin ruft Wolfgang Flöttl in die Mitte. Das Thema: Salzburger Festspiele. Hochleitner hatte vor der Pause ja angegeben, er sei von Elsner eingeladen gewesen, auch Flöttl habe man in Salzburg getroffen. Ob es bei den Gesprächen ums Thema Karibikgeschäfte gegangen sei? Nein, antwortet Flöttl, schließlich seien die meisten ja "mit ihren Gattinnen dort gewesen".


Ob er mit dem Ehepaar Tumpel über die Karibikgeschäfte gesprochen habe, fragt die Richterin Wolfgang Flöttl.

Apropos Gatten: "Haben Sie mit dem Ehepaar Tumpel über die Karibikgeschäfte gesprochen? Die waren ja auch dort", sagt die Richterin. Flöttl: "Das war im Wahlkampf 1999, und der Doktor Schüssel" sei damals am Nebentisch gesessen, also habe man sich über Politik unterhalten, sagt Flöttl mit hörbarem Amüsement. Auch mit Frau Tumpel habe man ein angeregtes Gespräch geführt, und zwar "über Volkswirtschaft" und die US-Konjunktur, "das war ja für mich sehr interessant."

10:29 Uhr

Zur umstrittenen Pensionsabfindung Helmut Elsners meint der Ex-Siemens-Chef, "aus heutiger Sicht würde man sicher vieles anders machen. Sie müssen das immer aus der Sicht des damaligen Aufsichtsrats sehen", fordert der Zeuge die Richterin jedoch auf.

Nun kommt der Staatswanwalt zu Wort. "Woher wussten Sie, dass es 1994 keine Verluste gab?" – "Aus den Medien", sagt Hochleitner.

Staatsanwalt Krakow fragt über den Beschluss, die Aufsichtsratsprotokolle nicht mehr auszuschicken. Hochleitner gibt an, er habe sich "damals, 2004", dagegen gewehrt – mit der Folge, dass er die Protokolle weiterhin persönlich zugeschickt bekam. "Kann es sein, dass das 2002 war und nicht 2004?" – "Kann sein, das weiß ich nicht mehr."


Staatsanwalt Krakow fragt über den Beschluss, die Aufsichtsratsprotokolle nicht mehr auszuschicken.

Auch im Lauf der weiteren Befragungen wiederholt Hochleitner stets: Er habe kaum Informationen bekommen, dennoch seien in der Causa Karibik II "alle Fragen positiv beantwortet" worden, den Rest habe er "aus den Medien" erfahren. "Ersetzt ein Zeitungsbericht einen Aufsichtsratsbeschluss?", fragt die Richterin. "Selbstverständlich nicht."

Büttners Anwalt meldet sich zu Wort. Ob er sich auch von einem Vorstandmitglied im Alleingang Informationstätigkeiten erwartet hätte (beispielsweise von Büttner, Anm.), oder ob man das nur vom Gesamtvorstand erwarten könne. Hochleitners überraschende Antwort: "Nein, von Büttner alleine nicht." Er sehe das als "eine Angelegenheit des Vorstands als Kollegium".

Und dieser habe, als die Karibikverluste sich anhäuften, schließlich "ständig Informationen am Aufsichtsrat vorbeigespielt", klagt Hochleitner. Auch die Wirtschaftsprüfer hätten ihre Pflichten vernachlässigt. So hätten Letztere beispielsweise einen "Management Letter" über die Verluste und die ÖGB-Garantien verschicken müssen. "Was sagen Sie dazu, Herr Reiter", fragt die Richterin den angeklagten ehemaligen KPMG-Prüfer. Dieser antwortet erbost: Ein "Management Letter" sei im Gesetz damals noch gar nicht vorgesehen gewesen, und wenn, "dann nur für börsenotierte Unternehmen".

Die Richterin bedankt sich - 10 Minuten Pause.

10:20 Uhr

Was waren das eigentlich für Sondergeschäfte, was wussten Sie darüber?", lenkt die Richterin das Gespräch nun wieder aufs Thema Karibik II.

"Über die Natur der Karibikgeschäfte waren ja alle ausreichend informiert, nach dem Wirbel, den es um die Karibik I-Geschäfte gegeben hat", erklärt Hochleitner. Man habe beim zweiten Anlauf zudem verschärfte Prüfungen beschlossen, bei Flöttl einerseits, in der Bawag-internen Revision andererseits. Ob diese Prüfungen dann auch durchgeführt worden seien, fragt Richterin Bandion-Ortner. Darüber sei im Aufsichtsrat nicht gesprochen worden, aber "man hat immer wieder den Verlauf der Geschäfte hinterfragt", sagt Hochleitner.


Hochleitner: "Man hat immer wieder den Verlauf der Geschäfte hinterfragt"

"Wäre es interessant gewesen für den Aufsichtsrat, ob diese Geschäfte riskant sind oder nicht?" – "Ich bin davon ausgegangen, dass der spekulative Charakter ein vertretbarer ist." Schließlich hätte auch der bayerische Finanzminister davon gewusst.

Ob er die Flöttl-Verträge jemals gesehen habe? Hochleitner verneint das.

09:20 Uhr

"Fortsetzung der Strafsache, Dankeschön", vermeldet Richterin Claudia Bandion-Ortner, was nun auch den Hauptangeklagten Helmut Elsner veranlasst, seinen Platz einzunehmen. "Gibt es irgendwelche Anträge?" – Stille.

Die Richterin begrüßt den ersten Zeugen Albert Hochleitner, ehemaliger Siemens-Vorstandsdirektor und langjähriger Bawag-Aufsichtsrat, zurzeit Pensionist. "Herr Diplomingenieur, Sie waren im Aufsichtsrat, können Sie mir sagen von wann bis wann?" "Von 1996 bis Frühjahr dieses Jahres, für die Bayerische Landesbank".

Die Richterin fragt, was Hochleitner von den Karibik-II-Geschäften wusste. Er habe aus den Medien erfahren, dass sie wieder aufgenommen worden sind. "Die sind ja eingestellt worden wegen dem Verhältnis Vater-Sohn Flöttl, und es gab keinen Einwand, sie 1995 wieder aufzunehmen."

Nach 1996 sei im Aufsichtsrat "mehrmals nach dem Stand der Karibikgeschäfte gefragt worden". "Wer hat gefragt?", so die Richterin. "Das kann ich Ihnen nicht sagen, man hat mehrmals gefragt. Auch ich, glaube ich."


Es habe Geschäfte gegeben, "aber zwischen Siemens und Bawag, nicht zwischen Hochleitner und Elsner".

"Wie ist es dazu gekommen, dass Sie für die Bayerische Landesbank im Aufsichtsrat waren"? Hochleitner begründet das mit den "guten Beziehungen von Siemens und BLB."

Mit den Vorständen der Bawag habe er zu Beginn seiner Aufsichtstätigkeit nie "irgendeine besondere Beziehung" gehabt, im Laufe der Tätigkeit habe man sich jedoch "besser kennengelernt". Die Richterin: "Wen haben Sie denn besonders gut kennengelernt?" – "Den Herrn Elsner" sagt Hochleitner. Es habe in der Folge auch Geschäfte gegeben, "aber zwischen Siemens und Bawag, nicht zwischen Hochleitner und Elsner", betont der Zeuge.

Die Richterin interessiert sich trotzdem für Persönliches: Ob er auch "mit dem Herrn Elsner" die Salzburger Festspiele besucht habe? "Ja", er sei eingeladen worden, habe aber "auch umgekehrt" Elsner geladen. - "Wissen Sie noch, wann das war?" "Nach 1998", vermutet Hochleitner. Jedenfalls habe man nicht über "diese Geschäfte" gesprochen, sondern "über irgendwelche Themen".

Ob auch Dr. Peter Kahn (Anm.: Vertreter der Bayerischen Landesbank im Bawag-Aufsichtsrat) oder Herr Tumpel dabei gewesen seien? Tumpel möglicherweise, sagt Hochleitner, Kahn nicht.