Wien - Amr Khaled liegen die Mädchen zu Füßen. Kaum hat der 40-Jährige das Podium zum Thema "Living Together- But How?" im Wiener Camineum-Saal der Österreichischen Nationalbibliothek verlassen, stehen sieben Mädchen da und strahlen ihn an. Es ist jenes selige Groupie-Lächeln, auf das gewöhnlich nur Popstars das Monopol haben. Und Amr Khaled ist längst einer.

Oprah des Orients

Der Ägypter ist die Oprah Winfrey des Nahen Ostens. Um genau zu sein, zur Hälfte Oprah, zur Hälfte Prediger. In seinen Talkshows präsentiert der gelernte Buchhalter in Anzug und Krawatte den islamischen Way of Life. Ganz in der Tradition amerikanischer Tele-Evangelisten nur eben auf islamisch. Ein Soft Islam im Einklang mit der Moderne, zwanglos und ohne erhobenen Zeigefinger nach dem Motto: "Wenn du in die Disco gehen willst, bitte, nur vergiss nicht auf das Kopftuch."

Einmal pro Woche läuft seine Talkshow "Lifemakers" auf vier verschiedenen arabischsprachigen Satellitensendern. Er erzählt über das Leben des Propheten Mohammed, gibt Tipps wie man mit dem Rauchen aufhören kann, wie Väter zu Väter werden und nicht nur zu Autoritätspersonen und motiviert Jugendliche sich für ihre Gesellschaft zu engagieren. Und vor allem sich nicht vom Westen zu isolieren.

Das Amr Khaled-Dreieck

"Der Islam heißt nicht den Leuten die Hände abzuschneiden und das Kopftuch zu tragen. Das ist nicht mein Verständnis vom Islam. Der Islam hilft den Menschen mit ihren Werte zu leben. Und das wird ohne Entwicklung nicht stattfinden. Ist das klar?", sagt Khaled. Die Rolle des Predigers kann er nicht ablegen. Bestimmt, aber väterlich, ist sein Motto. Sein Konzept: "Das Amr Khaled- Dreieck: Glaube, Entwicklung, Zusammenleben." Den Nahen Osten auf Vordermann bringen, ist seine Mission. Der Islam ist sein Mittel zum Zweck, doch anders als fanatische Islamisten, benutze er ihn "in die richtige Richtung."

Konservativer Kern

Die Werte sind dieselben, die traditionelle Prediger propagieren, nur macht es Khaled eben im Hugo Boss- Dreiteiler und spricht dabei den Kairoer Dialekt und nicht das weltfremde Hocharabisch der Prediger. Kritiker fürchten dennoch seinen konservativen Kern. "Amr Khaled hat am Anfang nur mit Frauen mit Kopftuch gearbeitet, jetzt nicht mehr. Damit wollten wir eine Botschaft nach außen setzen. Wer sagt denn, dass eine Frau mit Kopftuch respektabler ist, als eine ohne?", gibt sich Khaled geläutert. Dass er in der dritten Person von sich spricht, weiß er sich nicht zu erklären.

Islam light

Der Buchhalter Khaled hatte seine ersten Auftritte Ende der Neunziger in Sportclubs, und Salons der Kairoer Mittelschicht, bis er in die Moscheen und schließlich ins Fernsehen gekommen ist. Ohne Vollbart und ohne islamische Ausbildung. Sein Islam light für die Generation Golf der Muslime hat seine Spuren hinterlassen. Nicht religiöse Frauen begannen plötzlich das Kopftuch zu tragen und den Koran zu lesen, und Jugendliche frönten einen frommen Lebensstil. Die ägyptische Regierung fürchtete seinen Einfluss und verbot ihm 2002 öffentlich aufzutreten. Heute lebt Khaled mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in einem Vorort vom englischen Birmingham. "In Kairo oder London hätte ich keine ruhige Minute. Ich müsste permanent Hände schütteln", erklärt er und kokettiert mit seiner Popularität.

Bin Laden vs. Khaled

Tausende Jugendliche weltweit folgen seinen "Lehren" und haben sich zu "Lifemakers"-Gruppen formiert, die sich in diverser Projekten karitativ engagieren. "Die Jugend im Nahen Osten braucht heute jemanden, dem sie zuhören und vertrauen kann. Bin Laden sagt, dass er im Auftrag der Muslime spricht. Wer hat ihn darum gebeten? Ich spreche im Auftrag von mindestens 1, 4 Millionen Jugendlichen", sagt Khaled und bezieht sich auf die Zahl von Zusendungen, die er erhalten hat.

Westen dankt

Deswegen sucht ihn sich der Westen auch als Verbündeten. Nicht umsonst arbeitet er mit der UNO an Entwicklungsprojekten im Nahen Osten. Spätestens nachdem er im März 2006 eine interkonfessionelle Konferenz zum Karikaturenstreit in Kopenhagen organisiert hatte bei der Referenten und Jugendliche aus Dänemark und dem Nahen Osten zusammen getroffen sind, galt er als Aushängeschild eines liberalen Islams. Das Time Magazine zählte den Prediger zu den einflussreichsten Persönlichkeiten weltweit.

Telekoranist

Dank seines internationalen Renomees konnte er dieses Jahr seine Heimat nach fünf Jahren im Exil ohne Konsequenzen besuchen. Predigen darf er nur im Fernsehen, nicht auf öffentlichen Plätzen. "Amr Khaled kann nur stark sein, wenn er Ihnen in die Augen sieht. Ich bin kein Medienmensch", sagt er und lächelt. Die weit aufgerissenen Augen richten sich jedoch nicht auf sein Gegenüber, sondern auf eine Frau mit Kopftuch, die bereits darauf wartet ihn begrüßen zu können. (Solmaz Khorsand, derstandard.at)