Nach den schweren Kämpfen zwischen der türkischen Armee und Kurdenrebellen im Grenzgebiet zum Nordirak hat sich die PKK am Montag unter Bedingungen zu einer Feuerpause bereiterklärt. Die Türkei müsse im Gegenzug die Angriffe auf kurdische Stellungen einstellen, ihre Einmarschpläne in den Irak aufgeben und Frieden zusagen, so die PKK. Auf Drängen der USA erklärte die Türkei vorerst ihren Verzicht auf einen Einmarsch in den Norden des Nachbarlandes.

Die Spannungen an der türkisch-irakischen Grenze hielten dennoch auch gestern unvermindert an. Die Türkei verstärkte weiter ihre Truppen. Auch auf irakischer Seite marschierten nach Augenzeugenberichten Angehörige der kurdischen Miliz auf und postierten sich entlang der gesamten Grenze. Kurdenführer Massud Barsani sagte, die rund 100.000 Mann der kurdischen Miliz würden sich jedem Einmarsch türkischer Truppen entgegenstellen.

Staatspräsident Abdullah Gül traf sich am Montag mit den Vorsitzenden aller Parlamentsparteien, um eine einheitliche Linie in der Frage eines möglichen Einmarsches zu erreichen. Oppositionsführer Deniz Baykal forderte eine komplette Neuausrichtung der türkischen Politik. Nachdem nun klar sei, dass die PKK von Nachbarstaaten unterstützt werde – gemeint sind die Kurden im Nordirak und indirekt auch die USA –, müsse man die Strategie umstellen. Die Vermutung, dass acht türkische Soldaten von der PKK verschleppt wurden, verdichtete sich indes zur Gewissheit. Der Generalstab bestätigte, dass er den Kontakt zu den Soldaten nicht wiederherstellen konnte, und die PKK- Nachrichtenagentur „Euphrat“ in Brüssel gab die Namen von sieben Soldaten bekannt.

Nach einem Gespräch mit Gül boten die beiden Fraktionschefs der kurdischen DTP, Ahmet Türk und Ayse Tuglu, an, bei der Befreiung der Soldaten zu helfen. Die DTP hätte eine solche Entlastung auch dringend nötig, denn sie ist voll ins Visier der Nationalisten geraten. Bei von der rechtsradikalen MHP organisierten Demonstrationen forderten die Teilnehmer, die DTP aus dem Parlament „hinauszuschmeißen“.

Premier Tayyip Erdogan rief dazu auf, einen kühlen Kopf zu bewahren. Nach einer Stellungnahme von US-Präsident George Bush, der forderte, dass die PKK-Angriffe aus dem Nordirak aufhören müssten, und einem längeren Telefonat zwischen Erdogan und US-Außenministerin Condoleezza Rice hofft Ankara nun, dass die USA ihren Einfluss im Nordirak geltend macht, damit die kurdische Autonomieregierung die Angriffe der PKK zumindest einmal stoppt. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2007)