Angesichts der hohen Inflation und der bevorstehenden Wahlen hat die russische Staatsführung Handelsketten und Lebensmittelproduzenten dazu gebracht, Preise für Nahrungsmittel einzufrieren.
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Im Kampf gegen die Inflation fühlte sich die russische Staatsführung zuletzt offenbar derart in die Enge getrieben, dass sie nun zur Maßnahme der staatlichen Preisregulierung greift. Noch in dieser Woche werden die Preise für einige Grundnahrungsmittel eingefroren. In der Vorwoche sind bundesweite Nahrungsmittelproduzenten und die großen Handelsketten bei einem Zusammentreffen mit Regierungsvertretern darüber übereingekommen. Auch in den einzelnen Regionen wird mit den dortigen Händlern verhandelt.

Dass es sich um eine freiwillige Vereinbarung handelt, wird von Experten stark bezweifelt. "Der Staat hat viele Druckmittel, etwa die Steuer-, Sanitär- oder Brandbehörde", hält Alexej Makarkin vom Moskauer Zentrum für politische Technologien fest. Und Roman Schalimow von der Marktforschungsagentur "Tochka rosta" würde sich "nicht wundern, dass die Produzenten selbst diesen Kompromiss der Staatsmacht vorgeschlagen haben, weil sie fürchteten, dass man andernfalls die Preise für alle Waren einfriert". Laut Wirtschaftszeitung Kommersant befinden sich auf der Liste der sozial bedeutsamen Waren vor allem Milchprodukte, Brot, Eier, Pflanzenöl, Zucker und Käse. Die Handelsketten verpflichten sich, den Minimalaufschlag von zehn Prozent nicht zu überschreiten.

Milch hat sich zuletzt im September um 7,2 Prozent verteuert, Pflanzenöl und Käse um 13,5 Prozent, Sauermilchprodukte um 7,9 Prozent, Fleisch und Getreide zwischen vier und acht Prozent. Laut statistischem Zentralamt kostet der Warenkorb, der das Existenzminimum beinhaltet, im Vergleich zum Jahresbeginn um 17 Prozent mehr. Insgesamt stiegen die Konsumentenpreise im September um 0,8 Prozent gegenüber dem August an.

Damit ist das Inflationsziel von acht Prozent im heurigen Jahr nicht mehr zu halten. Finanzminister Alexej Kudrin spricht bereits von über zehn Prozent, womit man über den vorjährigen neun Prozent liegt. Damit ist der Abwärtstrend unterbrochen. In den vorhergehenden sechs Jahren nämlich konnte man die Inflation sukzessive von 20 auf neun Prozent absenken.

Der Rohstoffboom hat zuletzt solche Geldmassen ins Land geschwemmt, dass sie von der kaum diversifizierten Ökonomie nur noch schwer verdaut werden können. Die Währungsreserven betragen über 430 Mrd. Dollar, der Stabilitätsfonds hortet weitere 141 Milliarden Dollar. Angesichts der kommenden Wahlen ist man offenbar auch im Kreml nervös, zumal man die Inflation mit reichlich versprochenen Lohn- und Pensionserhöhungen selbst weiter anheizen wird. Als Gegenmaßnahme senkt man nicht nur die Importzölle für Milchprodukte von 15 Prozent auf fünf Prozent und belegt den Export von Getreide fortan mit zehn bis 30 Prozent Zöllen. Man sucht nun eben auch Zuflucht bei der direkten Preisregulierung bei Grundnahrungsmitteln. Die Maßnahme soll erst einmal bis Ende des Jahres gelten.

Experten erachten sie für höchst problematisch und nicht zielführend, da die Handelsketten die Einbußen durch Verteuerungen bei anderen Waren kompensieren könnten. Außerdem sei durchaus wahrscheinlich, dass mit Neujahr dann die Preise steil nach oben schießen. Und wenn schon mal das Eis gebrochen ist, stelle sich die Frage, welche Produkte im Laufe der Zeit noch preislich reguliert werden sollten. (Eduard Steiner, Moskau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.10.2007)