Ansichtssache: Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien – Gegen Schluss seiner Einvernahme wurde der erste Zeuge in der 40. Bawag-Verhandlung deutlich: "Ich bin ein biederer Techniker. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so eine Geschichte so dicht am Aufsichtsrat vorbei spielen kann."

Der biedere Techniker, der da sprach, war Ex-Siemens-Chef Albert Hochleitner, der von 1996 bis Frühling 2007 im Aufsichtsrat der Bank gewesen ist. "Kein Zweifel" bestehe daran, dass die Vorkommnisse rund um die Karibikgeschäfte mit Wolfgang Flöttl "aufsichtsratspflichtig waren, für mich war das schon ein neues Erlebnis, dass man 2006 draufkommt, dass die Bank im Jahr 2000 in höchstem Maße gefährdet war und ihre Bilanzen erst durch eine Garantieerklärung des Eigentümers zustande gekommen waren. Alles am Aufsichtsrat vorbei und ohne, dass es der Wirtschaftsprüfer der Mühe wert gefunden hat, ein Managementletter zu verfassen“, empörte sich Hochleitner, fast ohne Atem zu schöpfen.

Summa summarum: Mit heutigem Wissensstand hätte man "sicher anders gehandelt. Eine Prämie, eine Gehaltserhöhung für den Vorstand, das hätte es alles nicht gegeben".

Zuvor hatte der heutige Pensionist ein wenig aus dem Nähkästchen eines Aufsichtsratsmitglieds geplaudert, das auch geschäftlich mit dem Kontrollierten zu tun hat. "Siemens hat viele Geschäfte gemeinsam mit der Bawag gemacht, aber das gab nie Probleme, allenfalls habe ich mich der Stimme enthalten", wies Hochleitner etwaige Interessenskollisionen zurück.

Zwar sei er von Helmut Elsner zu den Salzburger Festspielen eingeladen gewesen, einmal sei Flöttl und "vielleicht" Herbert Tumpel dabei gewesen, "aber da haben wir nicht über Geschäfte gesprochen." "Worüber dann?" wollte die Richterin wissen, "da fragen Sie mich zu viel", antwortete er. Flöttl konnte sich besser an jenen Sommer 1999 erinnern, "da war Wahlkampf, man hat viel über Politik gesprochen. Über Geschäfte nicht: Die Herren waren mit ihren Gattinnen da".

Zuvor hatte man Hochleitner ein bisschen aus der Praxis des Aufsichtsrats erzählen lassen. "Mehrfach, drei bis vier Mal" sei zwischen 1996 und 1998 (da wurde der Aufsichtsrat von der "Beendigung" der Karibik-Geschäfte informiert) nach diesen "Geschäften der anderen Art" gefragt worden, "wir bekamen immer beruhigende Auskünfte." Was man vom Risiko gehört habe? Hochleitner: "Ich ging davon aus, dass der spekulative Charakter und das Risiko dieser Geschäfte vertretbar waren". Die interne Revision sei "nie aufgetreten, von OeNB-Prüfberichten haben wir keine Kenntnis bekommen, über die Art der Geschäfte wurde uns nicht berichtet". An Details konnte sich der 67-Jährige nicht erinnern.

Protokoll nur für einen

Die Argumentationskette der Angeklagten (Information an den Aufsichtsrat bedeutet Veröffentlichung und die bedeutet den Ruin der Bank) zerschnitt er so: Er könne dem zwar etwas abgewinnen, "eine Rechtfertigung ist das aus Aufsichtsratssicht aber in keiner Weise". Er selbst war übrigens ab 2002 privilegiert: Damals beschloss der Aufsichtsrat, keine Protokolle mehr zu versenden, sondern nur zur Einsicht aufzulegen. Der Siemens-Chef legte bei Elsner Protest ein, bekam die Protokolle fortan zugeschickt. Frage an Elsner, ob er das angeordnet habe? "Ich kann mich nicht erinnern."

Tiefe Einblicke in eine andere Form der Krisenbewältigung und Tätersuche (nach dem Refco-Blitzkredit, Herbst 2005) gewährte die Ex-Chefin der Bawag-Rechtsabteilung, Uta Kraft. Zu erwähnen, dass die hauseigenen Juristen von Karibikgeschäften, Verträgen und Verlusten keine Ahnung hatten, erübrigt sich beinahe.

Die ursprüngliche Zusammensetzung des "Restrukturierungsteams" der Bank, das zunächst den Refco-Komplex und dann die gesamte Vergangenheit erhellen sollte, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Mitglieder der ersten Stunde waren just Johann Zwettler (unter ihm wurde der Kredit vergeben), Peter Nakowitz, Christian Büttner (beide bis zu ihrem Austritt im März 2006), Toni Kampelmühler (Ex-KPMG, derzeit Stiefelkönig-Chef) und Anwalt Harry Neubauer, der damals die Bawag vertrat. Er sitzt heute noch im Vorstand von Elsners Privatstiftung Birdie und in Martin Schlaffs Privatstiftung. Übrigens liegen erste Rechnungen auf dem Tisch. Kurzzeit-Gutachter (er wurde abgelehnt) Christian Imo hat eine Rechnung über 54.000 Euro vorgelegt, Gutachter Thomas Keppert für sein erstes Teilgutachten 65.000 Euro.

Laut ORF-Teletext hat die die Staatsanwaltschaft die Anklage ausgedehnt. Demnach müssen sich die Ex-Vorstände Helmut Elsner, Johann Zwettler und Peter Nakowitz wegen eines zusätzlichen Falles von Untreue verantworten. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.10.2007)