Eine Anrainerin als Zeugin: Pferd bricht zusammen, Fahrgäste bleiben sitzen.

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So richtig freundlich sind sie ja zu niemandem. Zahlungskräftige Touristen lassen sie gerade noch so durchgehen, den Rest der Welt empfinden sie oft als Zumutung. Der Grant gehört zum Wiener Fiaker wie der Rossknödelgeruch zur Innenstadt. Fußgängern und Radfahrern schneidet man gnadenlos den Weg ab, wer sich beschwert, bekommt ein "Halt die Gosch‘n!" an den Kopf geworfen.

Nicht gerade zimperlich gehen viele Fiaker-Unternehmer offenbar auch mit ihren Vierbeinern um. Viele Tiere, die sie da täglich durch die City scheuchen, sind so erschöpft, dass sie mitten auf der Straße zusammenbrechen. Ende September kippte ein Pferd Am Hof um und war auf der Stelle tot, ein anderes klappte vor vor einigen Tagen ein paar Meter weiter zusammen und regte sich minutenlang nicht.

"Das Schlimmste war, dass die Touristen, die in der Kutsche saßen, nicht einmal ausgestiegen sind", sagt eine Anrainerin, die den Zwischenfall beobachtet hat. "Die haben einfach gewartet, bis der Kutscher das Tier dazu gebracht hatte, wieder aufzustehen.“ Währenddessen habe ein gerade vorbeikommender Fiaker-Kollege "Na, ned scho wieder" vor sich hingebrummt. Der Umstand, dass ein Pferd des Öfteren umkippt, ist für Fiaker-Unternehmer offenbar kein zwingender Grund, das Tier im Stall zu lassen.

Neues Bundestierschutzgesetz

Den Wiener Stadtkleppern, die Touristen durch die Innenstadt kutschieren, ging es schon mal besser. Die "Poo Bags", die sie seit ein paar Jahren sinnloserweise hinter sich herschleifen, weil es die meisten Kutscher nicht schaffen, die Mistsäcke so anzubringen, dass die Pferdeäpfel nicht auf der Straße landen, sind dabei ihr kleinstes Problem. Die Tiere sind vor allem wegen des neuen Bundestierschutzgesetzes arm dran. Seit 2005 in Kraft, streift es das Thema Fiaker nämlich nur, während es gleichzeitig die Wiener Pferdeordnung mit ihren viel strengeren Schutzbestimmungen außer Kraft setzt. "Davor musste ein Pferd mindestens zwei Tage hintereinander frei haben, jetzt kann es jeden Tag, von 9 bis 23 Uhr, eingesetzt werden", sagt Herrmann Gsandtner, Wiener Tierschutzombudsmann.

Hinzu kommt, dass seit ein paar Jahren die Bewilligungen für die 58 Fiaker-Stellplätze in der Innenstadt alle sechs Monate neu vergeben werden. Eigentlich dazu gedacht, die quasi-mafiösen Strukturen im Fiakergewerbe aufzuweichen, führt die neue Bestimmung auch dazu, dass sich immer mehr Kutscher selbstständig machen – mit einem Wagen und zwei Pferden. Damit sich so ein Kleinstunternehmen überhaupt rentiert, müssen die die beiden Tiere täglich Dienst schieben.

Tierschützer: "Seltene Kontrollen"

Ob wenigstens die paar Schutzbestimmungen, die noch gelten, eingehalten werden, wird laut Tierschützern außerdem viel zu selten kontrolliert. Gsandtner versucht immerhin, eine groß angelegte Untersuchung zur Hitzebelastung bei Fiakerpferden anzuleiern. Keine Plastikpatschen

Wenigstens die Plastikpatschen bleiben den Pferden erspart – vorerst jedenfalls. Weil die Straßensanierungsarbeiten auf allen 20 Fiakerrouten laut Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel (ÖVP) fünf bis sechs Millionen Euro kosten, tauchte letzten Sommer die Idee auf, den Pferden künftig Kunststoffbeschläge zu verpassen, im Herbst sollte ein mehrwöchiger "Testlauf" starten. Allerdings war kein Fiaker-Unternehmer aufzutreiben, der seine Pferde als Versuchskaninchen zur Vefügung stellen wollte. "Es ist sehr ruhig geworden um das Thema", sagt Christian Stanek, Leiter der Abteilung für Orthopädie bei Huf- und Klauentieren an der veterinärmedizinischen Uni-Klinik Wien. "So ein Kunststoffhuf hat eine Menge Nachteile." Laut Bezirksvorstehung wird diesbezüglich vorerst im Labor weiterexperimentiert. (Martina Stemmer/DER STANDARD – Printausgabe, 23.10.2007)