Bild nicht mehr verfügbar.

Der international sehr kleine Sportwagenhersteller Porsche mit 11.000 Mitarbeitern könnte nun bald Europas größten Autokonzern VW (324.000 Mitarbeiter) übernehmen.

Foto: APA/dpa/Bernd Weissbrod

Bild nicht mehr verfügbar.

Grafik: APA
Berlin/Brüssel – Die Aufhebung des VW-Gesetzes durch den obersten EU-Gerichtshof am Dienstag hat auch für die österreichische Wirtschaft erhebliche Auswirkungen. Das VW-Urteil des EuGH sei selbstverständlich "richtungsweisend" für den Versuch der Übernahme der ungarischen Energiegruppe Mol durch die österreichische OMV, bestätigte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Charlie McCreevy am Dienstag dem STANDARD.

Experten gehen davon aus, dass bereits in zwei bis drei Wochen die EU-Kommission tätig werden könnte und die Versuche der ungarischen Regierung, die Übernahme zu verhindern, untersagt. "Das Ganze wird nun im Lichte des VW-Urteils deutlich präziser ausfallen können", so ein EU-Jurist.

Das VW-Gesetz sicherte bisher dem Land Niedersachsen erheblichen Einfluss auf den deutschen Autohersteller und schränkte zugleich die Mitbestimmungsrechte privater Großaktionäre wie Porsche ein. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) erklärte nach dem Urteil, das Land "akzeptiert die Entscheidung". Die deutsche Bundesregierung kündigte eine unverzügliche Umsetzung des Urteils an.

Sonderrechte

Das Gericht kritisierte zwei Punkte des Gesetzes: Die Stimmrechtsbeschränkung auf 20 Prozent ermögliche es dem Land Niedersachsen, mit einem vergleichsweise geringen Anteil von 20,3 Prozent des Unternehmenskapitals "in der Volkswagen AG wesentlichen Einfluss auszuüben". Damit würden Privatinvestoren insbesondere auch aus dem Ausland von Investitionen in das Unternehmen abgehalten.

Das Gesetz garantiert dem Land Niedersachsen weiters zwei Sitze im Aufsichtsrat des Unternehmens, solange es VW-Aktien besitzt – unabhängig von deren Anzahl. So könne das Land einen Einfluss ausüben, "der über die Investitionen hinausgeht", erklärte das Gericht. Auch bei der ungarischen Mol gibt es, wie ausführlich berichtet, Stimmrechtsbeschränkungen auf zehn Prozent und Sonderrechte des ungarischen Staates, obwohl dieser nur noch eine Aktie hält.

Porsche-Chef zufrieden

In Deutschland zeigte sich Porsche-Chef Wendelin Wiedeking am Dienstag sehr zufrieden: "Mit einem Stimmrechtsanteil von knapp über 30 Prozent an Volkswagen sind wir natürlich sehr daran interessiert, unsere Stimmrechte auch voll ausüben zu können." Nach dem Urteil wird nun damit gerechnet, dass Porsche (11.000 Mitarbeiter) die Mehrheit bei VW (324.000 Mitarbeiter) übernimmt. Schon vor zwei Jahren hat der Stuttgarter Sportwagenhersteller 20 Prozent der Wolfsburger übernommen und diesen Anteil dann im Frühjahr 2007 auf 31 Prozent aufgestockt.

Der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer meint: "Porsche wird relativ schnell seine Kaufpreisoptionen ausüben und auf 50 plus X gehen." Im Umfeld von Porsche heißt es, Porsche wolle seine Anteile erst 2008 aufstocken, weil der Preis der VW-Aktie aktuell zu hoch sei. Nach Wochen der Übernahmespekulationen liegt der Wert des VW-Papiers derzeit bei 177 Euro – weshalb Porsche nicht mit Konkurrenz rechnen muss. Ein Porsche-Sprecher betonte nach dem Urteil jedenfalls: "Wir haben eine Kreditlinie über zehn Milliarden Euro."

Suche nach Schwachpunkten

Das Land Niedersachsen will seinen Anteil von 21 Prozent laut Ministerpräsident Wulff im Moment nicht verändern. Das entscheidende Ziel, VW vor dem Zugriff von Finanzinvestoren zu schützen, sei ohnehin gesichert.

Auch nach dem VW-Urteil will Porsche dem Land Niedersachsen zwei Posten im Aufsichtsrat zugestehen, um "die notwendige Kontinuität in der vertrauensvollen Zusammenarbeit" sicherzustellen.

Dudenhöffer rechnet damit, dass Porsche VW auf Schwachpunkte hin durchleuchten wird. Er erwartet, dass das nicht ausgelastete Werk im mexikanischen Puebla auf den Prüfstand kommt, ebenfalls die schwächelnde Marke Seat. (Birgit Baumann, Michael Moravec, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.10.2007)