Die Hilfsorganisation feiert 80 Jahre, kämpft weiter gegen Armut und ihre Stigmatisierung und baut ein neues Wohnheim in Floridsdorf
Redaktion
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Wien - Wer Sozialhilfe empfängt, ist im Alltag schnell stigmatisiert. So gibt es für die Betroffenen keine E-Card, sondern nur einen speziellen Krankenschein des Sozialamtes, der in Arztpraxen und Apotheken vorgelegt werden muss. Nicht zuletzt aus Scham werden notwendige Arztbesuche oft vermieden. Das Recht auf eine vollwertige Krankenversicherung für Sozialhilfeempfänger gehört ebenso wie das Anrecht auf ein eigenes Bankkonto zu den Hauptforderungen der Heilsarmee Österreich. Die Hilfsorganisation und christliche Glaubensbewegung, die sich den Kampf gegen Armut und die damit einhergehende soziale Stigmatisierung auf ihre Fahnen geheftet hat, feiert hierzulande ihr 80-jähriges Jubiläum. Und setzt auf Expansion: Bis 2010 soll ein weiteres Wohnheim - mit Plätzen auch für Frauen - in der Nähe der Großfeldsiedlung entstehen.
Dusche, Dach, Daheim
Speziell psychisch kranke Männer werden im bestehenden SalztorZentrum mit seinen 60 Wohnplätzen in Wien-Leopoldstadt betreut. Das Ziel ist die Integration der obdachlosen Männer in eine stabile Lebens- und Wohnsituation. Auf dem Weg dort hin werden von SozialarbeiterInnen, einem Facharzt und SeelsorgerInnen begleitet. "Die budgetierte Auslastung liegt bei 95 Prozent, tatsächlich sind wir zu 98 Prozent ausgelastet", erklärte Hans-Marcel Leber, City-Commander und Geschäftsführer der Heilsarmee in Österreich, gegenüber derStandard.at.
Erweiterung ist deshalb angesagt: Die Heilsarmee hat in der Lammaschgasse in Wien-Floridsdorf ein 2.000 m2 großes Grundstück gekauft, auf dem in den nächsten drei Jahren ein Wohnheim mit 60 Plätzen und voraussichtlich je einem Stock für Frauen und Männer entstehen soll.
Suppe, Seife, Seelenheil
Als "Christliche Mission" wurde die Heilsarmee 1865 in London von dem Ehepaar William und Catherine Booth, Prediger der Methodisten, gegründet, 1878 erfolgt die Umbenennung in "The Salvation Army". Als Motto der hierachisch organisierten Vereinigung zur Bekämpfung von Armut und deren Diskriminierung gilt seither "Suppe, Seife, Seelenheil". Die drei Begriffe bedeuten für Pierre Reift, Lieter Kommunikation des Heilsarmee-Hauptquartiers in Bern, dass das "Hilfsangebot der Heilsarmee niederschwellig sein soll und zuallererst die Grundbedürfnisse der Menschen decken muss und sich nicht nur auf eine oberflächliche Symptombekämpfung beschränkt".
"Glauben und Handeln gehören für die Heilsarmee untrennbar zusammen", so Reift. Die Hilfe komme allen Hilfesuchenden zu, unabhängig ihrer sozialen, kulturellen oder religiösen Herkunft. Verpflichtend für die Klienten sei die Betreuung durch SozialarbeiterInnen, der Glaube hingegen werde "niemanden aufgezwungen", so Leber.
Pleiten, Pech und Pannen
In Österreich ist die Heilsarmee, unterbrochen durch die NS-Zeit, seit 1927 aktiv. "Ist die Armut am Ende?", lautet die Frage, die der Jubiläumsveranstaltung am Dienstag, 23. Oktober, im Wien Museum ihren Titel gibt. Dabei wird auch zum Thema "Pleiten, Pech und Pannen - die Schande der Armut" diskutiert.
Auf die Vermeidung der Schande zielen die aktuellen Forderungen der Heilsarmee Österreich ab. Wie eine reguläre, vollwertige Krankenversicherung soll auch ein eigenes Bankkonto (ohne Überziehungsrahmen) armen und verschuldeten Menschen zusätzliche Kosten und Erniedrigung ersparen. "Armut ist keine Schande", so Heilsarmee-Geschäftsführer Leber, "aber es wäre eine, nichts dagegen zu tun". (glicka)
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