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Rudy Giuliani, zurzeit im Umfragehoch, könnte im Bibelgürtel sein Waterloo erleben.

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Rudy Giuliani, der Mann aus dem liberalen New York, muss in South Carolina lavieren. Im stockkonservativen Bibelgürtel sind die amerikanischen Wähler gegen den „Bürgermeister Amerikas“. Sie würden ihn nur wählen, wenn es gegen Hillary Clinton geht.

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Da ist es wieder. Dieses breite Grinsen. Rudy Giuliani kann es anknipsen wie eine Glühbirne. Er entblößt sein weißes Gebiss bis zum Zahnfleisch. Lächeln! Schnappschuss! Der Nächste bitte! Der Mann hat die Gabe, sich bei aller Routine so herzlich zu geben, dass Carol Hager, die jetzt neben ihm steht, für ein paar Sekunden all ihre Einwände vergisst.

Eben noch war sie wütend auf ihn losgegangen, bewaffnet mit einem marineblauen Rucksack, den sie vor ihren Körper hielt wie einen Schild. Es ist der Rucksack von Jeff, ihrem Sohn, einem Matrosen, der schon zweimal im Persischen Golf im Irak-Einsatz war. „Holen Sie die Truppen nachhause?“, wollte sie von Giuliani wissen. „Ja, aber nur bei Erfolg.“ „Was denn nun, bringen Sie die Burschen heim?“ „Ja, aber erst müssen wir siegen.“

"Wie soll das denn noch gehen"

Das sind Antworten, die Carol völlig weltfremd findet. „Im Irak siegen? Wie soll das denn noch gehen?“, wird sie sich hinterher aufregen. Doch für einen kurzen Moment legt der Kandidat seinen Arm um ihre Schulter und knipst sein Lächeln an. Der Auslöser klickt, und Carol Hager sagt, dies sei ihr Tag.

Greenville, South Carolina. Für Giuliani ist es Wahlkampf auf vermintem Gelände. Nicht wegen der bohrenden Irak-Fragen, die bekommt er hier unten eher selten zu hören. Der stockkonservative Bibelgürtel versteht sich als patriotisches Rückgrat Amerikas, stolz auf die Armee, eins mit Politikern, die die Welt in den simplen Rastern von Gut und Böse skizzieren. So wie Giuliani es gerade tut.

"Am Ende gewinnen wir"

„Islamistische Terroristen haben uns den Krieg erklärt, das kann noch Jahrzehnte dauern, aber am Ende gewinnen wir.“ Der Irak sei nur Teil dieser Front. Er klingt noch so, wie George W. Bush früher klang. Dennoch, im Gedränge des Cafés „Spill the Beans“ nicken die meisten zustimmend. Beifall bekommt der Kandidat auch, wenn er die Leitmelodie seiner Kampagne anstimmt. Steuern senken. „Ich gebe euch mehr Kontrolle über euer Geld, während Hillary (Clinton) euch wegnehmen will, was ihr euch sauer verdient.“

Vermintes Gelände? Wo die Gefahr lauert, erklärt Roger Curtis so: „Würde nur über ein Thema abgestimmt, müsste man Nein zu Giuliani sagen.“ Das Thema heißt Abtreibung. Der Ex-Bürgermeister des liberalen New York will sie Frauen in Not weiterhin gestatten, während der Bibelgürtel auf ein striktes Verbot drängt. „Leben ist heilig“, sagt Curtis, der Kaffeehausbesitzer. „Abzutreiben ist Mord“, sagt Gary Weier, der Vizepräsident der Bob Jones University.

Lieber Mitt Romney

Weier sitzt in seinem kargen Büro und verzieht sein Gesicht. „Giuliani einladen? Eher laden wir Mitt Romney ein“, grummelt der Theologe. Der Mormone Romney, evangelikale Christen sehen ihn als Sektierer. Aber für Weier ist er immer noch besser als ein Mann, der zum dritten Mal verheiratet ist, der nichts gegen homosexuelle Partnerschaften hat und sich auf Kostümpartys in Frauenkleidern amüsierte. Mag Giuliani der Held des 11. September sein, für Weier ist er ein Frevler. „Höchst unwahrscheinlich, dass er bei uns reden darf.“

Das mit dem Reden an der Uni, einer Kaderschmiede der christlichen Rechten, 1927 vom fundamentalistischen Prediger Dr. Bob Jones gegründet, ruft Erinnerungen wach. Im Februar 2000 stand George W. Bush dort am Pult. Er nutzte die Gelegenheit, um seinen schärfsten Rivalen John McCain zu attackieren. „Für Bush, weil Schwule zu viele Rechte haben!“, war auf Plakaten auf dem Campus zu lesen. „Wir sind die Partei Abraham Lincolns, nicht die von Bob Jones“, zürnte McCain, nachdem ihn die Sittenstrengen als liberalen Windbeutel punziert hatten. Vergebens, Bush zog vorbei. Ähnliches könnte sich wiederholen. Nach Iowa und New Hampshire ist South Carolina der dritte Bundesstaat, in dem Republikaner (wie Demokraten) durch Vorwahlen ihre Spitzenleute ermitteln. Rudy Giuliani, zurzeit im Umfragehoch, könnte im Bibelgürtel sein Waterloo erleben.

Um ein Haar im Priesterseminar gelandet

Wie er das zu verhindern gedenkt, probiert er im Hilton-Hotel zu Washington aus. Der Family Research Council, Sprachrohr der Abtreibungsgegner, testet die republikanischen Präsidentschaftsanwärter auf Bibelfestigkeit. Alle erscheinen. Mit hängenden Schultern läuft Giuliani auf die Bühne, nicht wie der Favorit, sondern wie ein Büßer. „Ich kann es nicht jedem recht machen. Aber ich bin nicht Ihr Feind.“ Das Publikum lacht gnädig, als er erzählt, dass er um ein Haar im Priesterseminar gelandet wäre („Kaum zu glauben, was?“).

Zurück in Greenville. Cafetier Curtis hält stolz ein Buch in der Hand. „Leadership“, geschrieben und signiert von Rudolph W. Giuliani. Unterm Strich, sinniert er, sei Rudy wohl doch der Richtige. Nicht fürs Herz, aber für den Kopf. Vor allem dann, wenn es auf ABC hinauslaufe. ABC? „Anybody But Clinton.“ Nur Giuliani, glaubt Curtis, könne Hillary Clinton den Weg ins Weiße Haus versperren. „Da muss ich ihn nehmen, wie er nun mal ist.“ (Frank Herrmann aus Greenville, DER STANDARD, Printausgabe 24.10.2007)