Nur blitzblankes, rillentief reines Vinyl verlässt die Plattenwaschmaschine des Typs "Limited".

Foto: Christian Fischer

In seinem Tullner Geschäft "Blue Danube" hegt und pflegt der passionierte Plattenhändler Christian Bierbaumer ein Universum von 150.000 Secondhand-Schallplatten.

Foto: Christian Fischer

Kaum merklich surrt der robuste Kubus aus transparentem kirschrotem Acryl, während Christian Bierbaumer aus einem weißen Fläschchen die Reinigungsflüssigkeit auf die rotierende Schallplatte tropft und konzentriert mit einem Schwämmchen verteilt. Er könnte natürlich auch auf den runden Knopf mit der Aufschrift "pump" drücken und damit die automatische Flüssigkeitsverteilung aktivieren, merkt Bierbaumer beflissen an. Schließlich hat der passionierte Vinyl-Aficionado aus dem niederösterreichischen Tulln die 1400- Euro-Plattenwaschmaschine, Modell "Limited", selbst entwickelt. Aber: "Man kann ein Auto in die Waschanlage geben oder es auf der Straße selbst waschen und jeden Fleck einzeln wegputzen". Dass letztere Möglichkeit die elegantere und effizientere ist, steht für den 51-Jährigen mit dem zurückhaltenden Lächeln außer Frage. Genauso wie er überzeugt ist, dass kein ernstzunehmender Musikliebhaber ohne Plattenspieler samt Waschmaschine auskommen kann.

Den eigentlichen Putzvorgang übernimmt dann aber doch ein über die LP geschwenkter Bürstarm, der die Scheibe rillentief reinigt. Dann wird der gelöste Schmutz von einem zweiten Arm abgesaugt. Das Ergebnis ist spiegelglatt glänzendes schwarzes Vinyl - und bei der anschließenden Hörprobe steht der Nadel und dem Klangerlebnis kein Körnchen mehr im Wege.

150.000 Secondhand-Schallplatten

"Auf einer Schallplatte ist 40-mal mehr Information enthalten als auf einer CD. Wenn die Leute ihre Platten gepflegt hätten, wäre die CD nicht so groß geworden", meint Bierbaumer. In seinem Geschäft "Blue Danube" hegt und pflegt er einen vermutlich europaweit einzigartigen Fundus an 150.000 Secondhand-Schallplatten, fast ausschließlich Originalpressungen klassischer Musik, der Connaisseure und Sammler aus aller Welt anzieht - die dann und wann auch zu einer Plattenwaschmaschine greifen. Oder ihre Schätze zum Waschservice (ein Euro pro Scheibe) mitnehmen. So können nicht nur jahrelang im Keller gelagerte LPs wieder höheren Klangsphären zugeführt werden, selbst fabrikneue Platten werden von Pressrückständen befreit und tönen nach der Feinwäsche "räumlich präziser", erklärt Bierbaumer.

Vor mehr als zehn Jahren hat er mit der Eigenbauplattenwaschmaschine "Waschbär" für Aufsehen gesorgt, dem Nachfolger "Flüsterbär" wurde in Hi-Fi-Magazinen rund um den Globus gehuldigt, da er sehr geräuscharm arbeitet. Im Vergleich: Die Konkurrenzgeräte sollen dröhnen wie zwei Staubsauger. 2005 folgte ein Designpreis auf der internationalen Unterhaltungselektronikmesse CES. Mittlerweile werden die bis zu 2800 Euro teuren Modelle in einer auf Hochdruckreinigung spezialisierten Firma in Deutschland gefertigt, rund 300 Stück werden pro Jahr verkauft.

Die Schallplatte ist 25 Jahre nach Erfindung der Compact Disc und den darauffolgenden Todesprophezeiungen längst nicht mehr bloß Objekt der Begierde für nostalgische Schwärmer und Modernitätsverweigerer. Ganz im Gegenteil: Seit der Jahrtausendwende hat das schwarze Rund einen zweiten Frühling erlebt, der sowohl Plattenproduktion als auch -verkäufen einen stetigen Aufschwung bescherte und dem Plattenspieler einen Fixplatz in den Musikanlagen von Soundpuristen sicherte. Das liegt zum Teil an der schwächelnden Musikindustrie, die sinkende Umsätze durch innovative Konzepte auffangen muss und dergestalt wieder auf den Vinylgeschmack kam. Im Vergleich zu anderen Tonträgern sind Schallplatten freilich ein Nischenprodukt: In Österreich beträgt der Marktanteil mit 140.000 verkauften Maxi-Singles und LPs pro Jahr gerade 0,5 Prozent. In Deutschland jedoch hat sich der Absatz von LPs seit Mitte der 90er-Jahre auf mehr als eine Million verdoppelt. Allein in den USA gibt es vier bis fünf Mio. Menschen, die nur Vinyl kaufen.

Wie Philharmoniker in einem Lagerhaus

Es scheint, dass der Siegeszug der virtuell lieferbaren Musik, die, digitalisiert, zerstückelt und auf die notwendigsten Tonsignale geschrumpft, in Form von Datenpäckchen an unsere Ohren dringt, das Bedürfnis nach ursprünglicher, analoger Klangvermittlung geradezu provoziert hat. "Musik und Computer: Das ist, wie wenn die Philharmoniker in einem Lagerhaus spielen würden. Das geht nicht!", echauffiert sich Bierbaumer, der von sich selbst sagt, seit dem zarten Alter von zehn Jahren der Musik verfallen zu sein und sich fast genauso lange der Erhaltung der Analogkultur verschrieben hat.

Audiophile wie er beschwören die Körperlichkeit, Lebendigkeit, Wärme, Haptik und schlicht die Magie der schwarzen Scheiben - und werden von der Hi-Fi-Industrie entsprechend bedient: mit hochpreisigen Plattenspielern und Tonabnehmersystemen, für die es einen lukrativen Markt gibt, aber auch mit Röhrenverstärkern, Lautsprechern und den dazugehörigen Qualitätskabeln. "Keine Digitaltechnologie reicht an den Klang der Schallplatte heran", bezeugt Branko Glisovic, Geschäftsführer der High End Society, die in München die größte Messe für hochwertige Unterhaltungselektronik ausrichtet. "Die Plattenspieler und Tonabnehmer sind heute um Klassen besser als vor 20 Jahren, es gibt neue Materialien und neue Produktionsmethoden."

Und so lassen heute immer schwerere, edlere und kostspieligere Plattenspieler (oder besser: -altäre) das highfidele Herz höherschlagen: An der Spitze stehen derzeit der Statement von Clearaudio, der 350 Kilogramm wiegt und 75.000 Euro kostet, sowie der 200 Kilo schwere Transrotor Artus, für den man mindestens 118.000 Euro hinlegen muss.

Das alles berührt Christian Bierbaumer wenig: "Der eine kauft sich ein Auto, der andere einen Plattenspieler". Für ihn ist die Musikanlage und die dazugehörige Zeremonie keine Preisfrage, sondern "der perfekte Ruhepol". (Karin Krichmayr/Der Standard/rondo/25/10/2007)