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Bestätigt Gespräche über eine künftige Kooperation mit der Nasa bei Mars-Missionen: ESA-Chef Jean-Jacques Dordain, hier bei einer Rede in Brüssel über die Zukunft europäischer Weltraumprogramme.

Foto:APA/EPA/Olivier Hoslet
Der Chef der ESA, Jean-Jacques Dordain, kommt anlässlich des Jubiläums nach Wien. Stefan Brändle sprach mit ihm vorab über Forschungsziele, die Weltraummacht Europa und über Leben im All.

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STANDARD: Viele Österreicher sind sich gar nicht bewusst, Teil einer großen Raumfahrtsmacht zu sein. Woran liegt das eigentlich?

Dordain: Es stimmt leider, dass sich die wenigsten Europäer – nicht nur die Österreicher! – dessen bewusst sind. Vielleicht berichten die Medien auch nicht genug darüber, vielleicht sind wir selbst schuld. Tatsache ist, dass Europa eine Raumfahrtsmacht ist. Bei der Erforschung des Sonnensystems ist sie sogar führend: ESA-Fernerkundungssatelliten wie Envisat umkreisen die Erde, Sonden analysieren Mars, Venus, Titan oder befinden sich auf dem Weg zu Kometen; und mit der Trägerrakete Ariane für die Aussetzung von Satelliten stellt Europa ebenfalls den Weltmarktleader in dieser Kategorie.

STANDARD: Die Europäische Weltraumagentur ESA wirkt also in die Breite – doch fehlt ihr nicht ein spektakuläres Projekt wie der russische "Sputnik" oder das amerikanische „Apollo“, um mehr in den Köpfen der Europäer präsent zu sein?

Dordain: Ja, unsere Arbeit ist weniger spektakulär. Dafür ist sie nützlicher. Im Unterschied zu den USA, Russland oder China konzentrieren wir uns nicht auf die Rüstung oder bemannte Raumflüge; absolute Priorität haben für uns die Forschung, die Kenntnis der Natur und der Umweltschutz. Dank der ESA können sie zum Beispiel ein WM-Fußballspiel aus Japan live mitverfolgen oder eine verlässliche Wettervorhersage für die kommenden fünf Tage erhalten; die Taxichauffeure verfügen dank unserer Arbeit über ein gutes Navigationssystem. Wie gesagt, sind sich die Menschen dessen nicht immer bewusst: All dies wird durch die Raumfahrt ermöglicht.

STANDARD: Die ESA wird aus mehreren Staaten gebildet. Ist das nicht manchmal auch ein Nachteil?

Dordain: Jede Zusammenarbeit gestaltet sich mitunter problematisch, aber sie ermöglicht auch Projekte, die ein einzelnes Land auf gar keinen Fall verfolgen kann. Die Partnerländer der ESA verfügen heute über eine solide Kultur der Kooperation. Sie nährt sich aus einem großen Reichtum an Fantasie und wissenschaftlichen Beiträgen.

STANDARD: Aber es gibt auch Schwierigkeiten, die nicht so einfach aus der Welt zu schaffen sind – etwa die finanziellen Reibereien wie beim Satellitennavigationssystem Galileo. Wie geht es da weiter?

Dordain: Ich bin optimistisch und daher überzeugt, dass Galileo einmal existieren wird. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir hatten uns eine öffentlich-private Mischfinanzierung vorgestellt, doch dies erwies sich als nicht realisierbar. Deshalb schreiben wir das Drehbuch um, um das Projekt neu aufzuziehen. Natürlich will jedes Land seinen Anteil am Kuchen. Aber Galileo wird kommen.

STANDARD: Beim Kometen-Landeapparat Rosetta standen eher technische Probleme im Vordergrund.

Dordain: Ja, wobei das Problem nicht bei Rosetta lag. Das Projekt verzögerte sich wegen ihrer Trägerrakete, einer Aria-ne 5, sodass nicht mehr die gleiche Kometenbahn anvisiert werden konnte. Jetzt nehmen wir Ziel auf einen anderen Kometen.

STANDARD: Sie sagen, dass sich die ESA weniger um bemannte Raumfahrt kümmert. Werden Europäer jemals auf dem Mars landen?

Dordain: Ich bin sicher, dass das einmal der Fall sein wird. Ein Zeitplan dafür ist allerdings nicht festgelegt, und ich glaube nicht, dass das vor dreißig Jahren der Fall sein wird. Dieses Vorhaben hat für uns nicht oberste Priorität. Es geht uns nicht so sehr darum, andere Planeten zu bewohnen - wir wollen lieber dazu beitragen, die Erde wohnlicher zu machen.

STANDARD: Welches Interesse verfolgt die ESA bei Mars-Expeditionen?

Dordain: Der Planet ist vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sehr interessant. Je mehr wir über den Mars erfahren, desto mehr lernen wir über die Erde. Es ist ein wenig wie mit dem Planeten Venus, der zur Entdeckung des Treibhauseffekts beitrug. Bei Mars-Projekten interessiert uns vor allem, wo das Wasser hingelangt ist, das es dort einmal gab.

STANDARD: Auch die Amerikaner haben Interesse am Mars gezeigt. Wäre da nicht eine Kooperation zwischen Europäern und USA zielführender als ein Wettlauf zum Roten Planeten?

Dordain: Darüber diskutieren wir derzeit. Es geht unter anderem um den Versuch, weitere Bodenproben vom Mars auf die Erde zu bringen.

STANDARD: In letzter Zeit mehren sich Informationen über außergalaktische „Exoplaneten“ mit erdähnlichen Bedingungen. Ist das ein Thema?

Dordain: Ich glaube durchaus an die Möglichkeit, dass anderswo als auf unserer Erde Leben möglich ist. Warum auch sollte es im Weltall nur einen solchen Ort geben? Die Frage ist eher, um welche Art von Leben es sich handeln könnte. Es aufzuspüren wird allein wegen der Distanz tausende von Jahren erfordern. Man könnte aber "intelligente Wesen" nicht nur zu sehen bekommen, wie das die ESA tut, sondern auch zu hören. Darum kümmern sich die Nachrichtendienste. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2007)