
Gefährliches Spiel: Bush, Ahmadi-Nejad und Bernard Kouchner reden von Krieg.
Als Kassandra im gleichnamigen Roman der deutschen Schriftstellerin Christa Wolf diese Worte sagt, ist es schon längst zu spät. Nur die Seherin wusste, dass der Krieg Trojas gegen die Griechen und damit der Untergang der Stadt bereits besiegelt war. In Zeiten wie diesen, ist es wert, sich noch einmal die Gedanken Kassandras über den Vorkrieg vor Augen zu führen.
Drohgebärden
Die Drohgebärden zwischen dem Iran und den Westen haben einen neuen Höhepunkt erreicht. US-Präsident George W. Bush ließ den Begriff "Dritter Weltkrieg" bei einer Pressekonferenz fallen. Seine Administration lässt die Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen wissen, dass im Atomstreit mit dem Iran "alle Optionen auf dem Tisch liegen". "Iranische Bombe oder Bombardierung des Iran", lautet die Alternative für Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy. Sein Außenminister sprach gar schon davon, dass sich Frankreich auf "das Schlimmste" einstellen müsse. Das Regime in Teheran seinerseits nutzt die Kriegsrhetorik gegen Israel. Das Wort "Krieg" ist allgegenwärtig: Nicht nur im Fall des Iran. Auch der "war on terror" tobt weiter.
Aber wie viel Kriegsrhetorik verträgt der Bürger, wenn in der Heimat Frieden herrscht?
Bedeutungsleer
Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak von der Lancaster University in England spricht von einer potentiellen "Verflachung des Begriffes Krieg". Das soll nicht heißen, dass es keine tatsächlichen Bedrohungen gebe - etwa im Fall des Iran. Aber die verwendeten Phrasen, darunter etwa eben der berühmte "war on terror", seien dermaßen schwammig, dass sie schon bedeutungsleer seien und mit allen Bedeutungen gefüllt werden könne. Dies betrifft auch Slogans wie "Achse des Bösen". In ihrer Unschärfe gleiten solche Begriffe schon ins Unpolitische hinüber.
Diese Verschlagwortung komplexer Vorgänge mache einen differenzierten Diskurs geradezu unmöglich, erklärt die Sprachwissenschaftlerin Wodak.
Ohne Phrasen keine Waffen
Das Phänomen ist keineswegs neu. "Wenn die Menschheit keine Phrasen hätte, brauchte sie keine Waffen", schrieb schon Karl Kraus. Und auch Hannah Arendt beschäftigte sich in ihrem "Bericht von der Banalität des Bösen" mit der Verwendung von Schlagwörtern und Phrasen durch autoritäre Regime. Die "Unfähigkeit sich auszudrücken" führe gerade zu einer "Unfähigkeit zu denken" schreibt sie über die Wirkung solcher Rhetorik bei den Rezipienten.
Wodak geht davon aus, dass seit den Anschlägen vom 11. September 2001 das Phänomen der Begriffsverflachung mit dem "war on terror" eine neue Dimension erreicht hat. Wobei unter Krieg eben keineswegs nur mehr der klassische Krieg verstanden werde. Gerade in den USA wurde auch der Kampfbegriff "war on drugs" geprägt.
Rolle der Medien Letztlich soll mit diesen Bezeichnungen eine konzertierte Aktion angedeutet werden, sagt Wodak. Es geht darum Ressourcen zu mobilisieren. Selbst dann, wenn noch nicht feststeht, ob sie überhaupt eingesetzt werden sollen. Die Medien verstärkten den Schlagwort-Effekt beim Transport der Botschaften noch zusätzlich. "Da gerade im Fernsehen komplexe Zusammenhänge verkürzt dargestellt werden, tritt die Argumentation zugunsten solcher Phrasen in den Hintergrund", sagt Wodak.
In einem 40 Sekunden Newsflash ist es eben schwierig, differenzierte Informationen zu vermitteln.
Soll das alles heißen, über die Kriegsrhetorik sollte lieber nicht berichtet werden? Nein. Wodak plädiert für eine differenzierte Berichterstattung, um den Menschen eine bessere Einschätzung möglicher Bedrohungen zu ermöglichen, um der Verschlagwortung entgegenzutreten.
Bleibt die Frage, an wen dieser Kriegsdiskurs gerichtet ist. Vermutlich an alle. An den Iran, der durch den Druck doch noch zum Einlenken gebracht werden soll. An die Bürger, die kommende Entscheidungen mittragen sollen. Aber der Diskurs wendet sich auch an jene Staaten in Europa, die eine Appeasement-Politik gegenüber dem Iran betreiben und die Bedrohungslage untertreiben, sagt der Soziologe Oliver Marchart.