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Ahmadi-Nejads Rivalen gewinnen an Einfluss, die der Verschlech-terung der wirtschaftlichen Lage des Landes unterminiert seinen Rückhalt in der Bevölkerung.

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Der Rücktritt des iranischen Chefverhandlers in den Gesprächen mit der Atombehörde ist der vorerst letzte Hinweis auf die wachsenden Spannungen innerhalb der Machteliten von Teheran. Hat der Präsident wirklich noch "das Sagen" in der Islamischen Republik?

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Seit ihrer Gründung hatte die Islamische Republik eine schwache Präsidentschaft. Die höchste Autorität liegt in den Händen des Obersten Führers - zunächst Ayatollah Khomeini, gegenwärtig Ayatollah Chamenei. Der erste Präsident der Islamischen Republik Iran, Abolhassan Bani Sadr, wurde ein Jahr nach seiner Wahl aus dem Amt entlassen. Seit damals duldet das Regime keinen starken Präsidenten und hat wiederholt demonstriert, dass dieses Amt dem des Obersten Führers untergeordnet ist.

Ahmadi-Nejads Wahl vor zwei Jahren war von hohen Erwartungen begleitet, nachdem der neue Präsident damals versprach, gegen die Korruption vorzugehen und dass sich "die Öleinnahmen auch an den Esstischen iranischer Haushalte bemerkbar machen werden". Doch viele seiner ersten Personalentscheidungen erwiesen sich als Belohnung für Anhänger oder Spießgesellen aus der Islamischen Revolutionsgarde und der Basij-Miliz, bewaffnete Gruppen, die während seines Wahlkampfs für ihn Wähler mobilisierten. So vergab beispielsweise das Ölministerium ohne Ausschreibung einen Vertrag über 1,3 Milliarden Dollar an eine mit den Revolutionsgarden in Zusammenhang stehende Ölgesellschaft und Ahmadi-Nejad ernannte seinen Schwager zum Kabinettssekretär.

Defizit

Über derartiges hätte man in wirtschaftlich besseren Zeiten vielleicht hinweggesehen, aber heute weist der iranische Staatshaushalt ein Defizit im Ausmaß von 15 % des BIP auf und die Devisenreserven schmelzen trotz des Ölbooms. Statt die Einnahmen aus dem Ölgeschäft über günstige Darlehen unter die Leute zu bringen, sieht sich die Regierung gezwungen, Benzin zu rationieren, nachdem wirtschaftliche Versprechungen der Krise gewichen sind.

Zu einem Anstieg der Spannungen kommt es auch seit Ahmadi-Nejad sein Wahlkampfversprechen einlöste, islamisch motivierten Einschränkungen in der Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Zwei Jahre lang führte die Polizei eine massive Kampagne gegen Frauen und junge Menschen. Im letzten Sommer wurden in Teheran über 150.000 Frauen wegen "schlechter Verschleierung" verhaftet, und Friseure bekamen spezielle Anweisungen über akzeptable Frisuren für junge Männer.

Demonstrationen werden brutal niedergeschlagen

Demonstrationen von Busfahrern, Lehrern, Frauenrechtsaktivistinnen und Studenten wurden brutal niedergeschlagen und es gab Dutzende Festnahmen. Fotos und Videos, auf denen Polizisten zu sehen sind, wie sie auf Zivilisten einschlagen, wurden im Internet verbreitet.

Jetzt allerdings gehen Ahmadi-Nejads Gegner daran, lange bestehende Beschränkungen des Präsidentenamtes erneut stark zu Tage treten zu lassen. Sein schärfster Rivale, Akbar Hashemi Rafsandschani, ehemaliger Präsident und Ahmadi-Nejad bei der letzten Präsidentenwahl unterlegen, wurde aufgrund einer bemerkenswerten Wende des Schicksals zum Vorsitzenden des Expertenrates gewählt, jenes mächtigen Gremiums, das den Obersten Führer des Iran wählt und ihn sogar aus dem Amt entfernen kann.

Offene Kritik

Außerdem wird Ahmadi-Nejad von ehemaligen Getreuen nun offen kritisiert. Sogar Ayatollah Chamenei, als Oberster Führer auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte, hat Schritte unternommen, um seine Vorherrschaft unter Beweis zu stellen. So feuerte er vor Kurzem die Kommandanten der Revolutionsgarden und der Basij-Miliz.

Politische Beobachter im Iran sind der Ansicht, dass diese Schritte, vor allem angesichts eines möglichen Konfliktes mit den USA einer Erneuerung des Militärs dienen. Allerdings weisen die Experten auch darauf hin, dass die ehemaligen Kommandanten ein Naheverhältnis zu Ahmadi-Nejad hatten und ihm in den letzten zwei Jahren bei der Umsetzung seiner Agenda hilfreich zur Seite standen.

Verbalattacken, aber keine Kontrolle

Obwohl Ahmadi-Nejad seine Verbalattacken auf die USA fortführt, hat er - ungeachtet der jüngsten Personalrochade - keine Kontrolle über den politischen Apparat, der über das iranische Atomprogramm und die Beziehungen des Landes zur internationalen Gemeinschaft entscheiden wird. Die Gefahr von Sanktionen bleibt aufrecht und die iranische Wirtschaft - von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen - hat ihre Erfahrungen mit der Isolation gemacht.

Angesichts der starken Verbindungen der iranischen Führung mit der Wirtschaft, sollten die Auswirkungen von Sanktionen nicht unterschätzt werden. Die Wirtschaft bleibt ein Bereich des iranischen Lebens, wo Ahmadi-Nejad noch über beträchtliche Macht verfügt. Aber seine bisherigen Leistungen sind schwach und seine Äußerungen verschlimmern das Problem, da sie zu einer weiteren Isolation des Iran von der Weltwirtschaft führen.

Machtverschiebungen

Nachdem die Kontroverse mit dem Westen einem Höhepunkt zusteuert, ist es wichtig, die gegenwärtigen Machtverschiebungen im politischen System des Iran zu erkennen. Ahmadi-Nejad mag mit immer abenteuerlicheren Kommentaren auffallen, aber er besitzt keine Autorität, sie in die Praxis umzusetzen. In Wahrheit kann ihn nur eine militärische Konfrontation mit den Vereinigten Staaten wieder in das Zentrum der Entscheidungsfindung rücken. Das sollte die amerikanische Politik berücksichtigen. (© Project Syndicate, 2007, DER STANDARD, Printausgabe 24.10.2007, Übersetzung: Helga Klinger-Groier)