Wien - Am heutigen 41. Verhandlungstag im Bawag-Prozess stand die Strafsache gegen Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter im Mittelpunkt.

Laut Anklage soll ihm Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner am 12. März 2003 rund 553.000 Euro in bar ("Plastiksackerl-Kredit") übergeben haben und diesen so genannten "Plastiksackerl-Kredit" später als uneinbringlich ausgebucht haben. Gerharter, dem Beihilfe zur Untreue vorgeworfen wird, hat das Geld heuer samt Zinsen zurückgezahlt (siehe auch "Nachlese").

derStandard.at-Redakteur Martin Putschögl verabschiedet sich aus dem Wiener Landesgericht.

15:33 Uhr - die heutige Verhandlung ist geschlossen

Elsner sagt: "Der Ausdruck 'Generalkunde' ist ein Unfug. Gerharter war bei mir – das steht fest. Aber er war insofern ein besonderer Kunde, weil er Aufsichtsrat war und Chef eines ehemaligen Eigentümers."

Dann eine Frage an Gerharter: "Wo haben Sie die Formulare unterschrieben?" – "Beim Doktor Fragner."

Die Richterin bittet Gerharter dann noch, ihr aus seinen eigenen Aufzeichnungen ein paar Passagen vorzulesen – "Ich kann Ihre Schrift so schlecht lesen." Gerharter sagt, er tut sich da auch schwer, schnappt sich das Mikro und stellt sich wie ein Samstagabend-Showmaster vor die Richterin.


Herrmann Gerharter liest vor, worüber er mit Helmut Elsner gesprochen hat.

Gerharter liest vor, worüber er mit Elsner gesprochen hat. Elsner wehrt sich wiederholt heftig dagegen, die Aussagen von Gerharter würden jeglicher Grundlage entbehren.

Anwalt Breuer fragt dann noch was: "Fragner hat angegeben, dass er sie in die Filiale Tuchlauben gebracht hat. Sie sagen, Sie waren nie in der Filiale Tuchlauben." – "Ich habe bei Fragner die Papiere unterzeichnet", sagt Gerharter, aber in der Filiale Tuchlauben sei er nie gewesen. – "Haben Sie psychische Probleme?", fragt Breuer dann noch, und die Richterin erklärt sofort: "Diese Frage lasse ich nicht zu."

Staatsanwalt Krakow verlautbart dann noch eine Anklageausdehnung gegen Peter Nakowitz - und zwar wegen der Anweisungen an den heutigen Zeugen Leonhard Fragner, das Mahnwesen im Fall des Kredits an Gerharter zu verzögern bzw. zu unterbinden.

Die Richterin gibt am Schluss bekannt, dass sie gerne "nocheinmal in dieser Formation" verhandeln wolle, nämlich am 15. November. Es gibt aber Einwände der Anwälte, letztlich wird dieser Wunsch auf unbestimmt vertagt.

Richterin Bandion-Ortner schließt die heutige Verhandlung.

15:20 Uhr

Es folgt Petra Graf, sie war früher Stellvertreterin von Herrn Diem in Mödling. Jetzt ist sie in einer Bawag-Filiale im 3. Bezik.

Es sei damals ein Fax mit der Aktennote nach Mödling gekommen, "und dann haben wir das eben durchgeführt". "Es gibt immer Leute, die Anweisungen geben, und welche, die Anweisungen ausführen – und wir waren halt die, die die Anweisungen ausgeführt haben."

Hat sie gewusst, dass Gerharter ein ordentliches Guthaben bei der Bawag hatte? Hätte sie das aus dem System sehen können? "Hätte ich, ja."

Auch Grafs Befragung dauert ähnlich kurz wie die von Diem, kaum fünf Minuten sitzt sie auf dem Zeugenstuhl.

Dann will die Richterin noch ein paar offene Fragen mit den Angeklagten klären.

15:15 Uhr

Nächster Zeuge ist Willibald Diem, er ist Filialleiter der Bawag in Mödling.

"Irgendwann 1999" ist für Hermann Gerharter ein Konto mit Überziehungsrahmen eingerichtet worden, erzählt er. "Gerharter war ein Vorstandskunde, sein Konto wurde in der Tuchlauben geführt." Aufgrund der regionalen Nähe zu seinem Wohnort habe man auch in Mödling mit ihm zu tun gehabt.

Es kam dann eine Anweisung, das Konto zu schließen – "telefonisch avisiert von Mag. Berger", die Aktennote kam dann später. "Es war eine Anweisung, und die war zu vollziehen", er habe sich da nicht viel dabei gedacht. "Es gab wenig Spielraum für eigene Gedanken", sagt er dazu.

Diems Befragung könnte als die kürzeste in die Geschichte eingehen, sie dauerte kaum vier Minuten.

15:10 Uhr

Als nächster kommt Friedrich Berger, ein Mitarbeiter von Leonhard Fragner (der heute schon als Zeuge da war) in der Kommerzkredit-Abteilung. Er hat damals von Fragner den Auftrag bekommen, einen Aktenvermerk zu verfassen. Von wem die Informationen stammten, weiß er nicht mehr.

Wieso kommt ein Privatkredit in die Kommerzkredit-Abteilung? "Das weiß ich auch nicht so genau", man kümmere sich aber durchaus auch um Privatkunden – "wenn man vom Chef einen Auftrag erhält", dann mache man das eben.

Berger hat damals an Gerharter einen Brief geschrieben, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass zwei seiner Konten geschlossen worden sind. "Die Konten waren geschlossen, es gab ein 'Ja' auf diesem Aktenvermerk, und ich hatte den Auftrag, diesen Brief zu schreiben", sagt er heute.

Was hat das geheißen, wenn eine Aktennote kam, auf der stand: "Ja, Elsner"? So oft ist sowas bei ihnen nicht vorgekommen, "aber grundsätzlich war es so, dass wenn der Generaldirektor 'Ja' gesagt hat, dann war’s das." Hätte er kontrollieren müssen, ob auch die anderen Vorstandsmitglieder einverstanden waren? Nein, das "Ja, Elsner" sei für ihn "die Entscheidung gewesen", sagt Berger.

"Es war nicht meine Aufgabe, zu recherchieren", sagt der Zeuge auf die Frage von Anwalt Schubert, ob man denn nicht die Guthaben von Gerharter bei der Bawag bei einer einfachen Namens-Abfrage in den Bawag-Systemen gesehen haben könnte.

Anwalt Breuer fragt, was der Zeuge eigentlich unter einem Forderungsverzicht versteht? "Dass die Bank auf Forderungen verzichtet." Breuer will dann wissen, ob auch Fragner von einem "Forderungsverzicht" gesprochen hat, als er Berger den Auftrag erteilte, den Brief an Gerharter zu schreiben. "Ich weiß über den Hintergrund des Dr. Gerharter nichts", fügt der Zeuge an.

Hat Berger gewusst, dass für einen Forderungsverzicht dieser Höhe laut der Kompetenz- und Pouvoirordnung der Bawag eine Zustimmung des Kommerzkreditvorstands nötig ist? Grundsätzlich nein, sagt Berger, aber Fragner habe das ihm gegenüber erwähnt.

Breuer hält dem Zeugen vor, dass Fragner am Vormittag gesagt hat, mit der Aktennote war die Geschichte für ihn erledigt. "Bleiben Sie also bei Ihrer Darstellung?", fragt Breuer, Zeuge Berger sagt "Ja".

Warum ist Fragner nicht dafür zuständig gewesen?, will die Richterin noch wissen. "Es ist ja nur 'Ja, Elsner' oben gestanden – hat Ihnen das gereicht? "Ja." – "Sind Sie davon ausgegangen, dass alles in Ordnung ist?" - "Natürlich."

Schubert fragt dann: "Wäre nur 'Ja, Kreuch' draufgestanden – hätte das auch gereicht?" – Zeuge Berger überlegt lange, sagt dann sinngemäß, dass die Unterschrift von Elsner doch etwas mehr Gewicht hatte.


Peter Nakowitz erklärt die "verschiedenen Usancen" bei der Einholung der nötigen Vorstands-Unterschriften durch Bereichsleiter.

Nakowitz erklärt die "verschiedenen Usancen" bei der Einholung der nötigen Vorstands-Unterschriften durch Bereichsleiter. Es habe eben auch so etwas wie "Umlaufbeschlüsse" gegeben, "und bei denen war logischerweise immer einer der erste". Deshalb habe es wohl auch Aktenvermerke gegeben, bei denen er, Nakowitz, als erster unterschrieben habe – "und da stand dann auch 'Ja, Nakowitz' drauf."

Richterin Bandion-Ortner bedankt sich um 15 Uhr bei Zeugen Friedrich Berger für's Kommen.

14:20 Uhr Es geht weiter mit dem Zeugen Christian Götz, Leiter der Bawag-Filiale Tuchlauben. Der Kredit (bzw. das Sparbuch) von Gerharter sei damals bar ausgezahlt worden, berichtet Götz. Übernommen habe das Geld – zunächst sein Kassier. Ob Gerharter damals in der Filiale war, kann er nicht sagen. "Vielleicht können Sie für uns herausfinden, wer damals der Kassier war?", sagt Bandion-Ortner zum Zeugen.

"VIP- und Generalkunde, das ist das gleiche", sagt er auf die entsprechende Frage von Richterin Bandion-Ortner. Bei Hermann Gerharter habe es sich um einen "General-Kunden" gehandelt.

Anwalt Breuer will wissen, wie oft das vorkommt, dass 561.000 Euro in seiner Filiale abgeholt werden? "Zwei-, dreimal im Monat", antwortet Götz. Und muss man das nicht vorher ankündigen? "Selbstverständlich", so Götz. Er habe damals einen Anruf aus dem Generalsekretariat bekommen.

Eine Bestätigung, dass er da war, braucht Götz nicht – Richterin Bandion-Ortner verabschiedet sich um kurz nach halb drei von ihm, er bedankt sich und verlässt den Saal.

13:15 Uhr

Elsners Anwalt Wolfgang Schubert hatte noch ein paar Detailfragen an den Zeugen Leonhard Fragner. Um 13:15 Uhr fragt ihn die Richterin, ob er eine Bestätigung braucht dass er hier war. "Nein", sagt er, Bandion-Ortner bedankt sich dann für sein Kommen und verhängt die schon ebenso sehnsüchtig erwartete wie dringend nötige Mittagspause (bis 14:15 Uhr).

13:00 Uhr

Der Zeuge Leonhard Fragner ist nach wie vor Bawag-Mitarbeiter in der Kommerzkredit-Abteilung. Er kann sich erinnern, damals von Elsner einen Anruf bekommen zu haben, in dem ihm dieser aufgetragen hat, eine Aktennote zu verfassen. In dieser sollte etwas über eine kurzfristige Kreditgewährung drinnen stehen, mit bestimmten Laufzeiten und Sicherheiten. Dass die 61.500 Euro Sicherheit aus dem gewährten Kredit selbst stammten, wusste er nicht.

Wer hat ihm dann das Zessionsanbot und das Klagebegehren gebracht? Der Zeuge glaubt, dass das aus dem Generalsekretariat gekommen ist – also von Nakowitz.

Als der Kredit ausgelaufen war, rief ihn Kollege Götz (Leiter der Filiale Tuchlauben ebenfalls heute als Zeuge geladen) an. Er, Fragner, erhielt den Auftrag, mit der Mahnung an Gerharter zuzuwarten. Zwischenfrage von Bandion-Ortner: "Gibt es so genannte VIP-Kunden bei der Bawag?" - "Sicher", sagt Fragner.

Wie ist es dann zu dem Forderungsverzicht gekommen? Fragner sollte für Nakowitz aufnehmen, dass Gerharter darum ersucht hatte, auf die Forderung zu verzichten. Das wurde in einer Aktennote festgehalten, die an Kreuch ging. Es kam dann die Genehmigung zurück – ob von Kreuch oder vom Generalsekretariat, kann er nicht mehr sagen.

"Eine Unterschrift des Generaldirektors war für uns immer der Auftrag, etwas durchzuführen", sagt Fragner. Die Richterin fragt dann Nakowitz, was er von den Ausführungen des Zeugen hält? "Ich sag nocheinmal laut und deutlich: Ich habe keinerlei Veranlassungen getroffen." Wenn Fragner behaupte, er sei nicht zuständig gewesen, "dann will ich ausdrücklich auf meine Funktionen hinweisen."

Die Richterin: "Sie sagen also, der Zeuge lügt?" Nakowitz wird etwas lauter: "Das sage ich nicht! Ich lasse mich doch nicht falsch zitieren! Ich habe gesagt, er sagt nicht die Wahrheit, und das muss keine Lüge sein." Gelächter im Publikum, Nakowitz stößt sich daran: "Na, also bitte!" ruft er ihn Richtung der anwesenden Öffentlichkeit. Fragner irre möglicherweise in seinen Ausführungen, darauf kann er sich mit der Richterin einigen.

12:40 Uhr

Gerharters Anwalt Manfred Ainedter fragt Elsner dann: "Haben Sie irgendeine Erklärung dafür, warum der Dr. Gerharter behaupten sollte, am 12.3.2003 560.000 Euro von der Bawag bekommen zu haben?" – "Ja, das mag schon so sein. Aber das ist seine Schuld, nicht meine", sagt Elsner.

Der Auszahlungsbeleg wird an die Wand geworfen, Elsner sagt: "Ja, das ist der Schalterbeleg. Aber das beweist ja noch nicht, dass ich da dabei war." Er frage sich "wirklich, wie sich der Staatsanwalt das vorstellt. Ohne Sparbuch habe ich nichts zu beheben. Ich sage Ihnen nocheinmal: Wenn es sich so abgespielt hätte, dass ich am 12. März das Geld ausgezahlt hätte, und es am 5. März schon abgeschrieben hätte – da würde ich mich selbst strafrechtlich belasten."

Gerharter sagt, er wundert sich, "dass man solche Lügen auftisschen kann". Elsner kontert: "Ja, das wundere ich mich auch." Der Ex-Bawag-Chef weist noch darauf hin, dass das Sparbuch laut Akt bei der Durchsuchung von Gerharters Haus gefunden worden war. "Weshalb haben Sie dieses Sparbuch bei sich zu Hause gehabt?", fragt die Richterin Gerharter. "Weil es mir übergeben wurde. Gelocht" (also entwertet, Anm.).

Gerharter liest dann aus seinen Aufzeichnungen vor: Am 12.3.2003 wollte er mit Elsner über die Kreditkonten sprechen. Sein Vermerk hieß: "Über den Stand informiert – GD Elsner verlangt Auflösung der Sparkonten – Wird sodann bar behoben – Sparbuch entwertet". Nakowitz war laut Gerharter bei der Besprechung dabei.

Bandion-Ortner ruft über all diese Verwirrung hinweg den ersten Zeugen, Leonhard Fragner, in den Raum.

12:25 Uhr

Helmut Elsner kommt in den Saal. Er hat "zu keinem Zeitpunkt" privaten Kontakt zu Gerharter gehabt, erklärt er.

Schon 1999 habe Gerharter in Mödling einen Überziehungsrahmen bekommen, auf seine, Elsners, Vermittlung, hält ihm die Richterin vor. "Das kann schon sein", sagt Elsner. Hat er mit Gerharter 1999 und 2002 über die Verurteilungen gesprochen? "Nein, über die Verurteilungen nicht", sagt Elsner. Hat er Gerharter irgendwann gesagt, dass die Bawag ihm helfen werde? "Nein." War Gerharter einmal bei ihm im Büro? "Ja, das nehme ich jetzt aus den Unterlagen an." Erinnern könne er sich daran überhaupt nicht mehr, sagt Elsner.


"Ich bleib bei der Wahrheit", sagt Helmut Elsner heute.

"Ich bleib bei der Wahrheit", sagt Elsner dann als Antwort auf den Hinweis der Richterin, dass "ein Geständnis ein wesentlicher Milderungsgrund" wäre. Er will Gerharter das Geld nicht übergeben haben und auch beim damaligen Konsum-Chef Wiedey nicht im Sinne Gerharters interveniert haben, "den kenne ich gar nicht – wer ist das?"

Elsner sagt, sein "Ja, Elsner" unter dem Aktenvermerk sei lediglich ein Einverständnis gewesen. Die Abschreibung selbst sei erst für die Bilanz 2004 wirksam gewesen, und da sei er schon in Pension gewesen, hatte damit also nichts mehr zu tun. Gerharter habe ihm erzählt, er habe kein Vermögen mehr, seine Frau wolle sich von ihm scheiden lassen.

"Ist das üblich, dass ein Kredit durch einen Teil der Kreditsumme selbst besichert wird?" - "Das kann ich nicht sagen", so Elsner. Er könne im Übrigen auch mit dem Begriff "VIP-Kunden" nichts anfangen. "Den Begriff VIP hat’s bei uns in der Bank nicht gegeben. Es konnte auch ein Tischler zu mir wegen einem Kredit kommen." Es habe natürlich Kunden gegeben, die zu ihm ressortiert hätten, "aber der Herr Doktor Gerharter war da nicht dabei". Nach seiner Erinnerung habe er Gerharter lediglich an Fragner vermittelt, Nakowitz habe ihn dorthin begleitet.

Hat er gewusst, dass Gerharter ein ansehnliches Vermögen bei der Bawag hatte? "Na, eben nicht", sagt Elsner. "Anzunehmen, dass man im eigenen Haus recherchiert, ob der Kunden bei uns ein Vermögen hat – das ist etwas derart Ungewöhnliches, das ist bei uns überhaupt nie passiert."

Kann er sich daran erinnern, dass Gerharter im Jahr 2003 einmal ein hoher Bargeldbetrag übergeben wurde? "Nein, in meinem Büro sicher nicht", sagt Elsner. "Denn dann hätte ich ja Senilität im Endstadion. Das ist ja grotesk, wenn ich ihm vorher ein Geld gebe und das nachher abschreibe."

Warum behauptet Gerharter das dann, fragt Bandion-Ortner? "Das weiß ich nicht." Wenn er von Elsner Geld bekommen hätte, hätte er sich im Übrigen "vorher anmelden müssen."

Hat Gerharter einmal eine Tasche zurückgebracht, mit einer Bonbonniere drinnen? "Also, mir nicht. Ich hab aber gehört, dass er einmal Schokolade ins Sekretariat gebracht hat", sagt Elsner.

Die Richterin fragt Gerharter dann: "Wissen Sie noch, wie die Dame im Sekretariat ausgesehen hat? Männer merken sich das im Allgemeinen." Gerharter sagt, das war im Vorzimmer des Herrn Elsner, er kann sich aber nicht mehr daran erinnern.

11:45 Uhr

Kreuch ist fertig, Nakowitz betritt wieder den Saal. Die Richterin befragt ihn zu den Gerharter-Krediten.

Er sagt, er habe schon im Vorverfahren zu Protokoll gegeben, dass ihm die Kredite 1999 und 2002 nichts sagen würden. Er habe Gerharter damals lediglich gezeigt, wo der Mitarbeiter Fragner sitzt.

Hat er Gerharter irgendwann eine Tasche zur Verfügung gestellt? "Nein." Er habe von all diesen Ereignissen aus den Medien erfahren, sagt Nakowitz. Er habe auch keine Telefonate im Zusammenhang mit den Krediten geführt.

Leopold Fragner, der heute noch als Zeuge befragt wird, hat laut der Richterin im Vorverfahren ausgesagt, von Nakowitz ein Zessionsanbot vorgelegt bekommen zu haben und mit Nakowitz mehrmals bezüglich dieser Gerharter-Kredite telefoniert zu haben. Nakowitz verneint das alles und sagt sinngemäß, dass Fragner hier möglicherweise einen Schuldigen suche.

11:30 Uhr

Es geht weiter. Hubert Kreuch nimmt auf dem Zeugenstuhl Platz, Nakowitz und Elsner müssen noch ein bisschen draußen warten.

Wie ist es zu der Kreditvergabe gekommen? Fragner habe damals einen Aktenvermerk verfasst, und er habe diesen genehmigt, so Kreuch. Ein Sparbuch mit 61.000 Euro wurde als (Teil-)Sicherheit verwendet – „wussten Sie, dass dieses Sparbuch direkt aus dem Kredit stammte?“ Er weiß heute nicht mehr, ob er das gewusst hat, so Kreuch. Ihm sei erkärt worden, dass alles in Ordnung sei, und noch die formelle Genehmigung benötigt werden.

Der Forderungsverzicht im Jahr 2003 – weiß Kreuch davon? Ja, das sei ihm bekannt gemacht worden, er habe sich aber geweigert, die Genehmigung dafür zu erteilen. Wer wollte, dass er den Forderungsverzicht unterzeichnet? Da sei ihm von Fragner oder einem von dessen Mitarbeitern vorgelegt worden. Wer hat letztlich den Forderungsverzicht bewilligt? Das war Elsner, sagt Kreuch. Das Dokument hatte den Vermerk „Ja, Elsner“ bekommen.

Ist im Vorstand jemals besprochen worden, dass Gerharter in irgendeiner Weise geholfen werden sollte? Daran kann er sich nicht erinnern, so der Ex-Bawag-Vorstand. Er selbst sei dafür bekannt gewesen, "jedem Euro nachgerannt zu sein". Wenn der Forderungsverzicht nicht vom Kommerzvorstand (also von ihm) gezeichnet oder vom gemeinsamen Vorstand gezeichnet wurde, sei der Vorgang jedenfalls "nicht korrekt" gelaufen, erklärt Kreuch.

11:20 Uhr

Das Sparbuch mit den 553.000 Euro ist völlig ohne sein Zutun oder Wissen eröffnet worden, deshalb kann Gerharter Elsners Anwalt Schubert auch nicht darüber Auskunft geben, was mit dem Sparbuch nach der Eröffnung geschehen ist.


Zu welchen Personen des ÖGB hatte Gerharter eine besonder Beziehung wurde er gefragt: "zu allen. Ich war Mitglied des Bundesvorstands".

Zu welchen Personen des ÖGB hatte Gerharter eine besonder Beziehung, will Nakowitz’ Anwalt Rudolf Breuer wissen. "Mit allen. Ich war Mitglied des Bundesvorstands", berichtet Gerharter.

Die Richterin fragt Gerharter dann, ob sie das Heft mit seinen Aufzeichnungen haben kann? Der ziert sich etwas, sagt, er muss das zuerst mit seinem Anwalt besprechen. "Wir können es auch beschlagnahmen lassen", sagt Bandion-Ortner. Gerharter zeigt die Mappe daraufhin kurz seinem Anwalt Ainedter, dann bekommt es die Richterin.

Zehn Minuten Pause.

11:00 Uhr

Fünf Wochen später hat Gerharter einen Brief bekommen: Die Konten seien geschlossen worden. "Da hab ich überlegt: Ist das jetzt ein Verzicht?"

War er der Meinung, dass der gesamte Bawag-Vorstand das Ganze bewilligt hat, will Richterin Bandion-Ortner wissen? "Das hatte ich absolut", sagt der Angeklagte Hermann Gerharter. "Glauben Sie, durfte Ihnen die Bawag Geld schenken?" - "Ein Kredit darf abgeschrieben werden, wenn er notleidend ist", spricht der Jurist aus Hermann Gerharter. Ihm selber ist das Ganze aber nicht sauber vorgekommen. "Ich war froh, dass man mir geholfen hat mit den Krediten, aber ich hätte nicht mehr mittun sollen, als diese Abschreibung gekommen ist", räumt er ein.

Dann fragt Staatsanwalt Krakow: "Wer vom Vorstand hat verlangt, dass die Sparguthaben aufgelöst werden sollen? Können Sie das präzisieren?" – "Elsner", sagt Gerharter. Nakowitz habe ihm die Tasche gebracht, dieser habe aber "in der Sache, mit der Entscheidungsfindung" ansonsten nichts zu tun gehabt. "Hat Nakowitz gewusst, worum es geht?", fragt Krakow. "Das weiß ich nicht", antwortet Gerharter. "Wie soll ich wissen, was er weiß?"

10:45 Uhr

Gerharter sitzt im dunklen Anzug mit überkreuzten Beinen auf dem Zeugenstuhl und blättert manchmal in den bunten Unterlagen auf seinem Schoß herum.

2002 habe er neuerlich einen Kredit beantragt. Elsner habe ihn im Juni 2002 angerufen und ihm gesagt, dass mit dem Vorstand der Bawag alles abgesichert sei – "auch wenn ich (Elsner) einmal nicht mehr da bin".

Die Richterin will dann wissen: "Die Bawag wird dich von dieser Last befreien – wann und wo ist dieser Ausspruch gefallen?" – 2001 habe ihm Elsner gesagt, dass die Bawag ihm diese Sache abnehmen werde, so Gerharter. "Was hat er damit gemeint?" – "Gemeint haben kann er damit nur die Kosten. Ich habe nämlich erkärt, dass ich an die zwei Millionen an Kosten haben werde" – was dann ja nicht gestimmt habe, so Gerharter, es war ja viel mehr.


Keine Veranlassung hätte er gehabt zum Staat zu sagen: "Bitte, darf ich endlich zahlen?" so Gerharter heute.

2002 habe ihm Richterin Bandion-Ortner (die auch schon den Konsum-Prozess leitete, Anm.) dann 8 Mio Schilling an Verfahrenskosten zur Zahlung aufgebrummt (ca. 582.000 Euro). "Warum diese Kosten erst 2006 eingetrieben wurde, entzieht sich auch meiner Kenntnis", räumt die Richterin ein. "Ich hab keine Veranlassung gehabt, zum Staat zu sagen: Bitte, darf ich endlich zahlen?", sagt Gerharter dazu.

Am 11.2.2002 habe er Elsner am Telefon mitgeteilt, dass er damit rechnen müsse, 8 Mio. ÖS zu zahlen. Elsner habe ihm gesagt: "Ich helfe dir, aber ich gehe bald in Pension." Gerharter habe den darauffolgenden Kredit als ebensolchen gesehen, Elsner habe das bei seiner Pensionierung offenbar irgendwie bereinigen wollen, sagt Gerharter.

Am 6. Juni 2002 war Gerharter bei Elsner im Büro (insgesamt war er dort dreimal, und viermal hat er mit Elsner telefoniert, erklärt Gerharter). Er hat Elsner gesagt, dass er zu geeigneter Zeit einen Kredit brauchen wird. Einen Tag später sei er dann zu einem Herrn Fragner (Leopold, Anm.; er ist für heute als Zeuge geladen) geschickt worden, Nakowitz sei mitgegangen ("Ich hab ja immer nur den Sitzungssaal der Bawag gekannt, und das Büro des Generaldirektors"). Dort habe er dann ein paar Dokumente unterschrieben. "Ich wollte den Kredit haben" – "Und Sie wollten ihn auch zurückzahlen?" – "Natürlich." - Gab es eine Laufzeit, fragt die Richterin? "Nein."

Das Geld wurde dann geteilt: 553.500 Euro wurden auf ein Sparbuch eingezahlt, 61.500 auf ein anderes. "Ist Ihnen das als Jurist nicht seltsam vorgekommen?" Nein, sagt Gerharter, er hat Elsner vertraut.

Von Fragner seien dann sowohl Zwettler als auch Kreuch über den "Vorgang" informiert worden, zitiert Gerharter dann aus seinen Aufzeichnungen. "Also über den Kredit?", will die Richterin präzisiert haben, Gerharter spricht nochmal vom "Vorgang".

Am 12. März 2003 sei er dann nochmals bei Elsner gewesen, "habe ihm geschildert, welchen Stand das Verfahren jetzt hat", und Elsner habe ihm da gesagt, dass Nakowitz in den Vorstand nachrückt und dieser die Auflösung seiner (Gerharters) Sparvermögens verlange. "Wieso", fragt die Richterin, und Gerharter hat eigentlich auch keine Antwort darauf. "Ich hole das nicht", habe er Elsner gesagt. "Das kam dann, und wurde mir lose übergeben", sagt Gerharter, und sorgt mit seinem Sager, dass er das Geld zunächst "scheu angesehen" habe, für gehöriges Gelächter im (zahlreich erschienenen) Publikum.

"Bringt’s a Toschn", habe Nakowitz dann jemandem gerufen. "Es war also kein Plastiksackerl?", fragt die Richterin. Nein, die habe es nie gegeben, sagt Gerharter. "Es war eine Ledertasche", sagt die Richterin, und Gerharter berichtigt sie aber: "Es war eine billige Tasche aus Plastik", und das Publikum ist nicht mehr zu halten.

"Ich hätte mich rühren sollen", sagt Gerharter reumütig. "Es war vereinbart: Zahle, wenn du selber zahlen musst."

Er sei mit dem Geld dann von der Bawag weg zu einer anderen Bank gegangen, das Geld dort auf den Tisch gelegt "und denen erzählt, was das für eine Bewandtnis hat. Weil die wollten das ja gar nicht nehmen." Das Publikum würde jetzt dringend eine Pause benötigen, doch Richterin Bandion-Ortner will noch mehr von Gerharter wissen.

10:10 Uhr

Die Richterin schickt Elsner, Nakowitz und Kreuch aus dem Saal. Gerharter sitzt nach wie vor in der Mitte. Er bekennt sich schuldig, wiederholt er auf die entsprechende Frage der Richterin das, was schon sein Anwalt bekannt gegeben hat.

Gerharter habe sich gegen etwaige Prozesse wappnen müssen, erzählt er. Aus dem Vergleich mit dem Konsum habe er zwar 17 Mio. Schilling bekommen – das sei "jedenfalls mehr als genug gewesen, um diese ohnehin hohen Prozesskosten zu bezahlen". Er hat trotzdem einen Kredit genommen, weil das Geld veranlagt war.

Die Kontaktaufnahme zu den Bawag-Spitzen sei folgendermaßen vonstatten gegangen: Er sei 2000 angerufen worden, dass er ins Büro von Elsner kommen solle. Er sei von Elsner gefragt worden, was er vom Konsum-Urteil halte. Was Elsner zum Urteil gesagt hat, will Gerharter heute "aus Rücksicht" auf Richterin Bandion-Ortner ("Vielleicht bringe ich Ihnen Schwierigkeiten ein") nicht sagen. Nur soviel: Das sei "nicht in Ordnung" gewesen.

Das erste Angebot des Konsum für eine Vorstandsablöse – sechs Mio. Schilling – habe er abgelehnt. Nach einer Intervenierung Elsners habe er dann mit dem Konsum einen Vergleich geschlossen und die schon erwähnten 17 Mio. Schilling auf ein Konto bei der Bawag überweisen lassen.


Mit Elsner oder Nakowitz habe er "niemals vereinbart, dass das Geld abgeschrieben wird", das habe sich so ergeben, erzählt Gerharter heute und er wisse bis heute nicht, warum.

Elsner habe ihm dann einen Herrn "Hartl oder so" in der Bawag empfohlen, der ihm beim Veranlagen helfen könnte. Die Richterin, etwas stutzig: "Hat der vielleicht Hackl geheißen?" – "Ja, das kann sein", sagt Gerharter, der war aber schwer zu erreichen, "ich habe den nie gesehen".

Mit Elsner oder Nakowitz habe er "niemals vereinbart, dass das Geld abgeschrieben wird", das habe sich so ergeben, erzählt Gerharter, und er wisse bis heute nicht, warum das so passiert ist (Gelächter im Publikum).

"Warum soll mir die Bawag acht Millionen Schilling schenken?", kann sich Gerharter heute die Vorgänge in der Bawag auch nicht erklären. „Vielleicht wollte man demonstrieren, wie machtvoll man ist.“

9:50 Uhr

"Die Wurzeln liegen in der Konsum-Geschichte", erklärt Gerharters Anwalt Ainedter zu Beginn. Sein Mandant Gerharter sei damals zweimal zu Unrecht verurteilt worden, davon sei er auch heute noch überzeugt, so Ainedter. "Die ganze Geschichte hat meinen Mandanten 1,3 Mio. Euro gekostet", so Ainedter.

"Die Bank wird dich nicht im Stich lassen", habe die Bawag Gerharter signalisiert, so Gerharters Verteidiger Manfred Ainedter. Und er räumt ein: "Das rechtmäßige Alternativverhalten wäre gewesen, dass er (Gerharter, Anm.) das Geld nicht nimmt."

2006 seien dann von der Bawag die Gebühren vorgeschrieben worden, Gerharter habe den Betrag sofort eingezahlt. Und er hätte dies auch schon früher getan, wenn die Bawag dies von ihm verlangt hätte, so der Anwalt.

Gerharter bekenne sich als schuldig im Sinne der Anklage, schließt Ainedter seine Ausführungen.

Dann kommt Elsners Anwalt Schubert an die Reihe: "Warum hätte die Bawag dem Herrn Dr. Gerharter Geld schenken wollen?" Eine von Ainedter so bezeichnete "moralische Verpflichtung" der Bank sehe er nicht, es gebe auch keine private Verbindung zwischen Elsner und Gerharter gegeben – "keine private Verpflichtung, kein privater Kontakt, der Herr Dr. Elsner kennt die Gattin des Herrn Gerharter nicht, und nach meinen Informationen kennt auch Dr. Gerharter die Gattin des Herrn Elsner nicht".


Keine private Verbindung zwischen Elsner und Gerharter (hier auf einem Archivbild) ortet Elsner-Anwalt Schubert.

Gerharter habe zu entscheiden gehabt zwischen Betrug und Beihilfe zur Untreue, "und er hat sich ganz offensichtlich für jene Variante entschieden, die ihm höchstwahrscheinlich die geringere Strafe einbringen wird."

Dass der Kredit 2002 von Elsner vergeben worden sei, "widerspricht im Übrigen der Aktenlage und ist daher falsch." Es gebe auch keinen Forderungsverzicht der Bawag, und deshalb kann es keinen Schaden für die Bawag geben. "Herr Elsner bekennt sich deshalb als nicht schuldig."

Auch Nakowitz’ Anwalt Breuer plädiert für seinen Mandanten mit "nicht schuldig".

9:20 Uhr

Richterin Bandion-Ortner beginnt die heutige Verhandlung. Auf der linken Anklagebank sitzen Hermann Gerharter, Helmut Elsner und Johann Zwettler (sowie ein Justizwachebeamter zwischen Elsner und Gerharter). Rechts (im so genannten "Westflügel") sitzen Nakowitz, Büttner, Kreuch und Schwarzecker.

Die Richterin hatte schon angekündigt, dass heute nur die ehemaligen Bawag-Vorstände anwesend sein müssen. Das Verfahren gegen Flöttl, Weninger und Reiter wird für den heutigen Tag ausgeschieden.

Gerharter wird in die Mitte gerufen. Sein Hauptwohnsitz ist in Maria Enzersdorf, den Nebenwohnsitz in Graz, den Bandion-Ortner vorliest, hat er schon seit einigen Jahren nicht mehr. Seine Pension beträgt 1.680 Euro, er besitzt 6/7 des Hauses, in dem er mit seiner Gattin wohnt.

Gerharter hat zwei Vorstrafen: Im November 2000 wurde er wegen Krida zu zehn Monaten bedingt und 180.000 Schilling bestraft. Im Dezember 2002 wurde er wegen betrügerischer Krida zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten bedingt verurteilt. "Probezeiten waren jeweils drei Jahre, diese Strafen sind also nachgesehen", erklärt Bandion-Ortner.

Dann hebt Staatsanwalt Krakow zu seinem Eröffnungsplädoyer an.

Nach der Strafprozessordnung müssen verurteilte Angeklagte die Kosten für das Strafverfahren tragen, erklärt Krakow. Gerharter musste die Kosten für die Konsum-Strafsachen übernehmen, die Bawag gewährte ihm dazu einen Kredit.


Elsner übergab laut Staatsanwalt Krakow Gerharter das Geld in bar.

Der Großteil davon - 550.000 Euro - wurden auf ein Sparbuch gelegt, das nicht verpfändet wurde. "Februar/März 2003 rief Elsner Gerharter an und riet ihm, er solle seine Gelder von der Bawag abziehen, denn er werde nicht mehr lange Generaldirektor sein." Die Bank werde ihn von seinen Lasten befreien. Am 5. März wurde der Kredit als uneinbringlich abgeschrieben. Sieben Tage später übergab Elsner laut Krakow Gerharter das Geld in bar. Ein paar Tage später teilte die Bawag mit, dass die Konten abgedeckt seien.

"Insgesamt beläuft sich der Schaden der Bawag damit auf 707.000 Euro", so Krakow. "Es ist den Organen einer Aktiengesellschaft nicht erlaubt, Vermögen der AG einfach zu verschenken. Das ist aber hier geschehen."

Gegen Elsner beantrage die Staatsanwaltschaft deshalb eine Verurteilung wegen Untreue, gegen Gerharter wegen Beitrags zur Untreue. Als Beitragstäter gilt für Krakow Peter Nakowitz: "Er war bei den entsprechenden Besprechungen in Elsners Zimmer dabei."