Jedes Jahr um diese Zeit fragen sich die Israelis, ob sie die Lehren aus dem Rabin-Mord gezogen haben. Aber der Umstand, dass gerade in diesen Tagen des Erinnerns an den legendären Staatsmann ein Kind seines Mörders auf die Welt kommen wird, hat der Debatte einen merkwürdigen Anstrich gegeben.

Am 4. November 1995 ist der damalige Premier Yitzhak Rabin nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv von Jigal Amir, einem rechtsgerichteten Studenten, der die Übergabe von Land an die Palästinenser stoppen wollte, erschossen worden. Nach dem jüdischen Kalender war am Mittwoch der zwölfte Jahrestag des Attentats, der mit einer staatlichen Zeremonie beim Grab auf dem Herzlberg, einer Sondersitzung im Parlament, Versammlungen in den Schulen und Sondersendungen im Fernsehen begangen wurde. Was aber bei vielen Unbehagen auslöst, ist die intensive Beschäftigung mit Amir, der, inzwischen 37 Jahre alt, eine lebenslängliche Haftstrafe verbüßt. Ein bisschen dazu beigetragen hat auch die Polizei, die vor zwei Tagen erstmals Videoaufnahmen vom Verhör in der Mordnacht freigab. Und nun wartet man auf die Geburt von Amirs erstem Kind und darauf, ob er danach Hafturlaub bekommen wird. Man hatte es Amir nicht verwehren können, aus der Zelle heraus eine Art Fernehe einzugehen und dann von seiner Frau besucht zu werden, einer extrem nationalistischen Dozentin namens Larissa Trimbobler.

Für sie ist es ein Grundrecht, dass ein Häftling bei der Namensgebung seines Sohnes anwesend sein darf. Vor einigen Jahren wurde in Israel ein Gesetz beschlossen, das eine vorzeitige Entlassung für den Mörder eines Premiers ausschließt. Doch der Armeechef beklagte erst gestern, dass viele junge Israelis die Begnadigung Amirs befürworten. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.10.2007)