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Kichern, lachen, gackern: Hillary Clinton will nicht nur kühl und kompetent, sondern mit aller Gewalt auch locker wirken.

Foto: Reuters/Larry Downing
Niemand im US-Wahlkampf polarisiert so stark wie Hillary Clinton. Ihre Wahlkampfstrategen versuchen, die taffe Politikerin, die am Freitag 60 Jahre alt wird, mit allen Mitteln weichzuzeichnen.

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Charlottesville – John Grisham sitzt in seinem Sessel und hört schmunzelnd zu. Dabei sagt die Kandidatin gar nichts, sie kichert nur. Kichert und kichert, will gar nicht aufhören. Ein ausgelassenes Gegacker ist das, irgendwie mädchenhaft, dieses „Clinton Cackle“. Das Markenzeichen, mit dem Hillary Clinton ihre neue Leichtigkeit unter Beweis stellen will. Losprustend will sie beweisen, dass sie nicht nur präsidial ist, kompetent und informiert, sondern auch spontan und fröhlich sein kann. Dass sie nicht mehr die kühle, oft verbissene Lady ist, wie sie die Amerikaner aus ihrer Zeit als Präsidentengattin zu kennen glauben.

Sie lacht sich fast schief, als ein junger Mann namens Matthew Destano aus dem Saal heraus fragt: „Ähhm, wie wird eigentlich Ihr Mann genannt, wenn Sie Präsidentin sind? First Gentleman? First Friend? First Laddie?“ First Laddie, haha, jauchzt Hillary, das wäre ja schottisch (für Kerl, Anm.). Aber ja, eine interessante Frage sei das, so eine Konstellation habe es schließlich noch nie gegeben in Washington. „Weißt Du was, ich nenne ihn Bill.“

Im Paramount-Theater in Charlottesville, Virginia, vor Wandbildern, auf denen Romeo und Julia vor Zypressen schmusen, kann man die 60-Jährige von einer Seite erleben, die den Amerikanern lange verborgen blieb. Hier wird sie nicht angegriffen, hier malen sie das C in Clinton nicht als Sichel mit dazugehörigem Hammer, wie es eingefleischte Hillary-Feinde tun, die sie zur Stalinistin sowjetischen Stils verreißen.

Hier erinnert man sie nicht ständig an die Fettnäpfchen, in die sie früher trat, nicht an Bills Kampagne von 1992, als sie die Frage nach ihrem Job in einer Anwaltskanzlei mit der schnippischen Antwort bedachte: „Ich hätte wohl auch zu Hause bleiben können, Plätzchen backen, Tee trinken“. Deshalb schickten ihr wütende Hausfrauen damals Päckchen voller Plätzchen, deshalb feilen ihre Berater heute am Image einer runderneuerten, mütterlichen, herzlichen Hillary. Und deshalb hat Grisham, der sympathisierende Bestsellerautor, mit Bill über drei Ecken verwandt, sie ins Theater geladen: „Ich werde keinen Müll fragen, wie Mister O’Reilly (ein konservativer Fernsehmoderator, Anm.) es tut.“

Man plaudert locker, über schlechte Frisuren, zu auffällige Juwelen, altmodische Kleider, die kleinen Schwächen der Senatorin. Es geht darum, welche Baseballmannschaft sie unterstützt, die Chicago Cubs ihrer Heimatstadt oder die New York Yankees ihrer politischen Wahlheimat. Die diplomatische Antwort: „In Chicago die Cubs, in New York die Yankees“. Stehende Ovationen, als die Clinton ihre große Linie skizziert: „Die Ära der Cowboy-Diplomatie ist vorbei. Amerika hat genug von diesem gefährlichen Experiment mit dem Extremismus. Wir wollen unser Land wiederhaben!“

Dies ist ein Heimspiel für sie. Der Eintritt kostet 30 Dollar, in den Reihen sitzen die Frauen der Babyboomer-Generation, viele Lehrerinnen, Frauen, die sich eins mit ihr fühlen, die stolz auf sie sind. Dass die Kandidatin auch Widerspruch erntet, würde man im plüschigen Saal gar nicht merken. Man merkt es nur an den Postern, draußen auf den gepflegten Fußgängerpassagen. „Hillary im Bett mit dem Business!“ „Illegale Attacke gegen Iran – Hillary sagt: Liegt auf dem Tisch.“ Im Schatten der protestierenden Linken steht ein Republikaner mit Cowboystiefeln und handbemaltem Poster: „Allgemeine Krankenversicherung gleich allgemeine Steuererhöhung.“ „Ein Clinton ist genug“, fordert sein Nachbar.

Es sind die Argumente, die noch heftig auf die frühere First Lady einprasseln werden, wenn sie denn die Vorwahl der Demokraten gewinnt und sich erst mit dem Spitzenmann der Republikaner duelliert. All die Spitzen, bisher haben sie ihr nichts anhaben können. Auch der Vorwurf, sie sei nicht wählbar, weil sie zu stark polarisiere, perlt stets an ihr ab. Etwa die Hälfte der Demokraten, variierend je nach Umfrage, stärkt ihr den Rücken, nur noch 20 Prozent unterstützen den Blitzstarter Barack Obama.

„Jeder hier sagt, das ist die neue Präsidentin“, meint Bruce McClelland, ein Mittfünfziger, auf dessen T-Shirt ein bärtiger Bill Clinton prangt, der Bill Clinton der Oxforder Studentenzeit. „Meine Frau sagt, sie ist so klug, so professionell, ganz klar, dass sie gewinnt. Stimmt alles, die Leute mögen sie, sie kann auf einmal sehr charmant sein.“ Und was sagt er selber? „Ehrlich, meine Stimme bekommt Obama. Der ist frischer. Hillary hat die größere Kundenkartei, Barack hat eine echte Vision.“ (Frank Herrmann/DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.10.2007)