Ansichtssache: Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Am Mittwoch wurde im Bawag-Prozess erörtert, wie man sich von einer Bank 700.000 Euro aufdrängen lässt. Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter, der bei der Bawag fast eine Million Euro auf der hohen Kante hatte, schilderte den "Plastiksackerlkredit" aus seiner Sicht – Elsner und er ziehen einander der Lüge.

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Wien – Der 41. Verhandlungstag im Bawag-Prozess, der Auftritt von Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter als zehnter Angeklagter (Thema: "Plastiksackerl-Kredit"), verwandelte den Großen Schwurgerichtssaal am Mittwoch in eine Bühne für absurdes Theater. Der Prolog war ernst, Staatsanwalt Georg Krakow trug aus der Anklage vor: Gerharter brauchte nach dem Konsum-Ausgleich und zwei strafrechtlichen Verurteilungen daraus Geld für die Verfahrenskosten. 615.000 Euro seien ihm als Kredit von Elsner persönlich gewährt worden und auf zwei Sparbüchern gelandet, eines davon (61.500 Euro) habe als Sicherheit für den Kredit gedient, ebenso eine Forderung auf Ansprüche, die sich Gerharter aus einem Zivilprozess erhoffte (den er freilich verlor). Am 5. März 2003 habe Elsner die Abschreibung des Kredits verfügt, Gerharter eine Woche später in einer Plastiktasche 550.000 Euro übergeben, im April sei Gerharter mitgeteilt worden, dass seine Konten geschlossen seien; "in einem Aufwaschen mit 130.000 Euro Konto-Überziehung". Gesamtschaden: 707.000 Euro, Untreue für Elsner und Peter Nakowitz, der geholfen habe ("Es ist dem Vorstand nicht erlaubt, Vermögen einer AG einfach zu verschenken"); Beihilfe für Gerharter, der sich am Mittwoch schuldig bekannte (die beiden anderen nicht). Gerharter hat das Geld heuer zurückgezahlt.

Elsner empört: "Wenn ich das so gemacht hätte, würde ich mich selbst strafrechtlich verurteilen und hätte Senilität im Endstadium. Mir hat Gerharter damals erzählt, er sei wirtschaftlich am Ende", von einer Barauszahlung weiß er gar nichts. Nakowitz behauptete, Zeuge und Kreditabwickler Leonhard Fragner, der die Anklage bestätigte, Elsner und Nakowitz belastete, "sagt die Unwahrheit". "Lügt er?" wollte die Richterin wissen – "er sagt die Unwahrheit, kann sich auch irren", wich Nakowitz aus (falsche Zeugenaussage ist strafbar).

"Hatte mehr als genug Geld"

Die Schilderungen des 68-jährigen Ex-Konsum-Chefs und Juristen, der alles andere als chronologisch, aber dank seiner Unterlagen exakt berichtete, amüsierten das Publikum sehr. Gerharter sagte aus, er hätte sich wegen der Verfahrenskosten "für einen hohen Betrag wappnen müssen", 2000 aber auch rund 17 Mio. Schilling aus seinem Abfertigungsvergleich zu seinen Pensionsansprüchen bekommen (die Konsum-Pensionisten mussten um ihre Ansprüche jahrelange prozessieren; Anm.). "Ich hatte mehr als genug Geld für die Zahlungen. Aus einer Marotte heraus habe ich das aber nicht angreifen wollen und für meine Altersversorgung bei der Bawag angelegt." Für seine Abfertigung habe Elsner beim damaligen Konsum-Chef Jan Wiedey interveniert, "er hat mir gesagt, er werde das mit dem Konsum regeln, habe den Auftrag vom ÖGB dazu". (Ex-ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch dazu: "Der ÖGB hatte mit dieser Angelegenheit nie etwas zu tun.") Dann wurde der Kredit vereinbart, mit 4,75 Prozent Zinsen, "ich habe alle Unterlagen, die man mir vorgelegt hat, unterschrieben, ohne alles zu lesen, mein Vertrauen war himmelhoch". Dass das Geld auf zwei Sparbüchern gelandet ist, habe er nicht gewusst, "ich habe Elsner voll vertraut".

2002 habe ihm die Justiz dann die Gerichtskosten vorgeschrieben (geholt man sie sich freilich erst heuer), "ich habe schon das Zittern gekriegt". Im Februar habe er darüber Elsner verständigt, "er hat mich beruhigt mit den Worten: Ich bring das schon unter". Den Tag der Übergabe in Elsners Büro und Nakowitz' Beisein schilderte Gerharter so: Elsner habe ihn aufgefordert, sein Geld abzuholen, "ich habe gesagt: Ich will es nicht, ich brauch es nicht".

Daraufhin habe Elsner den Auftrag gegeben, das Geld von unten zu holen, und es kam auch, "man hat es lose gebracht, ich habe es scheu angeschaut". Elsner habe dann eine "dieser billigen, großzügigen Taschen bringen lassen und mir gesagt, auf welche Bank ich es bringen sollte. Ich habe das Geld reingestopft, gar nicht nachgezählt, die Tasche war prall gefüllt." Letztlich habe er das Geld eben einer anderen Bank gebracht, beim Zurückgehen eine Bonbonniere gekauft und die Tasche im Vorzimmer von Elsner mit bestem Dank zurückgegeben. "Dass ich dann den Forderungsverzicht angenommen habe, war ein Fehler. Mir kam das alles nicht sehr sauber vor, ich hätte nicht mehr mitspielen sollen." Die Bawag schrieb den Kredit noch 2003 ab. Wie er sich erkläre, dass die Bank ihm das Geld geschenkt habe? Gerharter, der einst 15.200 Mitarbeiter geführt hatte und einen Konzern mit 700 Mio. Euro: "Vielleicht hat man mir zeigen wollen, wie machtvoll man ist." Und Elsner, auf die Frage, ob er nicht gewusst habe, dass Gerharter zur Zeit der Abschreibung fast eine Million Euro auf der Bank hatte: "Im Haus zu recherchieren, ob da irgendwo noch etwas da ist, das ist doch völlig ungewöhnlich, nie passiert." (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.10.2007)