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Zur Person: Wladimir A. Schizow (54) war nach mehreren Botschafter-Posten in Europa und der OSZE in Wien von 2002 bis 2004 stellvertretender russischer Außenminister. Seit 2005 leitet er die russische Vertretung bei der EU in Brüssel.

Foto: AP /Thierry Charlier
Die Beziehungen der EU zu Russland sind vor dem Gipfeltreffen am Freitag in Portugal gespannt. Moskaus EU-Botschafter Wladimir A. Schizow sprach darüber mit Michael Moravec.

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STANDARD: Beim Gipfeltreffen Russland/EU am Freitag steht vor allem das Thema Energiepolitik im Mittelpunkt. Die Union wirft Russland vor, seinen Markt abzuschotten, und Russland hat den Vorschlag der EU-Kommission, Übernahmen im Energiebereich durch Unternehmen aus Drittstaaten wie Gasprom zu reglementieren, scharf kritisiert. Ein weiter Weg bis zur Energiepartnerschaft?

Schizow: Beim Gipfel wird es um viele strategisch wichtige Themen gehen, aber die Energiepolitik ist sicher eines der wichtigsten. Der Vorschlag der EU-Kommission wird von den Mitgliedstaaten sicher noch deutlich abgeändert werden. Die EU ist ja da nicht immer einer Meinung. Aber wir beobachten die Substanz des Vorschlages in der Zwischenzeit ganz genau. Das Wort Protektionismus wird zwar in der EU möglichst vermieden, aber die "nationalen Champions" oder EU-Champions" sind ja keine russische Erfindung.

Wir leben in einer globalisierten Welt. Aber die Behinderung von Unternehmen, in den EU-Markt eintreten zu können, hat sicher nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Wer so wie russische Unternehmen hohe Summen in Pipelines investiert, muss auch sicher sein können, dass seine Produkte auch noch in 15 Jahren gefragt sind. Sonst rechnet sich das nicht.

STANDARD: Aber Unternehmen wie Shell, die in den Ausbau russischer Förderanlagen etwa in Sachalin investierten, wurden von heute auf morgen ausgesperrt.

Schizow: So würde ich das nicht beschreiben. Da waren Klagen von russischen Umweltbehörden. Nicht nur gegen Shell, sondern auch gegen russische Unternehmen. Zum anderen wurden Zusagen aus den frühen 90er-Jahren, was Renditen und die Fertigstellung betraf, nicht eingehalten.

STANDARD: Polen blockiert das EU-Verhandlungsmandat wegen des Fleischexportstreites. Russland meint, die Qualität sei ungenügend. Manche Beobachter im Westen halten das für eine Bestrafung Polens für seinen pro-westlichen Kurs, etwa in der Frage des US-Raketenschildes.

Schizow: Die Sache ist viel einfacher: Was wir aus Polen bekommen, ist weder polnisch noch Fleisch. Da kommt mit Fischmehl vermengtes Knochenmehl etwa von indischen Büffeln als Tierfutter zu uns, das ist in der EU genauso verboten wie in Russland, da es der beste Überträger von Rinderwahn ist. Und dazu sagten einige Mitglieder der nun scheidenden Regierung, es sei alles Politik. Das ist es nicht. Es geht um die Gesundheit.

Polen hat seine gesamten tierärztlichen und hygienischen Kapazitäten für den Fleischexport in die EU abgestellt. Was aus der EU hinausgeht, interessiert dort nicht. Die polnische Regierung wollte das mit uns nicht einmal besprechen. Sie sagten, das sei ein Problem zwischen Russland und der EU.

STANDARD: In Österreich wird immer wieder über die Neutralität diskutiert. Manche sehen sie als Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges, andere meinen, sie sei durch die Pläne für den US-Raketenschild in Polen und Tschechien nach wie vor aktuell. Wie sieht das Russland?

Schizow: Österreich ist doch mit der Neutralität immer gut gefahren, warum sollte sie aufgegeben werden? Die Neutralität kann wieder aktuell werden. Das Raketenschild, so hat das der polnische Premier kürzlich zugegeben, ist als Schutz für Polen und gegen Russland gerichtet.

STANDARD: Wird sich die Reaktion Russlands gegen die EU als Einheit oder gegen die einzelnen Staaten richten? Schizow: Ich hoffe, es kommt nicht so weit. Aber es hängt davon ab, inwieweit sich die EU mit dem Projekt identifiziert. Distanziert sich die EU, muss sich niemand fürchten.

STANDARD: Auch die Kosovo-Frage wird ein Gipfelthema. Ist Russland weiterhin strikt gegen die Unabhängigkeit der Region? Was kommt nach der Deadline, dem 10. Dezember, wenn sich der Kosovo einseitig als unabhängig erklärt?

Schizow: Es kommt der 11. Dezember. Russland ist vor allem gegen einseitige Lösungen, denn die funktionieren nie. Wir brauchen eine Verhandlungslösung. Das Mandat kann über den 10. Dezember hinaus ausgedehnt werden. Sonst habe wir in allen anderen ähnlichen Fällen bald große Probleme: von Spanien bis Zypern, von Tibet bis Taiwan. (DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.10.2007)