Hochkompliziertes Verführungsspiel: Jeanne Balibar und Guillaume Depardieu in Jacques Rivettes Balzac-Adaption "Ne touchez pas la hache"

Foto: Viennale

Eine karg ausgestattete Kirche hoch oben auf einem Felsen über dem Meer. Ein Mann besucht die Messe. Nachts sucht er vergeblich Zutritt zu einem Nonnenkloster, das dort ebenfalls angesiedelt ist. Eine List ermöglicht ihm schließlich eine kurze Unterredung mit einer der geistlichen Schwestern. Dann fällt der Vorhang.

Ne touchez pas la hache basiert auf einem Roman von Honoré de Balzac. Sein Kollege Eric Rohmer habe ihm die Lektüre des französischen Klassikers schon in den 50er-Jahren empfohlen, wenn er sich fürs Kino interessiere, sagt Regisseur Jacques Rivette. Anders als bei Balzacs Le chef-d'oeuvre inconnu, das dasselbe Drehbuchteam - Rivette, Pascal Bonitzer und Christine Laurent - in die Gegenwart transponierte (La belle noiseuse, 1990), wurde diesmal der zeitliche Rahmen der Geschichte, die in der Zeit der Restauration angesiedelt ist, gewahrt:

Antoinette de Langeais (Jeanne Balibar) ist dem Offizier Armand de Montriveau (Guillaume Depardieu) vor fünf Jahren bei einer Abendgesellschaft begegnet. "Er könnte amüsant sein" - sie lässt sich ihm vorstellen. Es entspinnt sich ein Gespräch, und Montriveau fasst seinerseits den heimlichen Entschluss, die verheiratete Herzogin zu erobern.

Intrigen, Maskeraden

Schon dieses Kennenlernen steckt ein Terrain ab - auf der Ebene der Erzählung wird das doppelte Verführungsspiel initiiert, das sich entlang von Anziehung, Einladung und Zurückweisung, von gesellschaftlichen Kodes und Ritualen, von Intrigen und Maskeraden zum intensiven Melodram steigert. Auf der Ebene der Inszenierung wird jenes physische Gewicht von Räumen, Dekors, Kostümen eingeführt, das die Wahrnehmung des Films nachdrücklich prägt, auch akustisch (Schritte auf Steinböden, knarzendes Holz im Kamin etc.).

Ne touchez pas la hache ist ein moderner Kostümfilm, in dem sich Atmosphären oder auch Haltungen und Gesten aus bestimmten Schnitten oder Gebrauchsweisen von Zimmerfluchten, Kleidern oder Mobiliar ergeben.

Nicht zuletzt wird der Film allerdings von jenen getragen, die in diesem räumlichen und sprachlichen Ambiente agieren - allen voran die beiden Hauptdarsteller Jeanne Balibar und Guillaume Depardieu. Ihre Feinarbeit lässt die Erzählung beständig changieren: zwischen ihrer Künstlichkeit, Fremdheit, die Distanz schafft (ein Aspekt, zu dem auch die Dramaturgie der lakonischen Zwischentitel beiträgt), und einer intensiv empfundenen Melodramatik.

Rivette bleibt wie in vielen seiner Filme auch in dieser 137-minütigen Arbeit dem Theater als Resonanzboden verbunden. Und der bald 80-jährige Veteran der französischen Nouvelle Vague erweist sich damit nach wie vor als einer der eigenwilligeren Filmautoren der Gegenwart. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.10.2007)