Mit Vampirzähnchen grinst das kleine Wesen in die Kamera. Und weil es aussieht, als sei es aus einem Jutesack zusammengenäht, zieht es in schneller Folge ein königliches Gewand an, ein chinesisches Drachenkostüm, und zum Schluss kommt noch ein Sombrero auf den Kopf - passt! Schnell noch zwei Augen gegen ein Auge getauscht, schon zieht das Wesen los. Springt als Zyklop auf dem Bildschirm durch fantastische Gegenden. Diese sind, genau wie das Figürchen selbst, gerade per Knopfdruck hergestellt worden - von Spielern.

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""Little Big Planet"" heißt das Spiel, und es soll nächstes Jahr für die PlayStation 3 erscheinen. Im Mittelpunkt steht nicht das, was sich die Entwickler vorgestellt haben, sondern die Fantasie der Spieler. Denn "Little Big Planet" ist mehr Baukasten als Spiel. Es soll ermöglichen, schnell eigene Level und Figuren zu entwerfen - und mit anderen Spielern online zu tauschen. So neu, wie das jetzt scheint, ist das Prinzip bei Videospielen nicht. Es wird nur deutlich einfacher als bisher, Inhalte zu verändern. Bisher sind es hauptsächlich die sogenannten Mods - Modifikationen bestehender Spiele -, die mit Editoren und einer guten Portion Programmierwissen von Fans geschaffen werden. Da wird aus einem Actionspiel ein Autorennen oder aus einem im Mittelalter angesiedelten Rollenspiel eine Weltraumsaga. Das ist kompliziert und deshalb seit langem die Domäne engagierter Bastler. Jetzt setzen viele Hersteller auf Mitmachspiele und machen Änderungen einfacher.

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Am offensivsten geht dabei Sony mit seiner neuen Spielekonsole vor, der PlayStation 3. Kein Wunder, braucht doch der japanische Konzern dringend attraktive Inhalte für sein Gerät. Das liegt im Kampf gegen die Konkurrenzkonsolen, Microsofts Xbox 360 und Nintendo Wii, noch weit hinten. Was auch mit dem geringen und wenig attraktiven Spieleangebot zu tun hat, das ein halbes Jahr nach dem Verkaufsstart wenige Spieler wirklich befriedigen kann. Ändern soll sich das alles im kommenden Jahr, auch mithilfe der Nutzer: Während "Little Big Planet" eher die Bastler anspricht, sollen mit "Home" auch die eingesammelt werden, die momentan im "Second Life" leben. Jeder PlayStation- 3-Besitzer soll Teil der "Home"-3-D-Welt werden und dort in ein virtuelles Heim einziehen. Da kann er sich dann mit anderen Spielern zum Chat treffen, für eine Online-Partie verabreden oder über die in den verschiedenen Games erkämpften Trophäen plauschen. Ganz uneigennützig ist Sony hier nicht, denn nebenbei sollen dort noch Spiele verkauft werden.

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Auch die erfolgreiche Karaoke-Reihe "Sing Star" wird der neuen Nutzer-Philosophie angepasst - mit der ersten Ausgabe für die PlayStation 3, die irgendwann im Winter erscheinen soll. Konnten Spieler bisher nur Lieder nachsingen und sich dafür von der Spielekonsole oder hämischen Freunden beurteilen lassen, soll die Jury nun erweitert werden. Karaoke-Künstler können sich mit einer Kamera beim Singen filmen, das Werk als Clip ins PlayStation-Netzwerk stellen und ihre Version mit der des "Home"-Nachbarn vergleichen. Praktisch für Sony: Im Onlineladen stehen neue Songs zum Nachträllern bereit, die nach dem Kauf sofort herunterzuladen sind.

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Ähnlich geht der weltgrößte Hersteller von Videospielen vor, Electronic Arts. Er stattet die Skateboardsimulation "Skate" mit der Möglichkeit aus, eigene Videos mit den besten Tricks direkt auf eine Webseite stellen zu können. Das spornt an, vor allem, weil das Spiel nicht gerade einfach zu beherrschen ist und man seine besten Tricks gerne der Welt zeigen möchte. Gleichzeitig werben diese Videos natürlich auch für das Spiel und halten das Interesse wach. "Wir wollen Werkzeuge für Nutzer offerieren, mit denen sie ganz einfach neue Inhalte erstellen können", sagt auch Yves Guillemot, Chef des französischen Spieleherstellers Ubisoft, und ist sicher: "Diese Inhalte werden wir gut verwerten können." Ein Spiel, das dieser Philosophie folgt, ist gerade am Entstehen. Einen Nutzen können die Hersteller recht schnell erkennen: ein Spiel, für das ständig neue Inhalte erscheinen, verkauft sich auch länger. Praktisch ist es aber auch für Spieler: Je länger man Spaß an einem Spiel hat, desto weniger neue braucht man. (Carsten Görig, DerStandard/Rondo vom 25.10.2007)

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