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Romano Prodi setzt auf demonstrative Gelassenheit. Seine Regierung könnte in den kommenden Tagen stürzen, Silvio Berlusconi will Neuwahlen im März.

Foto: REUTERS/Max Rossi
Kurz vor 22 Uhr rüttelte der Ulivo-Senator Antonio Boccia im römischen Senat verzweifelt an der Tür der Damentoilette. Der italienischen Regierung fehlte Donnerstagnacht eine einzige Stimme: jene der 98-jährigen Nobelpreisträgerin und Senatorin auf Lebenszeit Rita Levi-Montalcini, die nach einem stundenlangen Sitzungsmarathon einem menschlichen Bedürfnis gefolgt war.

Auch dass der 85-jährige Senator Sergio Zavoli trotz andauernden Nasenblutens im Saal ausharrte, konnte die Regierung dieses Mal nicht retten. Vergeblich mobilisierte die Ölbaum-Koalition von Ministerpräsident Romano Prodi im Senat ihre letzten Reserven, setzte sich die greise Senatorin auf Lebenszeit den Beschimpfungen rechter Kollegen aus. Die Gegner saßen einmal mehr nicht auf den Bänken der Opposition, sondern in den eigenen Reihen.

Geduldsfaden gerissen

Viermal kippte die Kleinpartei „Italien der Werte“ um Infrastrukturminister Antonio Di Pietro die eigene Koalition, dann riss Romano Prodi der Geduldsfaden. Mit vergrämter Miene richtete er im italienischen Fernsehen ein Ultimatum an seine Bündnispartner, „ihre Verpflichtungen einzuhalten und keine Einzelinteressen zu verfolgen“.

Mit sieben Niederlagen im Senat war es ein schwarzer Donnerstag für Prodi. Doch es war nur der Vorgeschmack auf das Sperrfeuer, das den Regierungschef ab kommenden Montag erwartet, wenn im Senat die eigentliche Haushaltsdebatte beginnt.

Nur ein Wunder kann seine Regierung in den kommenden zwei Wochen vor dem Sturz bewahren. Genau darauf setzt der Ministerpräsident und demonstriert Gelassenheit. Eine halbe Stunde nach seinem Fernsehappell erschien Prodi aufgeräumt und entspannt auf der Feier zum österreichischen Nationalfeiertag und prostete Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zu, der für seine in gutem Italienisch gehaltene Rede lebhaften Beifall erntete.

Heute, Samstag, eröffnet Prodi die Gründungsversammlung des neuen Partito Democratico in Mailand. Diese „Scheinnormalität im Ausnahmezustand“ will sein Rivale Silvio Berlusconi „möglichst rasch“ beenden – durch eigene Rückkehr an die Macht. Dem Appell des Staatspräsidenten, „die Interessen der Nation über das Parteiengezänk zu stellen“ und sich auf ein neues Wahlgesetz und eine Reform des Parlaments zu einigen, erteilte der Cavaliere eine rüde Absage. Als „günstigen Wahltermin“ nannte Berlusconi den 15. März 2008.

Nichts fürchtet der Ex-Premier mehr als eine Übergangsregierung, wie sie seine christdemokratischen Bündnispartner nach Prodis Sturz wünschen. Eine Verschnaufpause könnte Berlusconis neuer Gegenspieler Walter Veltroni nutzen, um den Rückstand des Linksbündnisses in den Umfragen aufzuholen – und seine eigenen Verbündeten, um die dritte Kandidatur des 71-Jährigen zu hintertreiben. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 27./28. 10. 2007)