Hamburg - Die deutschen Sozialdemokraten geben sich ein neues Grundsatzprogramm. Die Delegierten sollten am Sonntagnachmittag das "Hamburger Programm" billigen; eine klare Mehrheit galt als sicher. Nach mehreren Verzögerungen wird damit das 1989 verabschiedete "Berliner Programm" zu den Akten gelegt, das die Auswirkungen des Falls der Berliner Mauer und der Globalisierung noch nicht aufgriff. Anders als ein Wahlprogramm beschreibt der in Hamburg zur Abstimmung stehende Text keine konkreten Positionen zu aktuellen Fragen, sondern langfristige Orientierungen. Nachfolgend zentrale Elemente des Dokuments.
  • GRUNDWERTE: Das Programm bekräftigt Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität als die unveränderten Grundwerte der SPD. Sie werden übersetzt in die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens, gleiche Lebenschancen und Anerkennung für Leistung sowie den Sozialstaat als Form gesellschaftlicher Solidarität.

  • WIRTSCHAFTSORDNUNG: Die SPD setzt auf qualitatives Wachstum und nennt die Globalisierung eine Chance für Arbeitsplätze und weltweiten Wohlstand. Die globalen Finanz- und Kapitalmärkte bedürften aber der Regulierung und der Transparenz, da sie das Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft bedrohten.

  • SOZIALSTAAT: Mit dem Begriff des "vorsorgenden Sozialstaats" beschreibt die SPD die angestrebte Balance zwischen der Eigenverantwortung der Menschen und der Absicherung durch den Staat. Damit rühren die Aussagen an den Kern des Streits über Reformen etwa am Arbeitsmarkt. "Der vorsorgende Sozialstaat bekämpft Armut und befähigt die Menschen, ihr Leben selbstbestimmt zu meistern." Damit werde niemand aus der Verantwortung für das eigene Leben entlassen.

  • ARBEIT: Das Programm definiert gute Arbeit als solche, die menschenwürdig ist, gerecht entlohnt und anerkannt wird, nicht krank macht, soziale Teilhabe bietet und mit der Familie vereinbar ist. "Gute Arbeit wollen wir für alle ermöglichen", das Ziel bleibe die Vollbeschäftigung. In Deutschland und Europa müssten Mindestlöhne tariflich und gesetzlich durchgesetzt werden. Die SPD bekennt sich zu Kündigungsschutz, Mitbestimmung, Betriebsverfassung, Tarifautonomie und Flächentarif.

  • BILDUNG: Als Voraussetzung für gleiche Lebenschancen und Integration wird der Bildung ein entscheidender Stellenwert eingeräumt, für den mehr Geld aufgewendet werden müsse. Die SPD tritt für den Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulen ein, um Kinder früh zu fördern und Eltern bei der Vereinbarkeit von Erziehung und Beruf zu entlasten.

  • DEMOKRATISCHER SOZIALISMUS: Der emotional aufgeladene Traditionsbegriff wird als prägende Idee der SPD-Geschichte und als "Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft" beschrieben. Wegen des Reizworts "Sozialismus" gab es Forderungen, den Begriff zu streichen. Im Grundsatzprogramm wird er vom "Staatssozialismus sowjetischer Prägung" abgegrenzt.

  • EU: Die Europäische Union wird als "unsere Antwort auf die Globalisierung" bezeichnet. Dazu müsse es eine europäische Sozialunion und eine "wachstums- und beschäftigungsorientierte Koordination der Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik" mit verbindlichen gesamtwirtschaftlichen Vorgaben geben. Zudem brauche Europa eine echte Verfassung, nicht nur den Grundlagenvertrag. (APA/Reuters)