In Zeiten der Gewalt und des Krieges sind oft Kinder die Opfer. Gerade in der südsudanesischen Provinz Darfur ist das seit Jahren der Fall. Der Gedanke, Hilfe zu leisten, liegt somit nahe. Wenn es die richtige Hilfe ist und die Kinder nicht von Neuem zu Opfern macht.

Doch genau das ist geschehen, im Tschad, wo ein Flugzeug mit 103 sudanesischen Kleinkindern von den örtlichen Behörden kurz vor dem Start in Richtung Frankreich gestoppt wurde. Dort warteten die neuen Pflegeeltern schon. Sie hatten einer Hilfsorganisation erkleckliche Summen gezahlt, um den Kindern ein besseres Leben im Wohlstand Europas eröffnen zu dürfen.

Jetzt haben sie den finanziellen Schaden, doch was wiegt dieser im Vergleich zu jenem der Kinder, die nunmehr in ein tschadisches Waisenhaus eingeliefert worden sind? Ob sie nach Festnahme und Anklage ihrer „Retter“ – sowie einigem diplomatischen Getöse – rasch zu ihren Angehörigen zurückgebracht werden (so sie überhaupt noch Angehörige haben), bleibt abzuwarten. Es wäre es das Einzige, was ihnen helfen könnte.

Doch was – so fragt man sich – hat all die präsumptiven Pflegeltern bewogen, sich an dieser fragwürdigen Kinder-„Rettungs“-Aktion zu beteiligen? Warnungen offizieller französischer Stellen, dass hier an sämtlichen multilateralen Regeln für Auslandsadoptionen vorbeiagiert werde, gab es offenbar: Wie war es dann möglich, dass gleich 103 Paare sie in den Wind schlugen? Überhaupt, kann der Wunsch nach Nachwuchs stärker als jede Vernunft sein?

Offenbar schon, lautet im kinderarmen Europa hier die Antwort. Doch angesichts der vielen bedürftigen Kinder in aller Welt erscheint eine solche Haltung mehr als rücksichtslos. Immerhin gibt es sie, die Möglichkeit, Kinder aus dem Ausland zu adoptieren – und es ist zu hoffen, dass die Affäre Darfur ihr keinen tieferen Schaden zugefügt hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2007)