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Photo by Sean Gallup/Getty Images
Einfacher werde das Regieren in Deutschland in den nächsten Wochen nicht, sagt Andrea Nahles. Aber es klingt nicht gerade unglücklich. Denn erstens ist die linke Frontfrau der SPD gerade zur Stellvertreterin von Parteichef Kurt Beck gewählt worden und kann nun kraft ihre Amtes kräftig mitmischen. Und zweitens: Wo ein Zwist herrscht, ist die 37-jährige Nahles ohnehin meist nicht weit entfernt. Dass sie bei der Wahl zur Vizechefin ein schlechteres Ergebnis bekam als die "Stones" (Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück) – damit kann Nahles leben. Nicht Everybody's Darling zu sein ist sie seit vielen Jahren gewohnt. Sie hat sich, was die mediale Resonanz betrifft, eine "gewisse Gelassenheit" antrainiert.

Die härteste Schule hatte Nahles diesbezüglich im Herbst 2005 zu absolvieren: Da galt sie vielen als "Königsmörderin", weil sie – unterstützt von den Parteilinken – gegen den Willen des damaligen SPD-Chefs Franz Münte_fering beim Parteitag als Ge_neralsekretärin kandidieren wollte. Doch Müntefering war darüber so erbost, dass er gleich den Parteivorsitz hinschmiss. Daraufhin gab auch Nahles ihre Ambitionen auf – vorerst jedenfalls.

"Münte" war ja auch schon der dritte Parteichef, an dessen Demontage die gebürtige Pfälzerin kräftig mitwirkte. Schon 1995 organisierte sie in Mannheim den Widerstand gegen Rudolf Scharping, wofür sie Oskar Lafontaine nach dem Putsch gegen Scharping als "Gottesgeschenk" bezeichnete. Und auch Gerhard Schröder bekam jahrelang den Gegendruck bei seiner Agenda 2010 zu spüren. Er gab ebenfalls als Parteichef auf.

Beck aber machte Nahles zu seiner Kronprinzessin, weil sie eloquent, gut vernetzt, diszipliniert ist und große Fachkenntnis im Sozialbereich vorweisen kann. Und natürlich, weil die Germanistin mittlerweile wie keine andere für eine linke Ausrichtung der SPD steht. Sie schrieb auch das neue SPD-Parteiprogramm mit. Von ihrem einstigen Idol Lafontaine hat sich Nahles allerdings distanziert. "Weg mit Hartz IV", das sind seine Worte, nicht ihre. Im Kern steht sie zur Reformagenda, aber sie sieht an vielen Stellen Korrekturbedarf.

Bekannt wurde Nahles zwischen 1995 und 1999 als Juso-Chefin. 2002 wäre es mit der Karriere aber fast schon wieder vorbei gewesen, als sie es nicht wieder in den Bundestag schaffte. Doch sie bekam eine zweite Chance und durfte die Projektgruppe zur Bürgerversicherung leiten – was sie zur Profilierung nutzte. Seit 2005 ist sie wieder im Bundestag. Die rare Freizeit verbringt Nahles mit ihrem Lebensgefährten Horst Neumann auf _einem Bauernhof in der Eifel, der schon ihren Urgroßeltern gehörte. Neumann ist Arbeitsdirektor bei VW. Weil den Job früher Peter Hartz hatte, ist sein Spitzname "Hartz V". (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2007)