Wien – Am heutigen 43. Verhandlungstag im Bawag-Prozess war Helmut Elsners ehemaliger Steuerberater Gerhard Nidetzky als Zeuge anwesend. Er wurde zu Elsners umstrittener Pensionsabfindung befragt. Weiters wurde der frühere PSK-Vorstand und derzeitige Bawag-Vorstand Herbert Legradi befragt. Als dritter Zeuge war Alexander Gancz geladen. Er war bis November 2003 im Finanzministerium in führenden Positionen in der Bankenaufsicht tätig.

derStandard.at-Redakteurin Maria Sterkl berichtete aus dem Wiener Landesgericht.

16:00 Uhr

Eine letzte Frage des Staatsanwalts an den Zeugen Alexander Gancz: "Sie haben gesagt, der §39 BWG sei ein Kind von Karibik I. Und dann tritt im Jahr 2000 ein ähnlicher Fall ein wie bei Karibik I, und man unternimmt nichts. Ist das nicht Kindesweglegung?" – Gancz, philosophisch: "Das Wollen des Gesetzgebers und der Ist-Zustand klaffen sehr oft auseinander."

Die Richterin beendet die Zeugenbefragung mit der üblichen Frage: "Brauchen Sie eine Bestätigung?" – Gancz: "Soll ich zu den Wenigen gehören, die eine Reisekostenerstattung in Anspruch nehmen?" Die Richterin nickt, der Zeuge kann gehen.

Bandion-Ortner verliest den weiteren Prozessfahrplan. "Von 15. bis 20. November findet mit Sicherheit keine Verhandlung statt, weil da der Schwurgerichtssaal besetzt ist. Also wenn Sie einen Kurzurlaub planen…"

Ende des Verhandlungstages.

15:36 Uhr

Staatsanwalt Krakow möchte noch wissen, wem Gancz den Prüfbericht des Jahres 2000 im Ministerium denn vorgelegt habe. "Ich habe ja den Akt nicht gemacht", antwortet der Ministerialrat. "Hätten Sie ihn anders gemacht?" – "Ja, sicherlich." Wie weit hinauf der Akt in der ministeriellen Hierarchie gegangen sei? "Bis zum Sektionschef." Und: "Niemand, der diesen Akt gelesen hat, hatte den Eindruck, dass das etwas Besonders war."

Wolfgang Schubert ist am Wort. "Hat sich das Ministerium 1994 dafür interessiert, was der Gegenstand der Vater-Sohn-Geschäfte war?" – Die Art der Geschäfte habe ihn nicht interessiert, sagt Gancz, "aber die Durchführung – die mangelnde Dokumentation." – "Wissen Sie, welcher Art sie waren? Waren das Sparbücher?" – "Das steht ja im Prüfbericht drin, und ich habe geglaubt, dass das stimmt. Es waren ja keine verbotenen Geschäfte."

Im Lauf des Gesprächs gibt Gancz dann jedoch zu, er sei "schon erstaunt" gewesen, "was das für Volumina waren", die bei den Karibik I-Geschäften bewegt wurden. "Ich kann mich erinnern, dass damals die Banque de France gefragt hat, ob denn da jemand gegen den Franc spekuliert. Das ist sogar denen aufgefallen."

15:25 Uhr

Der Staatsanwalt fragt, ob die festgestellten Mängel bei der Bawag – Stichwort Innenrevision, Klumpenrisken, etc – nicht genauer überprüft hätten werden müssen. Gancz meint, die Zusagen der Bawag, ihr Risikomanagement zu verbessern, seien "glaubwürdig genug" gewesen. "Sie sind ja für die Prüfung mehrerer österreichischer Banken zuständig gewesen", entgegnet Krakow. Ob er allen Vorständen einfach geglaubt hätte? "Nein, aber die Bawag hatte ja einen Sonderstatus." – "Aber warum ist jemand, der für die Bawag arbeitet, glaubwürdiger als jemand von der Ersten Bank oder irgendeiner Genossenschaftsbank?" – "Das habe ich mit diesen Worten nicht gesagt. Aber Ihre Frage ist durchaus berechtigt. Die Eigentümerschaft ist ein wesentlicher Faktor beim Aufsichtssystem", sagt Gancz, und fügt hinzu: "Die gegenwärtige Eigentümerschaft macht die Bawag sicher zu einem interessanteren Aufsichtsobjekt als früher."

15:20 Uhr

Es geht weiter. "Ich hab' eigentlich eh nur mehr eine Frage", hebt die Richterin an. "Kennen Sie eigentlich irgendeinen von den hier sitzenden Herren besser?" – "Nein, und ich hoffe, dass das auch alle bestätigen können, dass ich immer ein korrektes Verhältnis gehabt habe." – "Sie wurden also nie zu den Salzburger Festspielen eingeladen?" – "Nein, genau das meine ich damit. Wobei das jetzt keine Wertung war! Hätte ich das Glück gehabt, dass mich jemand einlädt, dann wäre ich vielleicht gefahren." Gekichere im Westflügel.

15:16 Uhr

Die Richterin fragt Gancz, warum vorerst geplante Prüfungen bei der Bawag abgesagt und in "Managementgespräche" umgewandelt wurden. "Das kann ich nicht sagen", meint Gancz. Aber die "menschliche Enttäuschung über Frau Tumpel-Gugerell" habe damit zu tun, glaubt er sich zu erinnern.

"Warum hat man den Staatskommissären die Prüfberichte vorenthalten?" – "Weil man das damals für richtig gehalten hat. Aber wir haben ja Gespräche mit den Staatskommissären geführt. Ich kann nicht ausschließen, dass wir da auch über Prüfberichte gesprochen haben. Wir sind zusammen gesessen und haben geredet und die Türen offen gelassen und so den Anschein einer funktionierenden Aufsicht über Jahre hinweg aufrechterhalten."

Kurze Stille, dann lautes Gelächter. Ein erstaunter Blick auf der Richterbank. "Können Sie uns das erklären?", fragt Bandion-Ortner. – Gancz: "Bitte, darf ich jetzt kurz mein Auto umstellen gehen?" – "Nur kurz, jetzt erklären Sie uns das noch." Gancz ergänzt: "Wissen Sie, das sind die Worte eines hohen Beamten, der jahrelang eine entsprechende Dotierung mit Ressourcen gefordert und sie nie bekommen hat. Und irgendwann einmal geht einem das Herz über. Selbst auf das Risko hin, dass es missverstanden werden könnte."

Dann gibt's zwei Minuten Pause – Zeuge Gancz geht umparken.

15:07 Uhr

Zu seiner Einschätzung des Risikomanagements der Bawag gibt Gancz an, man habe die Bank damals aufgefordert, die Innenrevision zu verbessern. Er betont aber, dass das "überhaupt nichts Außergewöhnliches" sei, "das ist auch bei hundert anderen Banken passiert". Die Richterin hält Gancz einen Auszug aus dem Prüfbericht der Nationalbank vor, in dem es heißt, die Bawag habe zugesagte interne Prüfungen nur unzureichend durchgeführt. Das sei "nicht so dramatisch zu sehen", wehrt Gancz ab. "Ich könnte ein vollinhaltliches Geständnis ablegen", wendet er ein. "Nein, das müssen Sie nicht", tröstet die Richterin.

Man hört ein Klingeln. "Ihr Parkschein!", ruft Robert Reiters Anwalt. Der Zeuge greift zu seinem Mobiltelefon.

"Wenn man den Parkschein per Handy verlängert, sollte man aber auch das Auto umstellen!", mahnt Richterin Bandion-Ortner. "Das erspare ich Ihnen lieber", lacht Gancz. Elsners Anwalt Wolfgang Schubert sieht das anders, er verlässt den Saal Richtung Parkplatz.

15:00 Uhr

"Warum wurden diese Geschäfte ("Karibik I", Anm.) ursprünglich problematisiert?", will die Richterin von Alexander Gancz dann wissen. – "Nur wegen der Vater-Sohn-Beziehung und wegen der mangelnden Dokumentation", antwortet der Zeuge.

"Können Sie sich an die "Club 2"-Sendung im Jahr 1994 (zum Thema der Karibik I-Geschäfte, Anm.) erinnern?", fragt Bandion-Ortner weiter. "Ja." – "Können Sie sich erinnern, dass damals über ein Risiko der Geschäfte gesprochen wurde?" – "Kann sein."

"Wissen Sie noch, warum es im Jahr 2000 eine Nationalbank-Prüfung der Bawag gegeben hat?", will die Richterin wissen. Es sei damals darum gegangen, eine "Follow-up-Prüfung" bei der Bawag durchzuführen, sagt Gancz. Die Richterin zitiert aus dem Prüfbericht – "Thema Offshore-Geschäfte Dr. Flöttl": "'Die zu Prüfungsbeginn eingeforderte Auflistung der Offshore-Geschäfte blieb die Bawag bis zum Prüfungsende schuldig.' – Wie reagiert man, wenn man so etwas liest?" – Man könne nicht verlangen, dass man alle Unterlagen erhält, sagt Gancz. "Aber es geht doch genau um die Unterlagen, die als kritisch gesehen wurden!" – "Das Aufsichtssystem besteht ja nicht nur aus einem Herrn Gancz", sagt Gancz, und fügt hinzu: Die Prüfer hätten da nachhaken müssen. "Also sind die Prüfer schuld?", fragt die Richterin. "Nicht nur die Prüfer. Die ganze Linie hinauf." Außerdem seien die Unterlagen damals als "nicht so wichtig" bewertet worden, "ex-post sieht vieles ganz anders aus".

Die Richterin konfrontiert Gancz mit einer früheren Aussage, er sei "menschlich enttäuscht" von der damaligen Notenbank-Funktionärin (und heutige EZB-Vizedirektorin, Anm.) Gertrude Tumpel-Gugerell, und fordert eine Erklärung. Gancz: "Das ganze System der Aufsicht war ja keine Chinese Wall, da hat es ja Kontakt gegeben. Ich hätte mir erwartet, dass, wenn es irgendwo ein Feuer gibt, wir Rauchzeichen bekommen."

14:50 Uhr

Die Richterin zitiert aus einem Dokument Gancz' aus dem Jahr 1995: Damals habe er festgestellt, es sei "durchaus denkbar, dass Helmut Elsner über die Prüfungsergebnisse und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht informiert ist", es sei "günstigstenfalls von Unkenntnis auszugehen". Die Richterin ist verwundert: "Günstigstenfalls?" Gancz: "Sie können sich vorstellen, dass man an solchen Sätzen feilt. Ich müsste das jetzt lesen, um dazu Stellung nehmen zu können." – "Na dann kommen Sie her", fordert die Richterin den Zeugen auf.

Bandion-Ortner liest vor, Gancz liest mit: Elsner sei zum Zwecke einer "Klarstellung wie damals Dr. Flöttl" ins Ministerium gerufen worden, um ein "Ausufern" öffentlicher Diskussionen zu vermeiden. "Mit einigem Erklärungsaufwand" sei ein Termin mit Elsner im Juni 1995 vereinbart worden. "Was heißt bitte 'mit einigem Erklärungsaufwand'?", fragt die Richterin. – "Das ist selbsterklärend", sagt Gancz unter hörbarem Glucksen, um fortzufahren: Es sei nichts Gewöhnliches, dass ein Generaldirektor ins Ministerium geladen werde, da es einer ministeriellen "Rüge" am Management gleiche. "Also was heißt jetzt 'mit Erklärungsaufwand'?", wiederholt die Richterin. "Na, genau das!", antwortet Gancz.

Richterin Bandion-Ortner zitiert weiter aus dem Dokument: Der Termin sei dann von Elsner abgesagt worden, ohne einen Ersatztermin zu nennen. Elsner sei frühestens im September erreichbar. "Na, sehen Sie", sagt Gancz, der sein Lachen kaum unterdrücken kann. Auch der Staatsanwalt ist sichtlich amüsiert.

14:17 Uhr

"Bitte nehmen Sie die Plätze ein. Herr Dr. Gancz, bitte eintreten" – Richterin Claudia Bandion-Ortner setzt die Verhandlung fort.

Alexander Gancz, der von 1986 bis 2002 eine Abteilung im Finanzministerium leitete, die Banken einer bestimmten Rechtsform – unter anderem Aktiengesellschaften – zu beaufsichtigen hatte, sagt aus, dass er als Vorsitzender einer Untersuchungskommission die Karibik-I-Geschäfte zu prüfen hatte. Damals sei er zum Schluss gekommen, dass alle Kredite aus "Vater-Sohn-Geschäften" zurückgezahlt worden waren. Es habe jedoch "Kritik an der Vorgangsweise" der Bawag gegeben, die in eine Empfehlung an den Gesetzgeber, ein Schreiben an die Wirtschaftsprüfer und ein Schreiben an die Bawag mündete.

Die Richterin zitiert aus dem Untersuchungsbericht: Damals habe man kritisiert, dass der Bawag nicht bekannt war, in wessen Eigentum sich die sogenannten Special Purpose Companies befanden. Ob Gancz sich daran erinnere? – "Nein, Frau Rat. Das ist lange her." – "Thema Klumpenrisiko. Können Sie sich an sowas erinnern?" – "Na selbstverständlich. Aber wenn Sie jetzt aus dem Bericht zitieren, kann ich mich so wörtlich nicht erinnern." – "War mangelnde Transparenz ein Thema?" – "Definieren Sie Transparenz." – "Allgemein." – "Die Dokumentation war mangelhaft."

Die Richterin befragt Gancz zu den Karibik II-Geschäften. Der damalige Finanzminister Staribacher habe ihm damals den Auftrag gegeben, Elsner zu treffen. Ein derartiges Treffen habe es auch gegeben, zitiert die Richterin, und zwar im August 1995. "Wieso wollte man da mit Elsner sprechen?" Gancz: "Als Beamter weiß man nicht immer, was ein Minister will und wieso er etwas will." Es sei aber sein "ausdrücklicher Wunsch" gewesen, dass man "nach so einem Skandal nicht unbedingt Werbung betreibt" für die Wiederaufnahme der Verbindungen mit Flöttl. "Wieso eigentlich?", fragt die Richterin. "Das weiß ich nicht, das müssen Sie den Herrn Minister außer Dienst fragen."

13:00 Uhr

Kann sich Legradi erinnern, dass Informationen aus dem Aufsichtsrat in die Medien gesickert sind – bis hin zur Abbildung von Aufsichtsratsprotokollen als Faksimile, will Wolfgang Schubert noch wissen. "Ja, das haben mir Journalisten auch so gezeigt."

Die Richterin an Legradi: "Sie sagen, die Verluste von 1998 bis 2000 wurden allesamt abgearbeitet. Jetzt frage ich Sie: Was wäre gewesen, wenn es diese Verluste nicht gegeben hätte? Wäre die Bank dann um diesen Betrag reicher?" – "Das Vermögen wäre dann höher, ja." – "Ist insofern der Bank also ein Schaden entstanden?" – "Verluste führen immer zu einer Vermögensminderung."

Die Richterin bedankt sich und lädt zur Mittagspause. Fortsetzung um 14:15 Uhr.

12:42 Uhr

Wolfgang Schubert fragt Herbert Legradi: "Wann haben Sie erfahren, dass Herr Nowotny Generaldirektor werden soll?" – "Im November 2005." – "Wann haben Sie persönlich mit ihm erstmals über die Verluste gesprochen?" – "Das muss im Dezember gewesen sein." – "Was hat Sie veranlasst, vom 28. Oktober bis zum 24. März damit zu warten, den Aufsichtsrat über die Verluste zu informieren? Das muss ja nicht in der gesamten epischen Breite passieren – aber ansatzweise." – Legradi wiederholt: Die Verluste seien in der Verschmelzungsbilanz "ja schon verarbeitet" gewesen, zudem sei es – Stichwort Refco – eine "sehr turbulente Zeit" gewesen, "da dauert es halt eine Weile, bis man alle Fakten zusammengetragen hat". Zudem habe es "ein großes Misstrauen in der Gesellschaft, bei den Vorständen" gegeben.

Dann wird Legradi mit einem Protokoll konfrontiert, aus dem verschiedene Finanzinstitutionen aufgelistet werden, die für Flöttls Investitionen in Frage kommen könnten. In dem Protokoll ist keine Rede von Staatsanleihen. Woraus er also schließe, dass es sich um Staatspapiere gehandelt habe? "Das habe ich so in Erinnerung."

12:32 Uhr

Auf eine Frage Wolfgang Schuberts hin bringt Legradi Licht in persönlichere Dinge: Zu Flöttl senior habe er eine distanzierte Beziehung gehabt, "Generaldirektoren sind immer starke Persönlichkeiten." Das gelte zwar auch für Elsner, mit ihm habe er jedoch "reden können". – "Hat er auch Vorschläge von Ihnen aufgegriffen, oder hat er gesagt: 'Reden Sie nur, und ich mache eh was anderes.'?" – Legradi: "Er hat auch Vorschläge aufgegriffen. Nicht alle."

12:28 Uhr

Der Staatsanwalt resümiert: "Da sitzen also zehn hochqualifizierte Personen im Restrukturierungsteam und bemühen sich, Licht ins Dunkel zubringen. Und dann gibt es eine Person, die das Team über die Sondergeschäfte informieren hätte können, nämlich der Herr Zwettler, und der lässt sie im Dunkeln stehen. So nach dem Motto 'Findet's was, ist es gut, findet's nix, machts auch nix'. Was sagen Sie dazu, Herr Legradi? Sie waren ja mit dem Herrn Zwettler im Vorstand." – "Aber ich hatte ja diese Information nicht", verteidigt sich Legradi.

Zwettler ergreift das Mikrofon. Die Refco-Sache sei "zur völligen Überraschung des Vorstands" schlagend geworden. Der Aufsichtsrat habe in der Folge den Vorstand mit der Erstellung einer Bilanz beauftragt. Diese habe bereits auf der Verschmelzungsbilanz mit der PSK basiert. Das Restrukturierungsteam sei im Gegensatz dazu lediglich mit der Aufarbeitung der Sache Refco beauftragt gewesen. Denn die Verluste seien zu diesem Zeitpunkt schon erledigt gewesen. Und er, Zwettler, sei ja Ende des Jahres ausgeschieden.

Büttner protestiert gegen "die Vermischung von Refco und den Flöttl-Geschäften, wo es keinen Zusammenhang gibt. Das sind Dinge, die immer wieder durch die Medien geistern, und die nicht stimmen."

12:20 Uhr

Staatsanwalt Georg Krakow hakt ein: "Können Sie sich erinnern, welche Verluste das waren, die in dieser einen Milliarde inkludiert waren? Waren das nur Flöttl-Verluste oder auch Refco-Verluste?" – "Refco war da nicht dabei", meint Herbert Legradi.

"Was waren die Aufgaben des Restrukturierungsteams?", fragt Krakow weiter. "Die Aufarbeitung der Verluste, die Dokumentation." – "Das klingt alles ein bisschen nach Informations-Wiederbeschaffung, weil das waren ja alles Daten, die in der Bawag vorhanden waren", vermutet Krakow. Legradi: "Mir waren diese Informationen nicht bekannt." – "Wie kam es eigentlich später dazu, dass der Aufsichtsrat in der Folge doch informiert wurde?" – "Weil man zu diesem Zeitpunkt dachte, dass das die richtige Vorgangsweise war."

"Herr Weninger will etwas sagen!", ruft die Richterin. Weninger stellt fest, dass das Restrukturierungsteam nur für die Aufarbeitung des Refco-Skandals zuständig war. Außerdem sei auch Nowotny noch 2005 über die Verluste informiert worden.

Die Richterin an Legradi: "Kann es sein, dass Sie sich geirrt haben, was die Aufgaben des Restrukturierungsteams betrifft?" – "Ja, das kann sein."

Dann fragt Bandion-Ortner Günter Weninger: "Warum hat man das Team nicht auch gleich mit der Aufarbeitung der Verluste 2000 beauftragt?" Weninger begründet das damit, dass die Bawag-PSK "durch ihre Neugründung ja von diesen Verlusten entlastet war." Der Zweifel an der Werthaltigkeit der Garantien sei erst im März 2006 aufgetreten – zufälligerweise in jenem Zeitraum, als auch Medienberichte die Bawag-Krise aufs Tapet brachten.

Die Richterin wiederholt: "Da erfährt man im Oktober 2005 von diesen Verlusten, und das war's?" Büttner wiederholt sich ebenfalls: "Unter dem Schirm der Garantie" seien diese Verluste zu bewältigen gewesen, "damit war das für die Bank an sich buchhalterisch erledigt."

"Also, wenn das von der Refco nicht aufgegriffen worden wäre, dann hätte der Vorstand nie etwas getan", so Bandion-Ortner. "Richtig", antwortet Büttner.

11:59 Uhr

Das Wort geht weiter zum Anwalt Hubert Kreuchs. "Wann haben Sie von den Verlusten erfahren?", fragt er Herbert Legradi. – "Am Weltspartag 2005." Am Ende der Feiern anlässlich des Tages habe man erfahren, es werde "eine Sitzung am Georg-Coch-Platz" geben. Zwettler und Weninger hätten ihn über die Verluste in Kenntnis gesetzt, und das sei "eine sehr harte Information" gewesen. Ob er über die gesamten Verluste informiert worden sei? "Nein, aber weitgehend. Über eine Milliarde ungefähr."

Auch Weninger bestätigt, den gesamten Vorstand Ende Oktober 2005 informiert zu haben, konkret am 28. Oktober, und zwar über die Verluste, aber auch über die ÖGB-Garantie.

"Hat es damals der Herr Nowotny auch schon gewusst?", will die Richterin von Legradi wissen. "Nein." – "Hat man ihm das aber gesagt, als er Generaldirektor wurde, oder hat er das alles zizerlweise 2006 erfahren?" – "Ich war bei diesen Gesprächen nicht dabei." – "Aber Sie haben doch im Vorstand darüber gesprochen, das war ja ein akutes Problem" – Nowotny sei erst Anfang 2006 General geworden, die Informationen wären "alle beim Doktor Koren zusammengeflossen. Mehr kann ich darüber nicht sagen", so Legradi. Er habe zwar im Dezember mit Nowotny "über Problembereiche" gesprochen, aber "in meinem Bereich". Die Verluste "waren nicht mein Hauptthema."

Die Richterin ist fassungslos. "Also das höre ich jetzt zum ersten Mal, dass Sie alle schon am 28. Oktober von den Verlusten erfahren haben. Geht es nur mir so?" fragt sie in die Runde. Kopfschütteln.

"Hat man zu diesem Zeitpunkt überlegt, eine Anzeige beim Staatsanwalt einzubringen?" Büttner: Nein, die Verluste zum 1. Oktober 2005 seien ja "schon aufgearbeitet" gewesen.

Die Richterin will von Legradi wissen, ob ihm bewusst war, dass im ÖGB nur Verzetnitsch und Weninger über die Verluste und die Garantie informiert waren. Legradi bejaht das, und meint, es habe da "ein Gutachten" gegeben, infolge dessen die Informationspflicht dem ÖGB gegenüber beim Aufsichtsratspräsidenten liege.

11:50 Uhr

Christian Büttners Anwalt meldet sich zu Wort. "Wenn das alles nur Staatspapiere waren, warum hat man dann den Herrn Flöttl gebraucht, und warum hat man verschiedene Arbitragefirmen gebraucht?" Herbert Legradi, selbstbewusst: "Wenn wir der Meinung gewesen wären, das selbst machen zu können, hätten wir es getan."

Warum er die Meinung vertreten habe, dass Wolfgang Flöttl dafür die geeignete Person war? Legradi: "Ich vertrete gar nichts. Ich sage nur, es war schlüssig, Flöttl zu nehmen." - Wieso? "Weil die Geschäfte ertragreich waren und verlustfrei – kurzfristig."

11:37 Uhr

Der Ball geht zum Staatsanwalt. "Können Sie sich noch erinnern, wie oft Sie mit dem Herrn Elsner während Ihrer Zeit in der Generaldirektion in Kontakt waren?" – "Täglich, bis aufs Wochenende", sagt Zeuge Legradi. Man sei sich im Büro gegenüber gesessen, "so wie die Frau Rat und ich, nur die dreifache Distanz".

Die Kommunikation zwischen Elsner und ihm sei durchaus rege gewesen, gibt Legradi an, was wiederum Krakow zur Frage veranlasst, warum er dann im Bereich der Sondergeschäfte kaum eingebunden gewesen sein wolle. "Ich war ja eingebunden", widerspricht Legradi. Er habe die Unterlagen für Aufsichtsrats- und Vorstandssitzungen vorbereitet, "aber in die Verträge war ich nicht eingebunden".

11:28 Uhr

Themenwechsel: Die Richterin befragt Herbert Legradi zur Limit-Erhöhung von 400 auf 550 Millionen Euro. Legradi glaubt, dass die Umwidmung dem Aufsichtsrat vorgelegt wurde und vermutet, dass dessen Zustimmung dafür auch erforderlich gewesen wäre.

"Ist es richtig, dass die Sondergeschäfte dem Bereich Beteiligungen zugeordnet waren?" – "Das ist richtig." – "Ist es richtig, dass Ihre Frau im Bereich Beteiligungen tätig war?" – "Das ist sie noch immer." – "Was hat Ihnen Ihre Frau als stellvertretende Leiterin des Bereichs denn über die Sondergeschäfte erzählt?" – "Gar nichts, weil sie nicht eingebunden war." – "Wer war denn eingebunden?" – "Die Leiterin."

Die Richterin fährt fort. "Nächste Frage: Was ist schief gelaufen?" – "Kontrollmechanismen. Die haben nicht gewirkt oder waren nicht vorhanden." – "Welche?" – "Das Vier-Augen-Prinzip zum Beispiel."

11:20 Uhr

Es geht wieder um die Kontrolle der Flöttl'schen Aktivitäten. Legradi glaubt, sich erinnern zu können, dass die Innenrevision der Bawag mit der Kontrolle beauftragt wurde, auch "monatliche Saldenaufstellungen" seien übermittelt worden.

"Können Sie sich erinnern, dass vom Finanzministerium im August 1995 Gespräche mit dem Herrn Elsner gesucht wurden?", fragt die Richterin. Legradi schüttelt den Kopf.

Er selbst sei als "Gesprächspartner" des Finanzministeriums bei der Erstellung der Prüfberichte "immer wieder" genannt worden, da sich Elsner dem Kontakt mit dem Ministerium entzogen hatte. Ob er sich daran erinnern könne? "Wahrscheinlich."

11:14 Uhr

Es geht weiter. Zeuge Nummer zwei, Herbert Legradi, tritt ein. "Bitte setzen Sie sich", sagt die Richterin. "Hier?" fragt Legradi und zeigt auf den Zeugenstuhl, der einsam in der Mitte des Saals steht. "Ja", lächelt die Richterin.

Legradi gibt an, von 1991 bis Ende 1997 Mitglied der Generaldirektion der Bawag und seit 1995 für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zuständig gewesen zu sein.

Thema Sondergeschäfte 1995 bis 2000, "Karibik II". Legradi gibt an, mit Karibik I-Geschäften nichts zu tun gehabt zu haben, er sei erst dann damit konfrontiert worden, "als das medial thematisiert wurde", sehr wohl jedoch mit "Karibik II". Was es denn für Auflagen bei der Wiederaufnahme der Flöttl-Geschäfte gegeben habe, fragt die Richterin. "Dokumentation, laufende Berichterstattung, Informationen", zählt Legradi auf.

"Wussten Sie, was das für Geschäfte waren?" – "Wertpapiergeschäfte, im Regelfall Staatspapiere." – "Derivative Produkte auch?" Das wisse er nicht genau, er könne sich nur an "Government Bonds mit 20-prozentiger Eigenkapitalüberdeckung" erinnern, so Legradi. "Wie erklären Sie sich dann, dass es im Oktober 1998 so schnell gegangen ist mit den Verlusten?", fragt Bandion-Ortner. "Darüber macht man sich natürlich vielerlei Gedanken", seufzt Legradi. Er habe im Nachhinein Berichte der Notenbank und der FMA gelesen, "und was wirklich passiert ist, hat mit dem, was damals beantragt wurde und bis 1997 berichtet wurde", nicht viel zu tun und "deshalb kann ich nicht wirklich sagen, was warum, wieso passiert ist."

11:05 Uhr

Bevor die Verhandlung fortgesetzt wird, kündigt Elsners Anwalt Wolfgang Schubert einen Beweisantrag an. Er möchte gerne wissen, wer darüber informiert war, dass Elsners Pensionsabfindung am 24. November 2000 ausgezahlt wurde.

"Apropos!" ruft die Richterin. Sie habe schon vor längerer Zeit aufgerufen, sie wolle Beweisanträge haben, "wo sind die denn alle? Gibt es keine? Das kann ich nicht glauben."

10:40 Uhr

Weninger erklärt auf Anfrage Schuberts, er habe nicht bemerkt, wann die Abfindung an Elsner ausbezahlt wurde, "ich habe mich darum nicht gekümmert". Er habe Elsner jedoch empfohlen, das Geld "nicht anzurühren", sondern es – angesichts der hohen Bawag-Verluste – auf ein Treuhandkonto zu legen. Wann er von der genauen Höhe der Abfindung erfahren habe, will Schubert wissen. "Das ist in der Zeitung gestanden." – "Haben Sie sich über die Höhe gewundert?" – "Nein."

Zeuge Gerhard Nidetzky wird entlassen, 15 Minuten Pause.

10:30 Uhr

Elsners Anwalt Wolfgang Schubert spricht Weninger auf dessen Unterschrifts-Bräuche an: Ihm liege ein anderes Pensionsschreiben "mit nahem zeitlichen Zusammenhang" mit der Dienstvertragsänderung vor, das Weninger ebenfalls mit Vor- und Zuname unterschrieben habe. "Ist diese Unterschrift echt?" – "Die ist sicher echt", sagt Weninger, der den "zeitlichen Zusammenhang" in Frage stellt: Das Datum der schriftlichen Dienstvertragsänderung sei nämlich "falsch".

10:20 Uhr

Der Staatsanwalt ergreift das Wort. Er zitiert aus Elsners Dienstvertrag, der aus seiner Sicht keinen Anlass zur Vermutung gebe, dass eine Prämie Teil der Bemessungsgrundlage sei. Nidetzky kann dazu nichts sagen, er verweist auf die Firma, die die Detailberechnungen durchgeführt habe.

Staatsanwalt Krakow interessiert sich nun für eine nachträgliche Änderung des Dienstvertrags, die Elsners zweite Ehefrau pensionsmäßig besser stellen sollte. Auch hierzu kann Nidetzky nichts sagen.

"Haben Sie überprüft, ob sich die Pensionsabfindung mit dem Dienstvertrag Elsners vereinbaren lässt?", fragt Krakow. "Nein, das war nicht Gegenstand des Auftrags." – Erstauntes Lächeln, nächste Frage: "Von wem haben Sie denn diesen Auftrag erhalten?" – "Vom Herrn Elsner", antwortet Nidetzky, der zuvor auf eine Frage der Laienrichterin gemeint hatte, sein Gutachten sei "zur Gänze" von der Bawag, nicht von Elsner bezahlt worden.

Themenwechsel. "Warum hat Herr Elsner Sie zum Chef der Gambit-Stiftung bestellt?" – "Das müssen Sie Herrn Elsner fragen." – "Haben Sie Ihn nicht gefragt?" – "Nein, für mich war das eine Ehre."

Der Staatsanwalt spricht Weninger auf ein Schreiben an, laut dem dieser der Berechnung auf Basis 2001 seinen unterschriftlichen Segen gegeben habe. Weninger gibt an, dieses Schreiben sei "nachher ausgebessert" worden, er "verstehe nicht", warum der Staatsanwalt über das Schriftstück verfügt.

Krakow will nun wissen, ob sich Weninger an die nachträgliche Dienstvertragsänderung Elsners erinnern könne, die Weninger selbst unterschrieben habe. Weninger, kryptisch: Er habe das nicht unterschrieben, "das ist zwar meine Unterschrift, richtig", aber das sei eine Unterschrift, die er "für andere Anlässe" verwendet habe. "Auf Dokumenten habe ich in der Regel nicht Vor- und Zuname verwendet, sondern nur auf Gratulationsschreiben."

Auch Elsner kann sich nicht genau an die Änderung des Dienstvertrags erinnern, das sei "eine Sache der Personalabteilung" gewesen. "Aber das haben Sie doch unterfertigt!", ruft der Staatsanwalt. "Das weiß ich doch, ich bin doch nicht blöd. Aber Sie müssen Ihre Fragen eben präzis stellen, dann kann ich sie beantworten."

"Warum wurde das genau im Jahr 1998 geändert – kurz bevor die Verluste eingetreten sind?" fragt Krakow. Elsner meint, das habe damit zu tun, "dass ich das zweite Mal geheiratet habe." – "Wissen Sie noch, wann Sie das zweite Mal geheiratet haben?" – Schulterzucken. "Wissen Sie, wann Sie sich von Ihrer ersten Frau haben scheiden lassen?" – "Ich weiß nicht, aber das muss davor gewesen sein." Gelächter im Saal.

10:10 Uhr

Die Richterin kann nach längerer Befragung Nidetzkys immer noch nicht nachvollziehen, warum die Abfindung zwar im Jahr 2000 vorgenommen wurde, aber auf Basis des nachfolgenden Jahres 2001 berechnet wurde, wobei eine danach folgende Gehaltserhöhung auch gleich –abfindungserhöhend – berücksichtigt wurde. "Was war jetzt wirklich der Grund?", wird die Richterin ungeduldig. "Das weiß ich nicht", sagt Nidetzky, aber bei der Lohnsteuerprüfung sei das jedenfalls nicht bemängelt worden.

"Herr Weninger!", fordert die Richterin den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden nun zur Stellungnahme auf. Der betont, dass er damals, als die Abfindung im Gremium zur Absegnung vorlag, bereits dezidiert festgestellt hatte, er könne es "nicht vertreten", das besser bezahlte Jahr 2001 als Basis zu nehmen, und der Aufsichtsrat habe auch das Jahr 2000 als Bemessungsgrundlage beschlossen. "Herr Weninger, ist also etwas anderes durchgeführt worden, als der Aufsichtsrat beschlossen hat?" – "Eindeutig!"

Nun wird Elsner befragt. Er stellt "erstens" – ungewöhnlich lebhaft und energisch – fest, dass die Abfindung "nicht meine Idee" gewesen sei, sondern die seines Steuerberaters. "Zweitens" hätte er es "gar nicht akzeptiert", wäre das Jahr 2000 für die Berechnung herangezogen worden, "denn dann wäre ja die Prämie in die Bemessungsgrundlage hineingefallen."

"Ich hab's nicht beschlossen und auch nicht unterschrieben." Aber so, wie das Weninger ausgesagt hat, "stimmt das sicher nicht", sagt Elsner.

9:20 Uhr

Tag 43 im Bawag-Prozess beginnt mit leichter Verspätung. Wirtschaftsprüfer Gerhard Nidetzky, von Dezember 2000 bis April 2003 im Vorstand von Elsners Privatstiftung Gambit und Elsners Ex-Steuerberater, wird als erster Zeuge in den Saal gerufen.

Richterin Bandion-Ortner tröstet Nidetzky schon vorab, er werde "nur zu einem sehr begrenzten Thema" befragt, nämlich zur umstrittenen Pensionsabfindung Elsners. "Ich war an und für sich der, der nach einem Gespräch mit dem Herrn Elsner die Grundlagen dieser Pensionabfindung abgeklärt hat", sagt Nidetzky.

"Wie wird so eine Abfindung berechnet?", fragt die Richterin. Nidetzky: Man nehme 60 Prozent des Jahresbezugs des letzten Berufsjahres. Diesem letzten Berufsjahr habe man sich diesem "interpretativ annähern" müssen, sagt Nidetzky, man habe sich aufs Jahr 2001 geeinigt – "Das waren 8,8 Millionen." – "Warum hat man nicht das Jahr 2000 genommen?", fragt die Richterin. Da er in diesem Jahr "offensichtlich" eine hohe Prämie bekommen hätte, die man in die Berechnung hätte hineinnehmen müssen, vermutet Nidetzky, genau weiß er es aber nicht, "das waren interne Diskussionen".

"Ist es richtig, dass die Abfindung aus steuerlichen Gründen vorgenommen wurde?", fragt die Richterin. Nicht nur, meint Nidetzky: "Diese Pensionsabfindung ist ja nichts Besonderes", darüber hinaus habe auch die Bank ein Interesse daran gehabt, die Abfindung "möglichst bald" durchzuführen: Da der genaue Betrag der Abfindung aufgrund bestimmter Vertragsbestimmungen nicht genau vorhersehbar war, sei es der Bawag daran gelegen, "den unsicheren Schuldbetrag aus der Bilanz zu eliminieren".