Tröpfcheninfektion
Eine besonders aggressive Form ist die sogenannte invasive Pneumokokkenerkrankung, die vor allem für Kinder unter zwei Jahren mit einem unausgereiften Immunsystem und ältere Menschen gefährlich ist. Pneumokokken werden wie Erkältungen durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen, ein Schutz ist deshalb fast nicht möglich.
Statistik
Laut WHO sterben jährlich 1,4 Millionen Menschen an durch Pneumokokken hervorgerufene Lungenentzündung, 50.000 an Hirnhautentzündung, in Österreich erkranken rund 9000 Menschen pro Jahr an von Pneumokokken verursachter Lungenentzündung, die Zahl der Todesfälle beläuft sich auf 900. "Diesen Krankheitserregern wurde bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt", ist Christoph Wenisch, Abteilungsvorstand der Infektions- und Tropenmedizin am Kaiser-Franz-Josef-Spital, überzeugt.
Kampagne
Im Rahmen einer Awareness-Kampagne fordern Ärzte und Apotheker eine generelle, kostenlose Kinderimpfung. Der Status quo: Momentan werden nur Risikokinder etwa mit Immundefekten, chronischen und neurologischen Erkrankungen oder Kinder nach Organtransplantationen kostenlos geimpft. Das sind etwa fünf bis zehn Prozent aller Kinder unter zwei Jahren.
Herdenimmunität
Es geht aber schlussendlich, um etwas, das die Epidemiologen als "Herdenimmunität" bezeichnen: Geimpfte Kleinkinder werden zu Nichtüberträgern und können Familienangehörige nicht anstecken - so lautet das Argument für eine allgemeine Impfung. "Die Umwegrentabilität dieser Impfung ist sehr groß", erklärt Herwig Kollaritsch vom Institut für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Med-Uni Wien und zitierte eine Studie aus den USA.
Dort werden die Kinder schon längere Zeit allgemein gegen Pneumokokken geimpft, und es hat sich gezeigt, dass damit nicht nur die invasiven Pneumokokkeninfektionen, sondern auch die Lungenentzündungen merklich zurückgegangen sind. Und zwar nicht nur bei Kindern, sondern auch bei älteren Menschen, die oft von ihren Enkeln angesteckt würden.
So plädiert auch Christiane Körner, Vizepräsidentin der Apothekerkammer, dafür, "das Bewusstsein zu schärfen und auch Nichtrisikokinder zu impfen".
Schlechtes Zeugnis
Weil nur eine kleine Gruppe von Kindern in Österreich geimpft ist, fiel auch eine an der Med-Uni Wien durchgeführte Studie zu Pneumokokken-Neuerkrankungen zwischen Februar 2001 bis Jänner 2007 schlecht aus. "Die bisherige Impflage nahm keinen Einfluss auf die Häufigkeit von schweren systemischen Pneumokokkeninfektionen", fasst Kollaritsch zusammen. Im Studienzeitraum wurden 177 hospitalisierte, mit Pneumokokken infizierte Kinder unter fünf Jahren gemeldet.
Kleinkinder unter zwei Jahren waren im Vergleich mit den Zwei- bis Fünfjährigen sogar doppelt so oft betroffen. "Ich bedaure jede schwere Erkrankung, die nicht sein muss, in einem Land, in dem es die Möglichkeit gibt, bestimmte Erkrankungen zu verhindern", sagt Ingomar Mutz, Vorsitzender des österreichischen Impfausschusses des Obersten Sanitätsrates. Was er meint: Die allgemeine Pneumokokken-Kinderimpfung, die bisher aus finanziellen Gründen nicht eingeführt wurde. Dabei gäbe es hier eine Kosten-Nutzen-Rechnung, "die eindeutig positiv ausfällt", sagt Kollaritsch. Die Impfungen würden weniger kosten als die Behandlung der Krankheiten, die dadurch vermieden werden könnten.
Mutz führt das Problem auf einen Fehler im System zurück: "Es gibt keine Kostenwahrheit." Die Prophylaxe werde von jemand anderem gezahlt als die Krankheitsbehandlung, was aus der Kostenaufteilung des Gesundheitssystems auf Ministerium, Länder und Krankenkassen resultiert.
Immunabwehr
Derzeit gibt es zwei verschiedene Impfstoffe auf dem Markt. Einen Polysaccharidimpfstoff gibt es schon länger, er ist vor allem für Erwachsene bestimmt und wirkt gegen die 23 von insgesamt 80 Serotypen, die für 90 Prozent der Erkrankungen verantwortlich sind. Es handelt sich um einen Totimpfstoffe, der also nur jene Bestandteile der Pneumokokkenerreger enthält, die für das Auslösen einer schützenden Immunantwort notwendig sind. Der Oberste Sanitätsrat empfiehlt die Impfung auch für Menschen ab dem 60. Lebensjahr.