Regieren heißt, auch unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen
durchzuziehen – im Zweifelsfall ohne Sanktus der Betroffenen - Von Gerald John
Redaktion
,
Die Einkommenssteuer muss weg. Es ist falsch, von oben etwas zu verordnen,
was unten nicht gewollt wird.
Die
Mitbestimmung
der Steuerzahler
muss gesichert sein.
Und wenn es
keinen Konsens gibt, bedeutet
das, dass es die Mehrheit der Leute nicht will.
Eine
verpflichtende,
einheitliche
Steuer ist keine
Zukunftsperspektive
.
Vielleicht setzt Vizekanzler Wilhelm Molterer demnächst zu diesem Plädoyer an.
Oder bringt ähnlich beliebte Errungenschaften wie die Pensionsreform oder die
0,8-Promille-Grenze für Autofahrer zu Fall. Geübt hat er ja schon.
Mit den zitierten Argumenten - die kursiven Passagen stammen aus einem
Standard-Interview - kämpft ÖVP-Chef Molterer derzeit gegen die von der SPÖ
geforderte "Neue Mittelschule". Selbst Schulversuche will die ÖVP nur dann
zulassen, wenn die Eltern und Lehrer zustimmen. Und zwar auch jene, deren
Schützlinge gar nicht betroffen sind.
Das Kalkül ist durchsichtig. Mit gutem Grund baut die ÖVP darauf, dass viele
Lehrer und Eltern die verhasste Gesamtschule im Einzelfall ohnehin ablehnen
würden. Je höher die Bildungsinstitution, desto weiterverbreitet der
Standesdünkel. Väter und Mütter fürchten, dass ihre ach so begabten Sprösslinge
von minderbemittelten Mitschülern gehemmt würden. AHS-"Professoren"
kämpfen um den Status als Elite der Lehrerschaft.
Die ÖVP hat das gute Recht, gegen die Gesamtschule zu sein. Aber dann soll sie
Sachargumente ins Treffen führen und sich nicht hinter einer Klientel
verschanzen. Regieren heißt, auch unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen
durchzuziehen - im Zweifelsfall ohne Sanktus der Betroffenen, die sich bei
Wahlen ohnehin artikulieren können. Mit Rücksicht auf ein diffuses
Volksempfinden ließe sich so einiges abschaffen, auf das der Staat nicht
verzichten kann. Oder zahlen Sie gerne Steuern? (DER STANDARD, Printausgabe,
30.10.2007)
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