Cortina d’Ampezzo und zwei weitere ladinische Gemeinden des Veneto wünschen eine Angliederung an die Provinz Bozen. Südtirols Landeshauptmann Durnwalder will sie „nach Kräften unterstützen“, sein Kollege im Veneto sieht indes einen Sturm aufziehen.

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„Jetzt wird unser Traum Wirklichkeit“, jubelt Siro Bigontina. Euphorisch schwingt der prominente Ladinervertreter eine weiß-rote Fahne mit dem Tiroler Adler. Bigontina schwärmt gar vom „Fall der Berliner Mauer“. Die von ihm initiierte Volksabstimmung hat am Montag Fakten gesetzt: Italiens mondänster Wintersportort, Cortina d’Ampezzo, will zu Südtirol. Fast 80 Prozent der Wähler in Cortina und den ladinischen Nachbargemeinden Livinallongo (Buchenstein) und Colle Santa Lucia stimmten Sonntag und Montag für einen Wechsel von Venetien zur autonomen Region Trentino-Südtirol.

Eine Ohrfeige für Venetiens Präsident Giancarlo Galan, der Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder „Destabilisierung“ vorwirft. Der Berlusconi-Intimus will Cortinas Seitenwechsel notfalls vor dem Verfassungsgericht und dem EU-Gerichtshof anfechten. Galan, dem die „unhaltbaren Privilegien“ der Südtiroler schon lange ein Dorn im Auge sind, hatte die Volksabstimmung als „unnützen Unfug“ gebrandmarkt. Der Wunsch nach Sezession habe rein wirtschaftliche Gründe.

Für den Mitinitiator des Referendums, Eddy Demenego, ist es dagegen „eine Rückkehr nach über 80 Jahren Zwangsaufenthalt“. Cortina habe schließlich „vier Jahrhunderte der k.u.k.-Monarchie angehört“. Darauf verweist auch Durnwalder, der das Ergebnis des Referendums „als deutliches Bekenntnis zu ladinischer Identität und zu historischen Wurzeln“ interpretiert. Den Wunsch Cortinas und seiner Nachbargemeinden will er „nach Kräften unterstützen“. Eine Absicht, die Galan zu düsteren Drohungen veranlasst: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“

Von einem Wechsel zur Nachbarregion träumen in den Ampezzaner Dolomiten vor allem Ladiner. Vergeblich hatten sie 1945 gegen eine Teilung ihres Siedlungsgebietes protestiert. In Südtirol sieht das Autonomiestatut besonderen Schutz ihrer Sprache und Kultur vor. Der Unterricht ihres rätoromanischen Idioms in der Schule ist gesichert. Im Veneto scheint ihre Assimilierung kaum aufzuhalten.

In Cortina ist die Euphorie eher begrenzt. Bürgermeister Andrea Franceschi lobt das Referendum als „demokratischen Akt“. Festlegen will er sich nicht: „Der Weg ist lang und hürdenreich.“ Der Ex-Weltklasse-Abfahrer Kristian Ghedina spricht aus, was viele denken: „Wir verfügen weder über Zuganschluss noch über Flughafen; Parkplätze und Infrastrukturen fehlen. Im Südtiroler Gadertal wird dem Gast viel mehr geboten.“ Dort biete auch ein Dreisterne-Hotel erstklassiges Service.

Der Abschied bleibt vorerst eine Willensäußerung. Das Referendum ist nur der erste Schritt. Nun ist das römische Parlament am Zug, das ein entsprechendes Gesetz verabschieden muss. Cortinas Angliederung muss schließlich von den Landtagen in Bozen und Trient gutgeheißen werden. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 31.10./1.11.2007)