Nach dem Parteitag der SPD wird die Stimmung in der deutschen Koalition merklich schlechter. Die Union will von den Beschlüssen des Regierungspartners so gut wie nichts umsetzen und wähnt diesen in der ideologischen "Steinzeit". Die FDP fordert Neuwahlen.

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Klimagespräche in Neu Delhi, Wirtschaftsdialog in Bombay. Das sind Programmpunkte, der viertägigen Indienreise von Angela Merkel. Doch bevor sich die deutsche Kanzlerin am Montag wieder einmal von der innenpolitischen Bühne verabschiedete, hinterließ sie der SPD noch ein paar klare Botschaften: Tempo 130 auf Autobahnen - "mit mir wird es das nicht geben". Mehr Arbeitslosengeld I für Ältere - nur, wenn es nichts kostet. "Volksaktien" ohne Stimmrechte für die geplante Bahn-Privatisierung - "gefährdet" die Reform. Sprach's, fügte noch hinzu, dass es mit ihr keinen zwei Jahre dauernden Wahlkampf geben werde und stieg mit großer Wirtschaftsdelegation ins Flugzeug.

Wie sauer die CDU über den Linksruck der SPD ist, durfte dann CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla noch deutlicher machen: "Die CDU wird dafür sorgen, dass die ganzen aufschwungfeindlichen Beschlüsse des SPD-Parteitags nie Regierungspolitik werden." Wenn die SPD in ihrem neuen Grundsatzprogramm die marxistische Gesellschaftsanalyse als eine ihrer Wurzeln und den demokratischen Sozialismus als Zielperspektive ihres Handelns beschreibe, dann sei das "Mottenkiste pur" und ein "Rückfall in die Steinzeit".

Pofalla erwartet nun nach den Parteitags-Beschlüssen der Sozialdemokraten einen "Richtungswahlkampf" in Deutschland. Unzufrieden ist auch die Dritte im Bunde - die CSU. SPD-Chef Kurt Beck habe "den Rückwärtsgang" eingelegt und müsse aufpassen, "dass er nicht einen Bruch in der Koalition riskiert", sagt die neue CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer.

Die Nagelprobe in der Koalition erfolgt am 4. November. Da werden die Koalitionsspitzen zum ersten Mal über die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I sprechen. Das von der SPD beschlossene Modell hat (je nach Konjunkturlage) Kosten zwischen einer und drei Milliarden Euro zur Folge. Diese zu bezahlen ist die Union aber nicht bereit.

Merkel will eine "kostenneutrale" Lösung. Wenn man also den Älteren mehr gibt, könnte dies bei den jüngeren Beitragszahlern eingespart werden. Für FDP-Generalsekretär Dirk Niebel ist die Koalition bereits "handlungsunfähig". Um in den kommenden zwei Jahren einen "Dauerwahlkampf" zu vermeiden, müsse es jetzt zügig Neuwahlen geben. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 30.10.2007)