Wien - Pensionsexperten fordern angesichts des prognostizierten Anstiegs der Lebenserwartung um 4,6 Prozent Änderungen im Pensionssystem. So hält der Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal Adaptierungen des derzeitigen ASVG-Modells für "unumgänglich". Er rief die Pensionskommission im Gespräch mit der APA zu einer Neubewertung der Situation auf. "Es muss was geschehen", meinte auch der frühere Vorsitzende der Pensionsreformkommission Theodor Tomandl. Der Leiter der Arbeiterkammer-Abteilung Sozialversicherung Helmut Ivansits gab indes zu Bedenken, dass der Anstieg der Lebenserwartung durch andere demografische Entwicklungen ausgeglichen werden könnte.

"Befremdlich"

Mazal zeigte sich wenig überrascht von den neuesten Daten der Statistik Austria. Demnach wird die Lebenserwartung für heute 65-Jährige bis zum Jahr 2050 um durchschnittlich 4,6 Prozent steigen. Dies sei zu erwarten gewesen, meinte der Jurist im Gespräch mit der APA. Aus diesem Grund habe er es auch "befremdlich" gefunden, als die "Kommission zur langfristigen Pensionssicherung" bereits vor einem Monat Entwarnung für Veränderungen gegeben und sich dabei auf ältere Daten gestützt habe, so Mazal.

Die genannte Kommission hat alle drei Jahre einen Bericht über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit der Pensionen bis zum Jahr 2050 zu erstatten. Wenn eine Erhöhung der Lebenserwartung um mehr als drei Prozent bis zum Jahr 2050 festgestellt wird, hat das Gremium im Bericht Vorschläge zu machen, wie dieser Mehraufwand durch "nachhaltige Reformmaßnahmen" ausgeglichen werden kann. Ende September wurde bereits ein Bericht vorgelegt, wonach kein Handlungsbedarf für eine etwaige weitere Pensionsreform festgestellt wurde.

Adaptierungen "unumgänglich"

Für Mazal sind Adaptierungen des derzeitigen ASVG-Modells "unumgänglich". Er forderte die Kommission auf, die jüngsten Statistiken zur Kenntnis zu nehmen und dementsprechend neu zu bewerten. Nach dem geltenden Gesetz müsse an mehreren Schrauben gedreht werden: unter anderem dem Beitragssatz, den Pensionsanpassungen und der Frage des Antrittsalters, so Mazal. Konkrete Vorschläge wollte der Jurist nicht machen, jetzt müssten Mathematiker "seriös über das Gesamtsystem" gehen, meinte er.

Handlungsbedarf ortet auch der Pensionsexperte und frühere Leiter der Pensionsreformkommission, Theodor Tomandl. "Es muss was geschehen," erklärte er gegenüber der APA, sonst werde es zu "immer weiteren Schwierigkeiten" kommen. Tomandl hält das Pensionssystem grundsätzlich auch in Zukunft für finanzierbar. Dafür ausschlaggebend sei, dass die Parameter Pensionshöhe, Staatszuschuss, Pensionsformel, Anpassungen und das Antrittsalter "in ausgewogener Weise" berücksichtigt werden. Auch Faktoren wie die Produktivität und die Beschäftigungssituation müssten in die Überlegungen der Kommission einfließen, so der Experte. Schließlich verwies Tomandl aber auch auf die Kompetenzen in der Causa: das Gremium könne "nur Vorschläge" machen, ob diese dann auch angenommen würden, sei Frage der Politik. (APA)