Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Markus Beyrer, fordert nun die rot-schwarze Koalition auf, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Man brauche ein Gesetz, mit dem das Pensionsantrittsalter automatisch an die steigende Lebenserwartung angepasst werde. „So könnte man das Thema der Tagespolitik entziehen“, sagte Beyrer dem Standard. „Denn offenbar ist es nicht einmal in einem Nicht-Wahljahr möglich, das Thema sachlich zu diskutieren.“ Er hoffe aber, dass sich die „Kraft des Faktischen“ durchsetze, so Beyrer.
Inhaltliche Unterstützung bekommt die Industrie vom Pensionsexperten Bernd Marin. Auch er hält einen „Lebenserwartungsfaktor“ für „eine pragmatische und vernünftige Idee“. Marin im Standard-Gespräch: „Daran wird langfristig kein Weg vorbeiführen. Wenn die Lebenserwartung stark steigt, muss man auch etwas länger arbeiten.“
Der Experte rechnet aber nicht damit, dass sich die Koalition wirklich zur Konkretisierung des bereits 2003 beschlossenen „Nachhaltigkeitsfaktors“ durchringen wird können. „Weil sich kaum wer über das Thema drüber traut. Niemand möchte die Wahrheit aussprechen. Es geht nur darum, sich gegenseitig das Bummerl zuzuschieben.“
Der Nachhaltigkeitsfaktor sieht vor: Wenn die Lebenserwartung stärker als 3 Prozent steigt – wie das jetzt der Fall ist – muss die Pensionskommission im Sozialministerium Vorschläge erarbeiten, wie der finanzielle Mehraufwand gedeckt werden kann. Neben dem Pensionsalter sind auch Parameter wie Beitragssatz oder jährliche Pensionsanpassung zu berücksichtigen. Mit den Daten der Statistik Austria soll die Kommission nun bis Februar einen neuen Bericht erarbeiten. Verbindlich sind die Vorschläge nicht.
Und deshalb sei auch eine Präzisierung nötig, meint Marin. „Man braucht zuerst eine klare Zielvorstellung, wohin man will, und dann einen Kompass und Wissen, an welchem Knöpfchen man dreht. Überall gleichzeitig drehen ist unsinnig und gefährlich.“