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"Also, lass uns einen Dialog führen, Raja": Der Austauschschüler aus Pakistan als Außenseiter in Wisconsin.

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Endlich hat das amerikanische Fernsehen eine witzige Antwort auf die 9/11-Ängste gefunden: In der Fernsehserie "Aliens in America" gibt NBC einem jungen Muslim aus Pakistan die sympathische Hauptrolle.

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Eine Schulklasse in Wisconsin. Die Lehrerin stellt den Neuen vor als "echten Pakistani, der Muslimismus praktiziert". Raja Musharraf erstaunt die Verballhornung des Wortes Islam. Das war nur der Anfang: "Also, lass uns einen Dialog führen, Raja", sagt die Pädagogin mit schriller Stimme.

"Du bist so anders als wir. Wie fühlt sich das an?" Er verstehe nicht ganz, kann der 16-Jährige einwerfen, da meldet sich die Klassenstreberin zu Wort: "Wir sind sauer, weil seine Leute diese Gebäude in New York in die Luft gesprengt haben." "Aber das stimmt so nicht", erwidert der Jugendliche, wofür er sich prompt einen Rüffel einfängt. In Amerika, belehrt ihn die Lehrerin, redet ein Schüler nur, wenn man ihn dazu auffordert. "Also, noch mal von vorn, wer ist noch sauer auf Raja?"

Außerirdische in Amerika

Seit Anfang Oktober läuft "Aliens in America", ein Hit der Fernsehsaison. Außerirdische in Amerika: Dahinter steckt ein großes Thema. Wie geht das Land sechs Jahre danach mit 9/11 um? Paranoia auf alles Islamische? Oder lernt es zu differenzieren?

Andere Serien zum Thema wie "Sleeper Cell" folgen alle demselben roten Faden. Die USA sind bedroht, haben rund um die Uhr wachsam zu sein, um religiös-fanatischen Bösewichtern das Handwerk zu legen. Ganz anders "Aliens in America". Einen Muslim nicht nur als Hauptdarsteller zu nehmen, sondern auch noch als sympathischen Hauptdarsteller, "das darf in diesen Zeiten fast schon als subversiv gelten", schreibt David Bianculli, ein Fernsehkritiker aus New York, in ironischem Ton.

Kein Umtausch

Die Geschichte beginnt mit einem scheuen, kontaktarmen Teenager und seiner besorgten Mama. Justin Tolchuck ist als Außenseiter, als Spinner verschrien, hat keine Freunde, nur eine Schwester, die nicht mit ihm redet. Franny, seine Mutter, beschließt, einen Austauschschüler ins beschauliche Medora zu holen, auf dass ihr Sohn einen Kumpel habe. Es kommt aber nicht der Typ des blonden, blauäugigen Schweden, der ihr auf dem Titel der Schüleraustausch-Broschüre so gut gefiel. Es kommt Raja Musharraf.

Über seinem pechschwarzen Haar trägt der Junge eine gehäkelte Gebetskappe und am Leib Südasiens wallenden Salwar Kamiz. "Können wir den zurückgeben?", fragt Mutter Tolchuck. "Völlig unmöglich", erwidert ihr Mann. "Wieso nicht", beharrt Franny, "wenn ich eine Kaffeemaschine bestelle und einen Toaster bekomme, kann ich den Toaster doch auch zurückgeben."

Irgendwann freunden sich die Tolchucks mit dem klugen, überaus höflichen Raja an, während er in der Schule tagtäglich Spießruten laufen muss und eines Tages verhaftet wird - wegen verdächtiger Aktivitäten. "Mensch, plötzlich bin ich nicht mehr der Außenseiter, nur noch der Spinner", staunt Justin Tolchuck.

Regisseur David Guarascio weiß, wie das ist mit Klischees. Er trägt schulterlanges Haar, einen Bart und wird öfter auf Flughäfen aufgehalten: "Nach dem Raster falle ich wohl unter die Kategorie Rauschgiftsüchtiger." (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD; Printausgabe, 31.10./1.11.2007)