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21 der 28 Angeklagten wurden schuldig gesprochen. Für fünf der acht Hauptverdächtigen gab es Freisprüche.

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Freispruch für al Sayed, der per Videokonferenz aus Mailand zugeschaltet war.

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Das Urteil gegen die 28 Angeklagten wegen der Bombenanschläge auf die Pendlerzüge in Madrid am 11. März 2004 endete mit einem überraschenden Freispruch für Rabei Osman al Sayed und sechs weitere Angeklagte. Osman al Sayed war laut Staatsanwaltschaft der geistige Urheber der Islamistenzelle von Madrid.

Das Gericht widersprach in dem am Dienstag verkündeten Urteil dieser Darstellung. Nur drei – anstatt wie von der Staatsanwaltschaft gefordert acht Hauptangeklagten – wurden zu Strafen zwischen 34.000 und 42.000 Jahren Haft verurteilt und damit des 192-fachen Mordes sowie über des 1856-fachen Mordversuchs für schuldig befunden. Die anderen Hauptangeklagten wurden wie Osman al Sayed von der Urheberschaft der Anschläge freigesprochen, müssen aber wegen Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe hinter Gitter.

Bei den drei verurteilten Haupttätern handelt es sich um den Spanier José Emilio Suárez Trashorros, der den Sprengstoff aus einem Bergwerk entwendete und an die Attentäter verkaufte, sowie die beiden Marokkaner Jamal Zougam und Othman al Gnaoui. Sie wurden beide der direkten Tatbeteiligung für schuldig befunden.

Sieben Mitglieder der Terrorzelle sprengten sich drei Wochen nach dem Attentat in einem Madrider Vorort in die Luft, um sich der Verhaftung zu entziehen. Die Anschuldigung gegen Rabei Osman al Sayed ließ sich nicht aufrecht- erhalten. Der in Italien wegen Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe einsitzende Ägypter soll in einem von der Polizei abgehörten Gespräch damit geprahlt haben, die Idee der Bomben in Madrid stamme von ihm. Die Gerichtsdolmetscher in Madrid konnten diese Sätze allerdings nicht aus dem Gespräch heraushören.

Richter Gómez Bermúdez schloss jede Verbindung der Täter mit der baskischen Separatistenorganisation ETA aus. Ein Teil der spanischen Presse, sowie die konservative Opposition der Partido Popular (PP) hatte bis zum Schluss versucht, einen solchen Zusammenhang herzustellen. Damit sollte der zum Tatzeitpunkt regierende Konservative José María Aznar reingewaschen werden.

Zu lange hatten er versucht, das Massaker der ETA anzuhängen, um so von dem Terror als Konsequenz der spanischen Beteiligung am Irakkrieg abzulenken. Die belogenen Spanier wählten drei Tage nach dem Anschlag den Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero zum Premier. Die Sitzung des Gerichtes auf dem alten Madrider Messegelände begann am Dienstag mit einer halben Stunde Verzögerung. Zu groß war der Andrang von Opfern und deren Familienangehörigen. Für sie war eigens ein Raum hergerichtet worden, in dem sie live verfolgen konnten, wie Richter Bermúdez in etwas mehr als einer Stunde die Zusammenfassung des über 600 Seiten langen Urteils verlas. Die meisten Opfer wirkten niedergeschlagen, als sie den Gerichtssaal verließen. Pilar Manjón, Vorsitzende der größten Vereinigung der Opfer, die selbst ihren Sohn verloren hat, sagte verärgert beim Verlassen des Gerichtsgeländes: „Uns gefällt es nicht, dass Mörder frei herumlaufen. Wir gehen in Berufung.“ Regierungschef Zapatero zeigte sich hingegen zufrieden, das Urteil habe „die Wahrheit ans Licht gebracht“. Doch der politische Streit dürfte weitergehen. Der konservative Oppositionsführer Mariano Rajoy, kündigte an, neue Nachforschungen über die Drahtzieher unterstützen zu wollen. (Reiner Wandler aus Madrid, DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2007)