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Auch in China sind Versorgungsengpässe aufgetreten. Die Amerikaner tanken aber weiter.

Foto: Reuters
Wochenlang hatte sich der Ölpreis allmählich der magischen 100-Dollar-Marke genähert, ohne unter Politikern und Ökonomen große Aufregung auszulösen. Doch als der Preis für ein Fass US-Leichtöl der Sorte WTI am Donnerstag erstmals über 96 Dollar (66,45 Euro) sprang, war es mit der Gelassenheit vorbei.

Höhere Fördermengen

EU-Energiekommissar Andris Piebalgs zeigte sich über den hohen Ölpreis besorgt und forderte das Ölkartell Opec auf, durch eine höhere Erdölförderung den Märkten zu signalisieren, dass sie über Reservekapazitäten im Falle eines Versorgungsengpasses verfügt. Der Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris, Fatih Birol, sagte in einem Interview mit der New York Times, der große Energiehunger von China und Indien werde den Ölpreis auch in Zukunft hochhalten. Diese werde sich in der Abschwächung der Weltkonjunktur niederschlagen, warnte er. In der Vergangenheit hatte sich die IEA eher unbesorgt über die langfristigen Preistrends gezeigt. Doch in der Vorbereitung des IEA-Jahresberichtes, der nächste Woche erscheinen soll, habe er in Sachen Ölpreisentwicklung ein geistiges "Erdbeben" erlebt, berichtete Birol.

Auch der Chef des französischen Ölkonzerns, Christophe de Margerie, zeigte sich, anders als OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer im Kurier, besorgt. Die weltweiten Produktionskapazitäten würden nicht so schnell wachsen wie bisher prognostiziert, sagte er. Statt 116 Millionen Fass am Tag werde man 2030 höchstens 100 Millionen Fass fördern können, warnte er. Derzeit werden täglich 85 Millionen Fass Rohöl produziert.

Niedrige Lagervorräte

Der jüngste Preisanstieg wurde durch Nachrichten ausgelöst, dass die amerikanischen Lagervorräte auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen sind. Hintergrund der Hausse sind aber die Spannungen im Nahen Osten, vor allem die Drohungen der Türkei mit einem Einmarsch im Nordirak sowie die Verschärfung im Atomkonflikt zwischen dem Westen und Iran.

In Europa war der hohe Dollarpreis durch die Stärke des Euro gegenüber der US-Währung weniger stark zu spüren. Analysten rechnen jetzt damit, dass der Ölpreis innerhalb weniger Tage die 100-Dollar-Marke knacken könnte. Damit würde auch der um die Inflation bereinigte Höchststand des Ölpreises, der im April 1980 mit 101,70 Dollar (nach heutigem Wert) erreicht hat, eingestellt.

Offen bleibt, ob die Opec tatsächlich zu einer Erhöhung der Förderquoten bereit ist. Der iranische Ölminister Gholamhossein Nosari sagte, die Opec werde bei ihrer informellen Sitzung Mitte des Monats in Riad voraussichtlich nicht über eine Erhöhung der Fördermengen beraten. Es gebe ausreichend Öl auf dem Markt, sagte Nosari.

China erhöht Preise

Die Knappheit in den globalen Ölmärkten macht sich auch in China, dessen boomende Wirtschaft für den langfristigen Anstieg ja hauptsächlich verantwortlich ist, bemerkbar. Erstmals gingen in der Hauptstadt Peking der Treibstoff aus, nachdem einige staatliche Erdölraffinerien die Produktion gedrosselt hatten, weil sie die Verluste nicht mehr schlucken wollten, die ihnen durch die seit Mai 2006 nicht mehr angehoben Treibstoffpreise erwuchsen. Es kam dabei zu langen Schlangen vor den Zapfsäulen und Verzögerungen beim Transport von Exportgütern zum Hafen von Shanghai. Ein Mann wurde bei einer Prügelei vor einer Tankstelle getötet.

Am Donnerstag zog die chinesische Führung die Notbremse und erhöhte die Spritpreise um acht Prozent. Der Schritt droht nun die hohe Inflationsrate von derzeit 6,5 Prozent anzuheizen. Noch im September hatte die Regierung alle Preise für Treibstoff und Grundnahrungsmittel eingefroren, um die Teuerung zu dämpfen, von der die Armen am härtesten getroffen sind. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.11.2007)