Die in Hollywood grassierende Angst vor einem langen Arbeitskampf der Schreiber ist berechtigt. Der letzte Autorenstreik 1988 hatte länger als fünf Monate gedauert und die Branche schätzungsweise 500 Millionen Dollar gekostet.
Gestreikt wird seit dem Wochenende auch am New Yorker Broadway: Die Matinee des Musicals "Dr. Seuss' How the Grinch Stole Christmas!" am Samstagvormittag (Ortszeit) war als erste Produktion von dem Arbeitskampf betroffen. Beliebte Shows wie "Mamma Mia!", "Chicago" und "Hairspray", die tausende Theatergänger nach Manhattan locken, waren am Abend ausgefallen. Mehr als zwei Dutzend Shows sind betroffen.
Groll gegen geplante Lockerung der Arbeitsschutzvorschriften
Am Donnerstag hatte die Muttergewerkschaft der New Yorker Bühnenarbeiter grünes Licht für den Arbeitskampf gegeben. Der Disput dreht sich vor allem um eine von den Produzenten geplante Lockerung der Arbeitsschutzvorschriften. Die Theaterproduzenten verlangen das Recht, selbst über die Zahl der für ihre Show nötigen Bühnenarbeiter zu entscheiden. Bisher gibt es dafür feste Vorgaben. Nach Ansicht der Gewerkschaft bieten die Theater keinen ausreichenden Ausgleich für die Lockerung der Vorschriften. Die bisherigen Arbeitsverträge sind bereits Ende Juli ausgelaufen. Die seit Monaten andauernden zähen Verhandlungen wurden kürzlich erfolglos abgebrochen.
Die streikenden Autoren fahren bereits seit dem vergangenen Montag in New York und Los Angeles schweres Geschütz auf. Zu hunderten ziehen sie mit Spruchbändern und Protestrufen vor Studios, Fernsehzentralen und Medienkonzerne. Sie formieren sich in "Picket Lines" zu menschlichen Barrieren, um möglichen Streikbrechern den Weg in die Büros zu versperren. Mehr als 3.500 Demonstranten marschierten am Freitag auf Hollywoods berühmter "Avenue of the Stars" vor dem 20th Century Fox Studio auf, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Die rund 12.000 gewerkschaftlich organisierten Autoren verlangen mehr Geld für die Weiterverwertung ihrer Arbeiten im Internet und auf DVDs, die Film- und Fernsehproduzenten lehnen das ab. Das bittere Duell hat schnell erste Opfer gefordert. Die Late-Night-Shows von Jay Leno und David Lettermann greifen seit einer Woche zu Wiederholungen. Die Hit-Serie "Desperate Housewives" wurde aus Mangel an Drehbüchern auf Eis gelegt. Sollte der Streik andauern, so würden ihnen schon vor Weihnachten die bereits abgedrehten Episoden ausgehen, teilten die Produzenten mit.
Die siebente Staffel des Agenten-Dramas "24" läuft nicht wie geplant im Jänner an, weil zwei Drittel der 24 Episoden fehlen. Erst nach dem Streik-Ende sollen die Fans erfahren, wie es weiter geht. Dem Krankenhausdrama "ER" dürfte im Jänner die Luft ausgehen, die TV-Ärzte von "Gray's Anatomy" setzen in dieser Woche vor laufender Kamera die letzten Spritzen.
Schneller und massiver als zunächst erwartet ist Hollywood von dem Arbeitskampf betroffen. Zusätzlichen Druck machen die so genannten "Show Runners", die zugleich als Schreiber und Produzenten für Serien verantwortlich sind. Etliche schlossen sich dem Autorenstreik an, auch wenn sie als Produzenten noch reichlich Material auf Vorrat zur Verfügung hatten, um weitere Episoden zu drehen. So legten zum Beispiel die zehn "Show Runners" der Hit-Serie "The Office" gemeinsam mit Serien-Star Steve Carell die Arbeit nieder, das jähe Aus für die Show.
An Star-Power fehlt es den Streikenden nicht. "Desperate Housewives"-Star Eva Longoria händigte nach Ende der Dreharbeiten Pizza an die Streikposten aus. Jay Leno versorgte die Autoren mit Süßigkeiten. Tim Robbins, Julianne Moore und Robin Williams demonstrierten mit. "Hier geht es nicht um schreibende Millionäre", sagte Williams dem "Hollywood Reporter". "Hier geht es um eine große Gruppe von Leuten, die einfach nur ihren fairen Anteil verlangen." Den Beteuerungen der Film- und Fernsehproduzenten, mit Internet-Downloads sei kein Profit zu machen, setzte Williams entgegen: "Dort wird man einmal viel Geld machen". Genau diese neuen Quellen, etwa wenn Filme im Internet und auf Mobiltelefonen verbreitet werden, wollen die Autoren mit anzapfen.
Die Autoren haben aus vergangenen Fehlern gelernt. Bei ihrem Streik 1988 hatten sie sich mit mageren Tantiemen für die Verwertung von Videokassetten abspeisen lassen. Die Produzenten hatten den Marktwert des damals neuen Mediums unterschätzt und heruntergespielt, das ihnen später reichlich Geld in die Kassen brachte.
Zehntausenden Beschäftigten in der Unterhaltungsbranche könnte das Geld bald ausgehen. Allein über hundert Mitarbeiter der nun brachliegenden Serie "The Office", darunter Kameraleute, Friseure, Visagisten, Elektriker, Fahrer und Caterer, sind seit vergangener Woche arbeitslos. Ein Ende des Hollywood-Dramas ist nicht in Sicht. Neue Verhandlungen sind derzeit nicht geplant. Schon wurde der Ruf nach dem "Terminator" laut. Als früherer Filmstar könnte der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger vielleicht vermittelnd eingreifen.
Steven E. de Souza, Verfasser des "Stirb Langsam"-Drehbuchs, hatte 1985 das Skript für den Schwarzenegger-Streifen "Commando" geschrieben. Bei einer Protestaktion in Hollywood am Freitag klopfte er symbolisch an den imaginären Wohnwagen des Action-Helden: "Fünfzehn Minuten, Mr. Schwarzenegger, dann brauchen wir Sie am Set".
Broadway-Streik kostet 17 Millionen Dollar täglich
Der Streik der Bühnenarbeiter am Broadway kostet New York nach Schätzungen der Gewerkschaft täglich etwa 17 Millionen Dollar (fast 12 Millionen Euro). Betroffen sind nicht nur die beliebten Shows an der berühmtesten Theatermeile der Welt, sondern auch viele Restaurants und Geschäfte in der Innenstadt. Auch am Montag, dem dritten Streiktag, zeichnete sich keine Lösung ab. Einem Bericht der "New York Times" zufolge bot Bürgermeister Michael Bloomberg seine Vermittlung an - bisher vergeblich.
Die Bühnenarbeiter hatten am Samstag den Arbeitskampf eröffnet. Sie wehren sich gegen eine Lockerung der Arbeitsschutzvorschriften durch die Theaterproduzenten. Mehr als zwei Dutzend der beliebten Shows fallen seither aus, darunter auch Hits wie "Mamma Mia!", "Chicago", "Hairspray" und "Das Phantom der Oper". Besonders enttäuscht sind Touristen, die oft Monate im Voraus mühsam die teuren Tickets erstanden haben.