Nach dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in Tiflis hatte die Regierung am Mittwoch einen zweiwöchigen, landesweiten Ausnahmezustand verhängt, um nach eigenen Angaben einen "Staatsstreich" zu verhindern. Präsident Michail Saakaschwili beschuldigte Moskau, hinter den tagelangen Protestkundgebungen zu stehen und kündigte die Ausweisung von russischen Diplomaten an. Laut dem Staatsfernsehen wurden der russischen Botschaft am Donnerstag die Namen von drei Diplomaten übermittelt, die das Land verlassen müssen. Russlands Außenministerium wies die Beschuldigungen als "Provokation" zurück und drohte mit einer "angemessenen Antwort".
"Unser Zorn ist ungebrochen"
Die Opposition will nach dem Auslaufen des Ausnahmezustands mit neuen Massenkundgebungen gegen die Politik Saakaschwilis protestieren. "Unser Zorn ist ungebrochen. Wir machen auf jeden Fall weiter", sagte der Vorsitzende der Republikanischen Partei, Iwlian Chaindrawa, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Tiflis. Durch den brutalen Einsatz gegen friedliche Demonstranten habe Saakaschwili gezeigt, dass das Bild des Westens von ihm als Demokrat falsch sei.
"Schmutzige" Kampagne
Der Chef der oppositionellen Zukunftspartei, Giorgi Majisaschwili, machte zwar Saakaschwili für die jüngste Krise verantwortlich, räumte aber gleichzeitig ein, dass ein Teil der Gegner des Präsidenten eine "schmutzige" Kampagne führe. Diese stünden in Verbindung mit "zerstörerischen Kräften aus anderen Ländern, die das georgische Volk manipulieren könnten". "Wir müssen das untersuchen", sagte er.
Machtmissbrauch und Instrumentalisierung
Die georgische Opposition wirft Saakaschwili, dem Anführer der Demokratiebewegung von 2003, Machtmissbrauch, Instrumentalisierung der Justiz sowie eine Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich vor. Sie will vorgezogene Wahlen erzwingen - zeigte sich aber nach der Niederschlagung ihrer Proteste ratlos über ihre künftige Strategie. Zurzeit seien keine weiteren Protestaktionen geplant, teilte der Oppositionelle Davit Usupaschwili am Donnerstag mit. Majisaschwili forderte die Führung in Tiflis auf, den Ausnahmezustand so rasch wie möglich wieder zu beenden. Andernfalls werde seine Partei zum "zivilen Ungehorsam" aufrufen.
Nach den Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften suchten laut Gesundheitsministerium knapp 590 Menschen einen Arzt auf. 20 wurden am Donnerstag noch im Krankenhaus behandelt. Viele Menschen reagierten schockiert - für sie ist der Traum von einem friedlichen Wandel der einstigen Sowjetrepublik in eine prosperierende Demokratie westlichen Zuschnitts beendet. "Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass so etwas passiert", sagte der 47-jährige Wertpapierhändler Nugsar Talawadse. "Ich gehe ganz normal zur Arbeit - aber Georgien ist schon ein anderes Land geworden."