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Dem Magazin "GQ" gab Donald Rumsfeld – im Bild mit Gattin Joyce auf seiner Ranch in New Mexico – das erste Interview seit seinem Rücktritt vor zehn Monaten.

Foto: AP/GQ, Danielle Levitt
Nicht einmal mehr das Weiße Haus ist noch „amused“. Sogar George W. Bush legt Wert darauf, sich von den derben Sprüchen Donald Rumsfelds, seines ehemaligen Verteidigungsministers, zu distanzieren. Was Rumsfeld glaube, stimme ganz und gar nicht überein mit den Ansichten des Präsidenten, gibt Sprecherin Dana Perino zu Protokoll. Sie könne verstehen, wenn es zornige Reaktionen aus der arabischen Welt gebe.

Ihr Ölreichtum habe die Muslime der Arbeit entwöhnt, behauptete Rumsfeld in einer Notiz, ein Satz, über den ägyptische Maurer oder syrische Busfahrer wahrscheinlich nicht mal mehr lachen können. „Zu oft sind Muslime gegen physische Arbeit, deshalb holen sie Koreaner und Pakistani, während ihre jungen Leute arbeitslos bleiben. Eine arbeitslose Bevölkerung lässt sich leicht für den Radikalismus rekrutieren.“

Das Stereotyp von den Arbeitsscheuen provoziert auch in der islamischen Gemeinde Amerikas heftige Proteste. Da sehe man wieder, was für weltfremde Strategen den Irak-Krieg geplant hätten, sagt Ibrahim Hooper, Sprecher des Council on American-Islamic Relations. „Unsere Politik basierte nie auf der Wirklichkeit. Sie basierte auf den wilden Ideen derer, die eine Invasion wollten.“

Die Anmerkung, die so hohe Wellen schlägt, ist nur eine jener E-Mails, die Rumsfeld so dicht in Folge auf seine Untergebenen im Pentagon herabregnen ließ, dass sie intern Schneeflocken hießen. 20 bis 60 Kurznachrichten verfasste der ewig misstrauische, alles kontrollierende, im Ton oft barsche Minister an einem Tag, vier Amtsjahre lang, von 2002 bis 2006. Jetzt hat sie die Washington Post ausgegraben und für Wirbel gesorgt. Skizzieren sie doch einen Mann, dessen Weltbild noch schlichter war, noch mehr von Schwarz und Weiß geprägt, als man bis dato für möglich gehalten hatte.

”Opfer=Sieg”

Im April 2006 – pensionierte Generäle verlangten seinen Rücktritt – verordnete Rumsfeld so etwas wie eine Gegenoffensive. „Reden Sie über Somalia, die Philippinen etc. Lassen sie das amerikanische Volk begreifen, dass es von gewalttätigen Extremisten umzingelt ist.“ Dann würden sich die Leute schon sammeln, um Opfer zu bringen – „Opfer= Sieg“.

Kritik am Zustand des Nachkriegs-Irak wies er als Nörgelei zurück, als Ergebnis falscher Messlatten, wie die Medien sie anlegten. Seine Mitarbeiter wies er an, „Bumper-Sticker-Statements“ zu produzieren, kurz und prägnant wie Autoaufkleber, um die US-Bürger auf den Krieg gegen den Terror einzuschwören. Krieg gegen den Terror? Sollte man vielleicht anders nennen, überlegte Rumsfeld. „Weltweiter Aufstand“ wäre besser. Schließlich sei es die Absicht des Feindes, „die Nichtradikalen aus der Welt zu vertreiben“.

Bei weitem nicht alles, was er verfasste, der Workaholic, der seine Arbeitstage am liebsten stehend am Pult verbrachte, war große Richtlinie. Meist ging es um Kleinigkeiten, etwa darum, aufmüpfige Journalisten zurechtzuweisen. 20. März 2006: Im Philadelphia Inquirer war ein Artikel über den Irakkrieg erschienen, mit dem Tenor, der Feldzug sei schief gegangen. „Bitte lassen sie jemanden eine Punkt-für-Punkt-Analyse der sieben oder so Fehler machen. Ich möchte die Antwort sehen.“

Kurz vor seinem Abtritt, als sich die Gerüchte seiner Demission verdichteten, schrieb die New York Times, dass die USA nun die Chancen hätten, eine Armee wiederaufzubauen, die er heruntergewirtschaftet habe. „Eine Schande“, kommentierte Rumsfeld und forderte eine schriftliche Stellungnahme. Bevor sie fertig war, musste er seinen Hut nehmen. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.11.2007)