Collage: STANDARD
Zeichnung: Oliver Schopf
Wien – Um mehr als 60 Prozent ist der Preis für Rohöl binnen eines Jahres in die Höhe geschnellt – von rund 58 Dollar je Fass (159 Liter) im Herbst 2006 auf gut 96 Dollar bzw. 66,3 Euro jetzt zu Allerheiligen. Nicht nur die Preise an den Zapfsäulen sind auf Rekordniveaus geschnellt, auch Heizöl kostet rekordverdächtig viel. Und Produkte wie Kaugummis, Lippenstifte und Kunststoffe, in die ebenfalls auf die eine oder andere Weise Erdöl einfließt, dürften bei Anhalten des Trends zum Teil empfindlich teurer werden.

Dabei geht es nicht nur um den Herstellungsprozess an sich und um die Transportkosten, die sich bei hohen Öl- und daraus abgeleitet höheren Energiepreisen verteuern. Viele Produkte des täglichen Bedarfs werden aus Erdöl gewonnen oder enthalten zumindest Spuren davon. Das fängt an bei A wie Armaturenbrett (Auto) und geht bis Z wie Zebrastreifen (Farbe). Rund 90 Prozent des verarbeiteten Öls werden verfahren, verflogen oder verheizt. Die verbleibenden etwa zehn Prozent dienen der Chemie-industrie als Ausgangsstoff für eine Palette an Waren, mit denen nicht nur die Kaufhausregale vollgestellt sind. In der Regel sind auch die Regale selbst mit Produkten behandelt, die auf Erdöl basieren, und sei es nur die Lackschicht.

Erdöl im Kaugummi Selbst in Kaugummi kommt Erdöl vor. Nicht nur die Kaumasse, sogar das Menthol, das den Kaugummi so schön nach Minze schmecken lässt, wird aus Erdöl gewonnen. Fast alles, was die chemische Industrie auf den Markt bringt, wird auf Basis von Erdöl hergestellt. Lösungsmittel oder Babywindeln, Kleb- und Kunststoffe, aber auch Medikamente und Waschmittel (siehe Grafik). Selbst in Baumwollkleidung finden sich Spuren von Erdöl, zumal auch die Naturfasern gefärbt werden. Dass die Chemieindustrie so stark auf die klebrige, schwarze Masse aus dem Erdinneren setzt, hat einen Grund: Erdöl verfügt über so genannte langkettige Kohlenwasserstoffe, die für die Chemieindustrie ideal nutzbar sind. Diese werden gespalten, die daraus hervorgehenden kleineren Molekülketten (Ethylen, Propylen, Synthesegas) sind dann die Grundbausteine, aus denen die Chemieindustrie ihre Produkte herstellt. Um Kunststoffe, Lacke oder Klebstoffe zu erhalten, werden diese Grundbausteine in mehreren Arbeitsschritten veredelt, miteinander kombiniert oder mit Wasser, Wasserstoff, Luft oder Ammoniak vermischt.

Inflationsgefahr

Aus 100 kg Öl (entspricht 116 Liter) kann man beispielsweise 3200 Plastiksackerln herstellen, 4200 Einwegspritzen oder 5400 Joghurtbecher. Das hat BASF, der weltgrößte Chemiekonzern, errechnen lassen. All diese Produkte könnten nun teurer werden, sofern die Ölpreishausse anhält. Schon geht die Sorge um, dass die Inflation, das für gebannt geglaubte Schreckgespenst, wieder anspringt. Die Chemiebranche, allen voran in den USA, hat auf steigende Preise und das irgendwann kommende Ende der Erdölproduktion bereits reagiert: Bis zum Jahr 2030 will man dort ein Viertel der organischen Grundstoffe, die heute noch aus fossilen Rohstoffen wie Öl und Gas gewonnen werden, aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugen. Ein Teuerungsschub steht auch bei Erdgas an: Weil der Gaspreis die Preisbewegungen bei Öl in der Regel um ein halbes Jahr zeitversetzt nachvollzieht, dürfte es spätestens im Frühjahr zu Preiserhöhungen bei Gas kommen. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.11.2007)