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Álvaro Colom ließ sich am Montag in Guatemala-Stadt frenetisch feiern. Sein Widersacher Otto Perez gestand seine Niederlage indes ein und versprach eine „konstruktive Opposition“.

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Erstmals seit einem halben Jahrhundert wird ein Sozialdemokrat wieder die Geschicke des mittelamerikanischen Landes lenken. Den Ex-Unternehmer und Maya-Priester Álvaro Colom erwarten schwere Aufgaben: Er muss Gewalt und Elend endlich wirksam bekämpfen.

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Guatemala-Stadt/Caracas – Álvaro Colom ist der Albtraum für jeden Wahlkampfmanager: Er ist hager, trägt Brille, spricht näselnd, verhaspelt sich gerne in seinen langen, komplizierten Sätzen und versprüht überhaupt kein Charisma. Er wirkt eher wie ein etwas linkischer Hochschulprofessor – ein Handicap in einem Land wie Guatemala, wo Politiker seit Generationen im markigen Gutsherrenhabitus daherkommen. Doch dieses Mal, bei seinem dritten Anlauf, gereichte ihm seine besonnene Art zum Vorteil. Offenbar hat die Mehrzahl der Guatemalteken nun genug von polternden Großmäulern, die vollmundige Versprechungen machen, aber nichts davon halten.

Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft hat sich der Sozialdemokrat durchgesetzt. Nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen kam Colom dem Wahlgericht zufolge auf 52,7 Prozent und lag damit knapp fünf Punkte vor seinem Konkurrenten, dem rechten Ex-General Otto Perez. „Nun beginnt ein friedlicher Wandel, wie ihn Guatemala seit langem nicht gesehen hat“, versprach der 56-jährige Ingenieur, der der erste sozialdemokratische Staatschef des mittelamerikanischen Landes seit einem halben Jahrhundert sein wird.

Ihn erwartet eine schwere Aufgabe: Das Land hat sich noch nicht vom Bürgerkrieg (1960-1996) erholt. Die Macht des Militärs wurde zwar beschnitten, aber noch immer lebt die indianische Bevölkerungsmehrheit in bitterer Armut. Die Institutionen sind schwach und von der Mafia unterwandert. Die Gewaltkriminalität ist eine der höchsten des Kontinents.

Colom weiß um das Elend aus erster Hand: Als früherer Verwalter des Friedensfonds kennt er das ländliche Guatemala wie seine Westentasche. Und damit auch die indianische Welt: Er ist einer der wenigen weißen Maya-Priester – ein „Hexer“, wie ihn seine erzkatholischen Gegner nannten.

Im Gegensatz zu seinen Widersachern, die von auf ihre Person zugeschnittenen Wahlbündnissen gestützt wurden, stand hinter Colom eine strukturierte Partei, die er zusammen mit seiner Frau Sandra in langjähriger Arbeit landesweit aufgebaut hat. Kritiker sagen, er hätte auch Drogenhändler in seine Reihen aufgenommen.

Der 56-Jährige stammt aus einer Oberschichtfamilie mit politischer Tradition: Sein Onkel Manuel war in den 70er-Jahren ein beliebter, linksmoderater Bürgermeister mit Präsidentschaftsambitionen, der von der Militärjunta ermordet wurde. Colom selbst widmete sich während des Bürgerkriegs seinen Textilfabriken und begann erst 1991 seine politische Laufbahn.

Zu seinen Vorbildern zählt er auch die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet. Vom populistischen Linksnationalismus eines Hugo Chávez will Colom nichts wissen, obwohl seine Kritiker durchaus versuchten, ihn mit dem umstrittenen Venezolaner in Verbindung zu bringen. (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 6.11.2007)