Michal Viewegh kann offenbar alles mögliche. Er verfasst mühelos ein nostalgisches Werk wie Völkerball oder einen Liebesroman mit dem etwas opportunistischen Titel Roman für Frauen . Was man an seinen Büchern mag, die klare Erzählweise, scheint er auch selbst zu mögen. Schon auf den ersten Seiten seines neuen Romans empfiehlt er seiner Figur: "Fangen Sie ruhig am Anfang an. Ich liebe chronologisch erzählte Geschichten". Und das trifft sich gut, denn Krimis wollen genau so erzählt sein. Das neueste Werk Vieweghs Der Fall untreue Klara ist zweifellos einer. Allerdings ein merkwürdiger. Denn gemordet wird hier zum Schluss und nicht am Anfang. Und dann ist es ein rätselhafter Mord, denn umgebracht wird jemand, der nicht wirklich existiert hat.

Eigentlich beginnt alles ganz einfach: Der Schriftsteller Norbert beauftragt den Detektiv Denis Pravda (Achtung: slawisches Wortspiel – Pravda heißt auf tschechisch Wahrheit), eine junge Frau namens Klara zu beschatten. Verdacht: sie betrügt den zwei Mal älteren Autor. Der Detektiv nimmt die Beschattung auf und ertappt sich dabei, dass er einiges darum gäbe, wenn sich die Beschattete als unschuldig erwiese. Zudem ist er auf eine sonderbare Weise um seinen Auftraggeber, den Schriftsteller, besorgt. Denn er ahnt, dass nicht Klaras Untreue das Problem ist, sondern Norberts krankhafte Eifersucht.

In zahlreichen Gesprächen zwischen Auftraggeber und Detektiv warnt letzterer den Schriftsteller, dass Eifersucht das Produkt von Eigenliebe ist. Von Anfang an erscheint der Detektiv als der Reifere, Abgeklärtere. Er scheint auch den besseren Beruf zu haben, wenn es darum geht, die menschliche Psyche zu erforschen. Während dem Schriftsteller Norbert nur eine notorische Selbstschau zur Verfügung steht, kann der Detektiv auf eine "Sammlung von Fällen" zurückgreifen, denn sein Arbeitsplatz sind die "anderen". Er lernt fast im Spaziergang mehr über das Leben an sich als der scharfbeobachtende Schriftsteller. Als sich herausstellt, dass Klara tatsächlich eine Affäre hat, beschließt der Detektiv, seinen Auftraggeber vor sich selbst zu schützen. Statt seinen Auftrag auszuführen und die Affäre auffliegen zu lassen, vertuscht er sie. Im letzten Teil des Buches kommt es zu einer überraschenden Auflösung. Es ist eine Auflösung, die ein Geheimnis birgt, an dem der Leser noch eine Weile herumkaut.

Fatale Beschattung

Der eifersüchtige Schriftsteller spendiert seinem Detektiv als Dank für die erfolgreiche Beschattungsarbeit eine Reise nach China. Zufällig ist auch Klara dabei. Ein Treffen zwischen Detektiv und dem Gegenstand der Beschattung wird unvermeidlich. Klara verführt schließlich den Detektiv. Nach der Rückkehr erwartet der Schriftsteller die beiden bereits. Aus den beiden "Verrätern" sind Figuren in einer von Norbert eingefädelten Intrige geworden. Dass der krankhaft eifersüchtige Schriftsteller am Ende den Detektiv in seine Gewalt bringt, ist geradezu unausweichlich. Er zwingt ihn, die " Geschichte chronologisch erzählen". Dann tötet er Denis Pravda.

Wäre Der Fall untreue Klara ein philosophischer Roman, wäre auch das Ende philosophisch. Aber es handelt sich um einen Krimi. Daher lautet die Frage: Warum tötet der Autor seine eigene Figur, die drauf und daran war, die Wahrheit über ihn aufzudecken? Warum beseitigt er sein einziges Alibi? Ist er sich nicht bewusst, dass dieser Mord ihn um die Chance bringt selbst lebendig zu werden? Offenbar nicht. Sonst würde der letzte Satz des Buches kaum lauten:"Das war eine Frage, die nicht mal ein Schuss übertönt". (Radek Knapp, ALBUM/DER STANDARD/Printausgabe, 03./04.11.2007)