Wien - Die Leinwand allein genügt nicht: Muntere Visuals flackerten über die Bühne und sammelten sich erst allmählich auf der riesigen weißen Fläche über den Köpfen des Klangforums. Zweite Feststellung: Hatte die Avantgarde früher versucht, die Kunst ins Leben überzuführen, so üben sich heutige Spielarten darin, das Leben bruchlos in die Kunst zu integrieren.

Denn man sah zunächst den Komponisten Beat Furrer mit seiner Partitur in einer Videoprojektion, dann kam er auch schon aufs Podium, um mit seinem Lied, das über das Ende des Liedes hinaus ein anderes Ende finden wollte zu eröffnen. Zugleich flimmerte ein Film über die Leinwand, der zeigte, wie die auf der Bühne spielten und vor der im Hintergrund ablaufenden Partitur, synchron zu ihren Einsätzen, ein- und ausgeblendet wurden.

Danach versammelte das Projekt "Free Radicals" gut zwanzig musikalische und filmische Programmpunkte mit ganz verschiedenen Konstellationen: nur Musik, nur Film, auch Musik mit Film oder aber Film mit Musik. Dass die Gewichtung hier stark variieren kann, zeigte sich im direkten Vergleich jener Fälle, wo ein Kurzfilm mit Soundscape oder Popmusik unterlegt war, mit drei neuen Filmmusiken zu "Le Retour à la Raison" von Man Ray. Hier konnten verschiedene Ansätze ähnlich schlüssige Ergebnisse haben oder, einmal, selbst drei Minuten lang erscheinen lassen.

Ähnlich langatmig wirkte ein unergiebiges Farbenspiel zu einer Chopin-Mazurka, kurzweilig aber unbebilderte Stücke von Schönberg, Stockhausen oder Aperghis. Dass das Projekt Höhen und Tiefen hatte, lag nicht nur an der divergierenden Musikqualität, sondern auch an einer Auswahl bei den Filmen, die man eigenwillig nennen kann.

Der Verdacht, dass die mit Bernhard Zachhuber und Andreas Lindenbaum vom Klangforum für das Konzept verantwortliche Bady Minck ihre witzigen Arbeiten, die den Abend einrahmten, in gutem Licht erscheinen lassen wollte, würde zu kurz greifen. Dennoch waren diese Film-Musik-Sequenzen die schlüssigsten, die, auf unaufdringliche Weise selbstreflexiv, zuerst Dirigent und Ensemble auf die Leinwand projizierten, dann ein Blatt Papier auf dem Schreibtisch der Filmemacherin zur Bühne machten und Momentaufnahmen aus ungewohnter Perspektive zeigten.

Der Umstand, dass der erste und letzte Film nicht nur eng an die Musik - zuletzt von Feldman - angelehnt waren, sondern auch mit je sieben Minuten Dauer mit Abstand die längsten visuellen Programmpunkte, holte zuletzt das Experiment wieder auf sicheren Boden zurück. (Daniel Ender, DER STANDARD/Printausgabe, 03.11.2007)