Doris und Werner Schartmüller betreiben seit zwanzig Jahren den Plattenladen "Rave Up" in Wien-Mariahilf

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Der Wiener Plattenladen "Rave Up" feiert nächste Woche sein zwanzigjähriges Bestehen. Vom Jammer der Musikindustrie ist in dem kleinen Familienbetrieb nichts zu spüren. Wie das geht? Ganz einfach. Es ist ein Shop von Musik-Freaks für Musik-Freaks.

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Wien - "Servas Oida, die neue Jon Spencer kommt heute!" So ein Satz fällt nur im Rave Up. Und der Chef des Plattenladens, Werner Schartmüller, der Welt trotz Durchschnittsgröße nur als Shorty bekannt, freut sich auf das neue Album des Punkrockers Spencer mindestens so sehr wie die potenzielle Kundschaft.

Punkrock hat viele ruiniert. Im Gegensatz zu diesbezüglichen, früh endenden Biografien, wurde Shorty, heute 53, vom Punkrock schon zweimal gerettet. Einmal, als die wüsten drei Akkorde den gelernten Elektriker aus der Enge der steirischen Provinz in die Bundeshauptstadt führten, wo er 1987 in der Hofmühlgasse im 6. Bezirk den Plattenladen Rave Up eröffnete.

Iggy auf der Intensivstation

Zum zweiten Mal stellte sich Punkrock 1999 als Heilsbringer heraus. Damals spielte seine Frau Doris, die mit Shorty das Rave Up betreibt, ihm nach einem lebensbedrohlichen Sturz auf der Intensivstation solange Iggy Pop & The Stooges vor, bis der Gefallene aus dem Tiefschlaf wieder aufwachte. Trotz oder wegen der Stooges - man weiß es nicht ...

Den Sturz und die bangen Monate danach bezeichnen beide als schwärzeste Zeit für den kleinen Familienbetrieb in Mariahilf. Das ist heute alles lange überstanden, und nächste Woche feiert man das zwanzigjährige Jubiläum. Zuerst im Laden, später im Gartenbaukino (siehe Kasten).

Sympathisch renitent

Das Rave Up hat sich als sympathisch renitente Institution für Musikfreunde erwiesen, das Konkurrenz wie das Why Not ebenso überlebt hat wie den Virgin Megastore. Heute teilt man sich mit ähnlich sortierten Wiener Läden wie dem Recordbag oder dem Substance die Klientel und schickt diese selbstlos in die jeweils anderen Shops, sollte man einmal etwas gerade nicht lagernd haben.

Wobei: Bestell- und Suchservice sind in Zeiten global vernetzter Händlernetzwerke selbstverständlich und machen für die einige hunderte Musik-Freaks umfassende Stammkundschaft den notwendigen Unterschied aus.

Gerade in Zeiten von MP3. Spürt man das als kleiner Fachhandel? Doris Schartmüller: "Ja, wir haben heute weniger Jugendliche als Kundschaft als noch vor zehn Jahren. Die besorgen sich zuerst den Download und erst später dann vielleicht das Album. Zu uns kommen aber ohnehin richtige Musikliebhaber. Die wollen ein Album oder eine CD. Und diese Kundschaft ist sehr treu." Lagernd hat man von der Elektronik und Independent Rock über HipHop und diverse Beuschelreißer-Stile fast alles. Zu brav darf's halt nicht sein.

Dieses Sortiment führte so manche Prominenz ins Rave Up: Sonic Youth wühlten sich ebenso durch die Regale wie Henry Rollins, Lydia Lunch oder Bands wie Wire und Mudhoney. Der verstorbene britische Radio-DJ John Peel nannte das Rave Up gar "best record shop in the world". So war es nach dem Vorbild des Londoner Rough Trade Shop auch gedacht, erzählt Shorty, der als Sänger der Band Kollaps einst selbst Musik gemacht hat: "Wir haben geklungen, wie wir geheißen haben!"

Keimzelle Über die Jahre erwies sich der Laden nicht nur als Anlaufstelle für Musikkonsumenten, sondern auch als Keimzelle für die Wiener Musikszene. Peter Rehberg, der das Label Mego gegründet hat und einer der Großen in der experimentellen Elektronik wurde, hat ebenso im Rave Up Platten verkauft wie Kurt Wöginger oder Dierk Rossiwall, die heute Bounce Records führen, ein auf Dancefloor spezialisiertes Plattengeschäft.

Schicksalhaft

Zu den ersten von den Rave-Up-Betreibern beeinflussten Menschen zählt übrigens Werner Geier, legendärer Ö3-Musikbox-Journalist, FM4ler und Labelbetreiber, also selbst für etliche musikaffine Schicksale verantwortlich. Noch in der Steiermark, wo Shorty in dem Elektrohandel, in dem er seine Lehre absolviert hatte, für die Schallplattenabteilung zuständig war, wurde Klein-Geier angefixt: "Wenn es euch nicht gäbe, würde ich heute wahrscheinlich Volksmusik hören", hat Geier Doris Schartmüller einst gestanden. Die Frage nach weiteren prominenten "Opfern" bleibt unbeantwortet. "Der Bote, mit der Jon Spencer kommt gerade", entschuldigt sich Shorty.

Tja, Punkrock hat eben oberste Priorität. (Karl Fluch, DER STANDARD Printausgabe, 3./4.11.2007)