Just einen Tag bevor der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan heute zu seinem mit Spannung erwarteten Treffen mit US-Präsident George Bush reist, hat die separatistische PKK gestern acht in den Nordirak verschleppte türkische Soldaten freigelassen. Die seit zwei Wochen in der Gewalt der kurdisch-türkischen Guerilla befindlichen Soldaten wurden am Sonntagmorgen Vertretern der kurdischen Autonomieregierung Nordirak übergeben und noch im Laufe des Tages in der Türkei erwartet. Zuvor waren noch drei Abgeordnete der kurdischen DTP in den Nordirak gereist, um die Freilassung der Soldaten zu beschleunigen.

Damit ist einer der brisanten Punkte zwar erledigt, Erdogan wird sich damit aber kaum zufriedengeben. Für die Türkei geht es darum, wie zukünftig Angriffe der PKK von irakischem Territorium aus in der Türkei verhindert werden können. Im Vorfeld des Besuchs hat Erdogan mehrfach deutlich gemacht, dass er von den USA nicht nur verbale, sondern praktische, militärische Unterstützung bei der Bekämpfung der PKK im Nordirak erwartet.

Wie erwartet, überschattete die Krise die Irak-Nachbarschaftskonferenz am Freitag und Samstag in Istanbul. US-Außenministerin Condoleezza Rice traf sich mit ihren türkischen und irakischen Kollegen, Ali Babacan und Hoshyar Zebari, um zu vermitteln.

Die Türkei fordert ultimativ, dass die Lager der PKK im Nordirak geschlossen und die führenden PKK-Kader ausgeliefert werden, damit sie in der Türkei vor Gericht gestellt werden können. Während die irakischen Kurden zunächst eine Kooperation gegen die PKK kategorisch ablehnten, bewegten sie sich in den letzten Tagen unter massivem Druck aus Washington zu dem Standpunkt, es sei zwar auch für sie nicht akzeptabel, dass die PKK aus dem Nordirak heraus die Türkei angreife, aber sie seien militärisch nicht dazu in der Lage, die PKK zu entwaffnen und ihre Anführer auszuliefern. Immerhin wurden am Samstag als Geste des guten Willens zwei Büros PKK- naher Organisationen im Nordirak geschlossen.

Verständnis für Türkei

Türkische Konferenzteilnehmer interpretierten am Samstagabend die Summe der bilateralen Gespräche, die Babacan, aber auch Ministerpräsident Erdogan am Rande der Konferenz geführt hatten, unter dem Strich so: Alle Gesprächspartner hätten Verständnis für mögliche Maßnahmen der Türkei gezeigt, allerdings immer darum gebeten, das Militär so wenig wie möglich einzusetzen. Darum wird es wohl auch heute in Washington gehen. In Ankara rechnet man damit, dass Bush einer begrenzten türkischen Militäroperation zustimmt. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2007)